Durchbruch zwischen Russland und USA?
18. Juli 2016"Das ist selbstverständlich noch kein Durchbruch, aber eine Chance darauf", schrieb Konstantin Kossatschow auf seiner Facebook-Seite. Der Vorsitzende im Auswärtigen Ausschuss des Russischen Föderationsrats sieht Anzeichen für eine "lang ersehnte Entwicklung" in den Beziehungen zwischen Russland und den USA - hin zu einer "realen Zusammenarbeit" in Syrien. Das Stichwort: Realpolitik.
Solche fast freundschaftliche Aussagen russischer Politiker in Richtung Washington sind in den letzten Jahren besonders selten geworden. Zu hören waren eher harsche Töne. Kossatschows vorsichtiger Optimismus liegt an den Vereinbarungen des US-Außenministers John Kerry bei seinem Besuch in Moskau Ende vergangener Woche. Kerry kam nach Russland, um über US-Vorschläge zum Vorgehen in Syrien zu beraten. Er traf sich zunächst mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und verhandelte dann 12 Stunden lang mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow. Im Mittelpunkt stand die Umsetzung der Waffenstillstandsvereinbarung im Syrien-Krieg, die im Februar zwischen Moskau und Washington ausgehandelt wurden. Diese Vereinbarung wird immer wieder gebrochen und der Übergang zu einer angekündigten politischen Lösung verzögert sich.
Austausch von Geheimdienstinformationen
Über die Ergebnisse der jüngsten Gespräche haben beide Seiten Stillschweigen vereinbart. Um sie nicht zu gefährden, hieß es. Doch einige Details sickerten durch. So habe die US-Regierung Russland beim Vorgehen gegen terroristische Gruppen in Syrien Hilfe angeboten, berichtete die "Washington Post". Es gehe um einen "erweiterten Austausch von Information", womit offenbar geheimdienstliche Erkenntnisse gemeint seien. Andere Medien berichteten von einer angeblichen Gründung einer "gemeinsamen Zelle", um Geheimdienstinformationen auszutauschen.
Unklar ist, ob der Deal auch eine Abstimmung zwischen Russland und den USA bei Lufteinsätzen in Syrien beinhaltet. Russland bietet den Vereinigten Staaten seit Monaten eine gemeinsame Operation gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) an. Washington ging bisher nicht darauf ein. Man einigte sich nur, solche Lufteinsätze minimal zu koordinieren, um Zusammenstöße der Kampfjets zu vermeiden.
Im Gegenzug erwarte Washington, dass Russland aufhöre, Zivilisten und diejenigen Oppositionskräfte in Syrien zu bombardieren, die den Waffenstillstand unterstützten, schreibt die "Washington Post". Außerdem solle Moskau seinen Verbündeten, den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, überzeugen, dasselbe zu tun.
Gemeinsames Vorgehen gegen "Al-Nusra"
Im Mittelpunkt des zwischen Moskau und Washington ausgehandelten Deals steht offenbar die Bekämpfung der "Al-Nusra Front", die als syrischer Ableger des Terrornetzwerkes "Al-Kaida" gilt. Lawrow sprach in diesem Zusammenhang von einem "gemeinsamen Feind". Das Problem dabei dürfte sein, die "Al-Nusra"-Kämpfer von denjenigen zu unterscheiden, die Washington als "gemäßigte Opposition" bezeichnet - und unterstützt. Die USA haben Russland mehrmals vorgeworfen, dass es syrische Oppositionelle bombardiere, statt IS-Terroristen. Deshalb reagierte Washington bisher zurückhaltend auf Moskaus Vorschläge, geheimdienstliche Informationen zu teilen. Nun könnte es eine Einigung in dieser Frage geben: "Es gab offenbar irgendwelche Garantien für die US-Seite", sagte Andrej Kortunow, Leiter des Russischen Rates für internationale Politik, im Gespräch mit der DW.
Misstrauen auf beiden Seiten
Von einem Durchbruch zu sprechen, hält Kortunow allerdings für übertrieben. "Ein Durchbruch sieht gemeinsame Arbeit an strategischen Schritten vor, wie bei der Vernichtung syrischer Chemiewaffen", sagt er. Es gehe momentan um eine taktische, nicht um eine strategische Koordination. Dass Washington jetzt das anbiete, was Russland schon lange gefordert habe, werde in Moskau mit einer gewissen Genugtuung, aber ohne Euphorie registriert, sagt Kortunow. Als Grund für Washingtons Diplomatieoffensive sieht der russische Experte die im Herbst bevorstehende Präsidentenwahl in den USA und das nahende Ende der Präsidentschaft Obamas.
Ein Kernproblem bei der Umsetzung der Vereinbarungen zwischen Moskau und Washington sei allerdings deren Akzeptanz bei anderen Akteuren in der Region - etwa Saudi-Arabien, Iran oder Türkei - gibt Kortunow zu bedenken.
Auch in den USA sind viele Experten skeptisch. "Ich glaube nicht, dass man den Russen vertrauen kann", sagte Stephen Blank vom American Foreign Policy Council. Washington habe keine Strategie in Syrien, während Russland "den Prozess vorantreibt". Auch Blank erwartet keinen Durchbruch.
Kortunow und Blank lassen das Misstrauen spüren, das seit Jahren das Verhältnis zwischen Russland und den USA prägt.