Dunkle Wolken über der DFB-Elf
22. Juni 2014Noch verstecken sich Deutschlands beste Fußballer unter dem provisorischen Dach des Fitnessbereichs am rechten hinteren Rand des Trainingsgeländes. Draußen stürmt es recht heftig, die Palmen rund um den Platz biegen sich im Wind. Die Gedanken an das umkämpfte und auch etwas glückliche Remis gegen Ghana hängen am Morgen danach noch in Form von dunklen Wolken über dem Team. Es ist etwas ungemütlicher geworden für die DFB-Elf im Fußballer-Paradies von Santo Andre - das ist die Metapher, die sich schnell aufdrängt zu diesem Bild.
Gut fünf Minuten dauert die Ansprache des Trainerstabs an die versammelte Mannschaft, dann löst sich die Runde auf, um in Kleingruppen zu trainieren. Nun, da der Blick frei ist, zählt das Auge schnell durch und kommt nur bis zur Zahl 21. Es müssten aber 23 Spieler sein. Schnell fällt auf, wer fehlt: Verteidiger Jerome Boateng und Mittelfeldspieler Sami Khedira sind nicht bei der Mannschaft. Beide wurden im Spiel gegen Ghana ausgewechselt und das hatte Gründe: Khedira zog sich eine Innenbandzerrung im linken Knie zu. Erneut das Knie, dieses Mal aber das linke und nicht das rechte, in dem der Spieler von Real Madrid zuletzt einen Kreuzbandriss hatte. Und Boateng hat es am linken Oberschenkel erwischt. Der Verteidiger von Bayern München wird wegen einer neurogenen Muskelverhärtung behandelt, eine ähnliche Verletzung, wie sie sich Mats Hummels im Portugal-Spiel zugezogen hatte. DFB-Pressesprecher Jens Grittner sagte gegenüber der DW, dass ein möglicher Einsatz der beiden im letzten Gruppenspiel gegen die USA nun vom Heilungsverlauf während der nächsten Tage abhänge.
Müller mit fünf Stichen genäht
Joachim Löw wird sich also seine Gedanken machen müssen, welche personellen Alternativen infrage kommen. Ein Name wird sich aufdrängen: Bastian Schweinsteiger hätte nach seiner starken Leistung als Einwechselspieler im Ghanaspiel nun einen Platz in der Startelf anstelle des angeschlagenen Khedira verdient. Im Fall Boateng ist die Lage nicht ganz so einfach: Fällt er aus, wäre Shkodran Mustafi eine Alternative, doch der leistete sich einen kapitalen Fehler gegen Ghana. Eine Möglichkeit wäre der Dortmunder Kevin Großkreutz, der bisher aber wenig Erfahrung in der Nationalelf hat und bei Löw nicht erste Wahl ist.
Eine positive Nachricht gab es dann aber auch an diesem windigen Vormittag in Santo André: Thomas Müller wird gegen die US-Elf von Trainer Jürgen Klinsmann auflaufen können. Zwar wurde Müller, der in der Nachspielzeit mit dem Kopf an die Schulter von Ghanas John Boye gestoßen war und blutüberströmt vom Platz ging, mit fünf Stichen über dem Auge genäht, doch diese Verletzung soll ihn nicht weiter behindern. Der Bayern-Stürmer blieb aber auf dem Ergometer sitzen, während die meisten Kollegen auf dem Platz trainierten.
Klose geht ins Tor
Stürmerkollege Miroslav Klose, der am Abend zuvor als Ausgleichs-Torschütze zum gefeierten Helden wurde, übte sich derweil in einer neuen Rolle: Klose ging ins Tor. Der frischgebackene WM-Rekordtorschütze stellte sich beim Trainingsspiel zwischen die Hütchen und machte seine Sache dort sogar richtig gut. Der Älteste im deutschen Team wird immer mehr zur Allzweckwaffe für Joachim Löw, der Klose gegen Ghana erfolgreich als "Spezialkraft" ins Spiel brachte und anschließend lobte: "Er hat es wieder geschafft, bei einem Turnier auf den Punkt topfit zu sein. Für einen Trainer ist es natürlich toll, dass man über solche Alternativen verfügt".
Auch wenn das Ghana-Spiel erhebliche Defizite im deutschen Spiel offenbarte - zu nennen wären vor allem die wacklige Defensive und der fehlerhafte Spielaufbau - blickt der Bundestrainer optimistisch auf das Finale der Gruppenphase - wissen wir inzwischen, dass schon ein Unentschieden gegen die USA zum Gruppensieg reicht. Die nackten Tatsachen sprechen weiter für die DFB-Elf und vielleicht haben sich die dunklen Wolken bis zum USA-Spiel auch schon wieder verzogen.