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Französische Klassiker

Jochen Kürten14. Juni 2012

Die Franzosen nennen sich gern "Grande Nation". Beim Kino gesteht man ihnen das gerne zu. Der französische Film ist reich an Meisterwerken. Auf DVD sind einige von ihnen soeben erschienen.

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Szene aus dem Film "Die Prinzessin von Montpensier" von Betrand Tavernier (Foto: Studiocanal/Arthaus)
Bild: Studiocanal/Arthaus

Oh Frankreich, Du hast es gut! Nicht nur, dass Du die siebente Kunst vor vielen Jahren aus der Taufe gehoben hast. Du hast sie über die Jahrzehnte gehegt und gepflegt. Du hast sie durch zwei Weltkriege gebracht, hast immer wieder für kräftige ästhetische Erneuerungsschübe gesorgt. Mit der "Nouvelle Vague" kannst Du auf die fruchtbarste Kinorevolution aller Zeiten stolz sein. Du kannst zurückblicken auf alte und neue Klassiker, auf Meisterwerke aller Genres. Und noch heute rennen Dir die Leute die Kinos ein, die man bei Dir im Übrigen nicht nur in den großen Metropolen findet, sondern auch in der Provinz. Genug der Schwärmerei.

In Deutschland kann man sich viele französische Filme auf DVD anschauen, wenn man nicht das Glück hatte, sie auf großer Leinwand zu sehen. Eine kleine, aber feine Auswahl ist in diesen Wochen erschienen: Der französische Film-Pionier Abel Ganze brachte 1927 seinen monumentalen Historienfilm "Napoléon" in die Kinos, 33 Jahre später legte er mit "Austerlitz" nach. Jean Renoir drehte kurz vor dem 2. Weltkrieg den Klassiker "Die große Illusion". Ganz aktuell - und auch bei uns im letzten Jahr noch im Kino zu sehen -, ist Bertrand Taverniers Mantel- und Degenfilm "Die Prinzessin von Montpensier". Alle diese Filme liegen nun auf DVD vor.

Szene aus dem Film "Napoléon" (mit Albert Dieudonné) von Abel Gance (Foto: Studiocanal/Arthaus)
"Napoléon" (Albert Dieudonné) in der Filmfassung von 1927Bild: Studiocanal/Arthaus

"Napoléon vu par Abel Gance" und "Austerlitz" von Abel Gance (1927/1960)

Was für ein Film ist der stumme Klassiker "Napoléon" noch heute! Welch ungeheure Vielfalt und filmische Raffinesse entfaltete damals Gances monumentaler Historienstreifen. Noch heute beeindrucken die Kameraexperimente, die -fahrten und -perspektiven, die aufregende Montage. Abel setzte sogar Split Screen ein, ein Verfahren, dass sich erst 40 Jahre später in Hollywood etablieren sollte. Er ließ Teile seines Films in einem aufwendigen Verfahren (Polyvision) gleichzeitig auf drei Leinwände projizieren und nahm damit die verschiedenen Breitwandformate späterer Jahrzehnte vorweg. Und, man mag es kaum glauben, er drehte auch in 3D, setzte diese Sequenzen in dem fertigen Film allerdings nicht mehr ein.

Szene aus dem Film "Austerlitz" von Abel Gance´(Foto: Studiocanal/Arthaus)
Im Angesicht der Katastrophe: Napoleon (Pierre Mondy) in "Austerlitz" von Abel GanceBild: Studiocanal/Arthaus

Aber was heißt schon fertig? Ursprünglich hatte der französische Filmpionier vor, seinen Napoleon-Film in sechs Teilen zu drehen. Daraus wurde nichts. Allein der erste, 1927 in Paris uraufgeführte Teil dauerte ursprünglich 330 Minuten. Diese Fassung wurde später - auch von Gance - mehrfach verändert, meist verkürzt und verschiedentlich rekonstruiert und wiederaufgeführt. Die nun (auf DVD) vorliegende Fassung hat eine Länge von 222 Minuten und entstand unter der Oberaufsicht von Amerikas Regielegende Francis Ford Coppola. Über die biografische Überhöhung der historischen Figur Napoleon im Film kann man bis heute streiten - nicht umsonst hieß das Werk ja auch: "Napoléon - gesehen von Abel Gance". Der Film "Austerlitz", von Abel Gance Ende der 50er Jahre als farbenprächtiges Historiengemälde im Stile der Zeit inszeniert, prunkte mit vielen Weltstars des Kino, ist jedoch von seiner filmischen Klasse nicht mit dem frühen Kinoepos aus der Stummfilmzeit zu vergleichen.

