DVD-Tipp: Federico Fellini
6. Mai 2011Zum Ende seiner Karriere war Fellini eine Legende. Wie nur bei ganz wenigen anderen Filmregisseuren stand sein Name mindestens ebenso groß auf den Kinoplakaten wie die seiner Stars. Manchmal sogar im Titel, "Fellinis Stadt der Frauen" hieß ein Film oder "Fellinis Schiff der Träume". Seine letzten Werke hatten noch einmal Bilanz gezogen und all das vereint, was ihn berühmt gemacht hatte: die unnachahmliche Mischung aus Melancholie, komödienhaften Elementen und beißender Kritik an gesellschaftlichen Zuständen. Fellini war spätestens in den 1970er Jahren zu einer Marke geworden, zu einem weltweit bekannten italienischen Exportschlager in Sachen Film.
Seinem Spätwerk hat das nicht immer unbedingt gut getan. Ein wenig zu pompös geriet da vieles, zu verspielt und selbstverliebt. Auch wenn immer wieder die Meisterschaft seiner Regiekunst durchblitzte, waren einige seiner späten Filme durchtränkt von einer etwas schwerfälligen Opulenz und Oberflächlichkeit. Umso interessanter ist es, sich wieder seinen Anfängen und Meisterwerken zuzuwenden. Eine Fellini-Box mit zehn Werken und vielen Extras ermöglicht das nun. Dort trifft man auf einen Filmemacher, der schon ganz am Anfang seiner Karriere Themen setzte, schnell seinen Stil fand, einen ganz eigenen künstlerischen Weg einschlug.
"Der weiße Scheich" (1952)
Fellinis erster Film, bei dem er alleine Regie führte. Die Geschichte eines jungen Paares, das aus der italienischen Provinz in die Hauptstadt kommt. Auf dem Programm stehen: sämtliche Sehenswürdigkeiten Roms, der Besuch beim Onkel, eine Papstaudienz. Doch auf dem Programm der jungen Ehefrau steht etwas ganz anderes: Sie will den "weißen Scheich" finden, Phantasiefigur und Held einer populären Fotoromanze. Sie macht sich also auf den Weg und trifft auf ein Team, das gerade bei der Arbeit ist. Doch die Begegnung mit den Fotografen, Autoren und Schauspielern gerät zum Desaster. Ihr werden die Augen geöffnet. Derweil macht sich ihr verzweifelter Ehemann (grandios: Leopoldo Trieste) auf die Suche nach der verschwundenen Ehefrau und gerät dabei in groteske Situationen.
"Der weiße Scheich" erlaubt einen für Fellini so typischen Blick hinter die Kulissen des Showgeschäfts. Das ist zum Teil ungemein witzig, schlägt aber auch in Sekundenbruchteilen um in tiefe Melancholie. Warum der Film damals - sowohl beim Publikum als auch bei der Kritik - ein Misserfolg war, erscheint heute erstaunlich. Fellini war seiner Zeit offenbar voraus. Die Mischung verschiedener Stilelemente, die rasante Inszenierung und die Verzahnung von zwei gleichberechtigten Handlungsebenen überforderte offenbar die damaligen Zuschauer.
"Die Nächte der Cabiria" (1957)
Nur fünf Jahre nach seinem Debüt war Fellini bereits ein oscarprämierter Weltstar auf dem Regiestuhl. Dafür war in erster Linie "La Strada - Das Lied der Straße" verantwortlich. Der Film "Die Nächte der Cabiria" nahm einen Nebenstrang aus "Der weiße Scheich" wieder auf. Damals war Giulietta Masina als kleine Prostituierte mit einem denkwürdigen Auftritt auf der Leinwand erschienen, jene Schauspielerin, die früh zu Fellinis Muse und Ehefrau werden sollte. In "Die Nächte der Cabiria" nun nutzt Fellini das Temperament und die Schauspielkunst der Masina für eine ganze Filmhandlung.
Cabiria lebt in einem ärmlichen Verhau in den Vorstädten Roms und verdient sich ihr Geld auf der Straße. Sie träumt vom großen Glück, was hier heißt: von einem Mann, der sie heiratet und ihr ein besseres Leben ermöglicht. Das geht natürlich immer wieder schief, die Unglückselige wird von Freiern und Betrügern ausgenommen, hintergangen, ihrer Ersparnisse beraubt. Fellini erzählt das aber nicht als Sozialdrama im Stile des italienischen Neorealismus, sondern als große Passionsgeschichte, als Drama einer vom Glück Verlassenen. Fellini ist hier schon auf der Höhe seiner Regiekunst. Die einzelnen Sequenzen sind so vielschichtig und mitreißend inszeniert, dass einem auch heute noch der Atem stockt.
"Achteinhalb" (1963)
Der Film ist die Verarbeitung einer Krise Fellinis, einer persönlichen wohl vor allem, auch einer künstlerischen. Der Filmregisseur Guido Anselmi (Marcello Mastroianni in einer seiner ganz großen Rollen) denkt über sein Leben nach, seine Ehe und Lieben, seine Filme, sein Werk. Dass auch Fellini bis dato achteinhalb Filme gedreht hatte, ist nur sichtbarstes Zeichen für den autobiografischen Hintergrund.
Der Regisseur Guido ist vornehmlich in einem Sanatorium zu sehen, wo er wegen eines, heute würde man wohl sagen Burn Out-Syndroms, behandelt wird. "Reale" Szenen wechseln mit Traumsequenzen, Wirklichkeit und Visionen durchdringen sich gegenseitig. Der Zuschauer steht vor einem großen Mosaik, das er zu entschlüsseln und zusammenzusetzen hat. Die einzelnen Wirklichkeitsebenen sind vor allem im zweiten Teil des Films kaum noch voneinander zu trennen. Auch stilistisch und inszenatorisch ist "8 1/2" äußerst bemerkenswert. Vor der Kamera spielen sich nicht selten mehrere Geschichten gleichzeitig ab. "Achteinhalb" ist auch heute noch ein Monolith der Kinogeschichte. Ein unvergleichlich vielschichtiges Werk, das man immer wieder mit Gewinn sehen kann - und neben dem große Teile des Kinos von heute stümperhaft wirken.
In der Box "Fellini Collection" sind neben den erwähnten Filmen noch "Die Müßiggänger"; "La Strada", "Die Schwindler", "Fellinis Casanova", Fellinis Stadt der Frauen", "Ginger und Fred", Julia und die Geister" enthalten. Dokumentationen, Interviews und weitere Extras ergänzen die Filme, insgesamt 1.173 Minuten, Anbieter: "Arthaus".
Autor: Jochen Kürten
Redaktion: Gudrun Stegen