"Die große Illusion" von Jean Renoir (1937)

Auch das ein großes Meisterwerk des französischen Kinos: ein Film über Freundschaften zwischen Deutschen und Franzosen während des Weltkriegs. Die Filmhandlung spielt im Jahre 1916. Im Mittelpunkt steht die Flucht zweier französischer Jagdflieger durch deutsches Feindesgebiet. Renoir erzählt von Respekt und gegenseitiger Hochachtung und auch von der Liebe zwischen Menschen fremder Nationen. Der Film ist großartig besetzt, unter anderem mit Jean Renoir und Erich von Stroheim, wunderbar inszeniert in einer Mischung aus Melodrama und Kriegsfilm, aus Gefangenendrama und zärtlicher Liebegeschichte, spannend und auch mit Humor in Szene gesetzt.

Szene aus dem Film "Die große Illusion" von Jean Renoir (Foto: Studiocanal/Arthaus)
Liebe über Landesgrenzen hinweg: Jean Renoir und Dita Parlo in "Die große Illusion"Bild: Studiocanal/Arthaus

Ebenso aufschlussreich wie der Film sind die Dokumentationen auf der Doppel-DVD. Sie erzählen über die Rezeption des französischen Klassikers, geben Einblick in die verschiedenen Phasen, in denen der Film von der Kritik, der Öffentlichkeit und den Zuschauern durchaus unterschiedlich aufgenommen wurde. Auch "Die große Illusion" wurde in den Jahrzehnten nach seiner Premiere geschnitten und wieder zusammengefügt, umjubelt und kritisiert, gefeiert und missachtet - je nach aktueller politischer Großwetterlage. All das fügt sich zu einem aufregenden Stück Film- und Zeitgeschichte zusammen. Atemberaubend ist auch die Qualität der Bilder nach der digitalen Wiederaufrüstung: "Die große Illusion" leuchtet - zumal auf BluRay - in schönsten Schwarz-Weiß-Schattierungen.

"Die Prinzessin von Montpensier" von Bertrand Tavernier (2010)

Der jüngste Film blickt am weitesten zurück. Taverniers Historienepos "Die Prinzessin von Montpensier" geht auf die 1672 veröffentlichte gleichnamige Novelle von Madame de Lafayette zurück und spielt im Jahre 1562. Während der Religionskriege in Frankreich gerät eine junge Frau in ein emotional aufgeheiztes verhängnisvolles Liebesviereck. Gleich vier Männer buhlen um die schöne Marie. Die wird gegen ihren Willen standesgemäß verheiratet. Fortan muss sie sich zwischen dem nur akzeptierten Ehemann, dem früheren Liebhaber, den Avancen des angehenden Königs und der heimlichen Liebe ihres älteren Hauslehrers bewähren. Letzterer (Lambert Wilson) bildet zusammen mit der Prinzessin (Mélanie Thierry) das emotionale Herzstück des Films. 

Szene aus dem Film "Die Prinzessin von Montpensier" von Betrand Tavernier (Foto: Studiocanal/Arthaus)
Marie (Mélanie Thierry) und ihr Liebhaber, der Duc de Guise (Gaspard Ulliel), in "Die Prinzessin von MontpensierBild: Studiocanal/Arthaus

"Die Prinzessin von Montpensier" gibt einem den Glauben an die Kunst des Mantel- und Degenfilms zurück. Das ist schon eine Qualität an sich, hat Hollywood doch in den letzten Jahren dafür gesorgt, dass dieses Genre eigentlich nicht mehr ernst zu nehmen ist. Gerhard Midding schreibt in der gerade erschienenen Tavernier-Monografie: "Es ist vielleicht Taverniers größtes Verdienst als Filmemacher, seine Zuschauer zu Zeitgenossen der Vergangenheit zu machen. (...) Während das moderne Action-Kino keine Wege mehr kennt, sondern nur noch Abkürzungen, dreht Tavernier Plansequenzen, in denen die Schauspieler Raum und Zeit haben, aufeinander zu reagieren." So ist diese elegante Literaturverfilmung ein Glücksfall für das Kino, gewährt sie doch Einblick in eine längst vergangene Epoche, ist aber zugleich ein modernes und glaubwürdiges Filmmelodrama.

Abel Gance: "Napoléon", Frankreich/Italien/USA 1927, 222 Minuten; "Austerlitz", Frankreich/Italien 1960, 164 Minuten, mit Extras und Booklet; Jean Renoir: "Die große Illusion" (BluRay), Frankreich 1937, 113 Minuten, mit vielen Extras und Booklet; Bertrand Tavernier: "Die Prinzessin von Montpensier", Frankreich/Deutschland 2010, 139 Minuten; alle Filme sind auf DVD bzw. BluRay beim Anbieter "Studiocanal/Arthaus" erschienen.