Ebola - Jeder wie er es will
16. Oktober 2014Der Umgang der EU mit Ebola bleibt den Mitgliedsstaaten überlassen. Und die machen es sehr unterschiedlich. In Deutschland warnt der Gesundheitsminister vor Hysterie und glaubt das Gesundheitssystem gut gegen das Virus aufgestellt. In Großbritannien proben die Gesundheitsbehörden dagegen den Ernstfall - und haben außerdem auf den Londoner Flughäfen Heathrow und Gatwick und am Bahnhof St. Pancras, wo der Eurostar vom europäischen Festland ankommt, Passagiertests eingeführt.
Frankreich zieht jetzt nach und will Air-France-Passagieren aus Guinea bei ihrer Ankunft in Paris die Temperatur messen. "Ohne Fieber kein Ansteckungsrisiko", meint die französische Gesundheitsministerin Marisol Touraine. Auch Tschechien hat solche Kontrollen angekündigt. Dabei haben Experten Zweifel, wie sinnvoll solche Kontrollen sind, weil die Inkubationszeit der Krankheit bis zu drei Wochen beträgt. Doch die Regierungen in Europa sind durch die Fälle in den USA und Spanien aufgeschreckt und wollen lieber zu viel als zu wenig gegen Ebola tun.
"Afrika-Hilfe ist Eigenschutz"
Die Kommission geht bisher nicht so weit, allen Mitgliedsstaaten Kontrollen an den Flughäfen zu empfehlen. Das soll jeder Staat selbst entscheiden. Die Staaten sollten aber Fluggästen aus den am stärksten betroffenen Ländern medizinische Hinweise geben. Passagiere aus Westafrika könnten zum Beispiel eine Telefonnummer bekommen, die sie anrufen können, wenn sie bei sich Symptome der Krankheit entdecken. Auch sollten diese Personen im Verdachtsfall nicht ohne Vorwarnung die Notaufnahme eines Krankenhauses aufsuchen, um mögliche Ansteckungen zu vermeiden.
Die Kommission spricht bisher auch nicht von einer Pandemie, weil Ebola bisher auf wenige westafrikanische Länder beschränkt bleibe. Die EU-Strategie richtet sich deswegen auch mehr auf die Bekämpfung der Krankheit in Westafrika selbst. Die EU als Gemeinschaft hat den am meisten betroffenen Ländern Guinea, Sierra Leone, Liberia und Nigeria 180 Millionen Finanzhilfe zugesagt, die Mitgliedsstaaten noch einmal 300 Millionen. Diese Hilfe, so der deutsche Gesundheitsminister Hermann Gröhe, "ist im besten Sinne des Wortes notwendige Hilfe für die Menschen dort, aber auch der wirksamste Eigenschutz für die Bevölkerung in Europa".
Abflugkontrollen in Afrika reichen den Europäern nicht
Worauf die Kommission besonderen Wert legt, sind Kontrollen an den afrikanischen Flughäfen für abgehende Flüge. Diese finden in Guinea, Liberia und Sierra Leone auch statt. Bisher wurden nach Angaben des führenden internationalen Dachverbandes der Flughafenbetreiber, ACI, rund 36.000 Passagiere vor dem Abflug kontrolliert. Dabei wird ihre Körpertemperatur auf Fieber hin gemessen, und sie müssen einen Fragebogen ausfüllen. 77 von ihnen wurde daraufhin der Abflug verweigert, doch keiner von ihnen stellte sich später, so ACI, als Ebola-Fall heraus. Doch auf diese Tests in Westafrika will man sich in Europa nicht mehr verlassen. Die EU will zusammen mit der Weltgesundheitsorganisation, WHO, prüfen, "ob sie auch effektiv sind", so EU-Gesundheitskommissar Tonio Borg, "und sie gegebenenfalls verschärfen" lassen.
Die verschieden rigorose Herangehensweise in Europa rührt nicht zuletzt daher, wie eng die Verkehrsbeziehungen einzelner europäischer Staaten mit den betroffenen afrikanischen Ländern sind. So fliegt Air France weiterhin Conakry in Guinea direkt an. Brussels Air bedient sowohl Conakry als auch die liberianische Hauptstadt Monrovia direkt. Bei der marokkanischen Royal Air Maroc bestehen indirekte Verbindungen zwischen Westafrika und Europa über Marokko.
Es gibt keine Gesamtstrategie
Die Kommission drängt die Mitgliedsstaaten neben weiterer Finanzhilfe an die betroffenen westafrikanischen Länder auch zur Entsendung von Soldaten, um die Krankheit dort zu bekämpfen. Großbritannien hat zum Beispiel 750 Soldaten für seine frühere Kolonie Sierra Leone zugesagt. Doch insgesamt ist die Bereitschaft unter den Mitgliedsstaaten zu solchen Aktionen sehr gering. Auch bei den Evakuierungsmöglichkeiten für Ebola-Patienten hapert es.
Generell klagen Kritiker, Europa wolle sich vor allem selbst gegen die Krankheit abschotten, die Not in Westafrika sei Europa dagegen egal. Das bestreitet die EU selbstverständlich. Doch fest steht: Bisher geht es bei der EU bestenfalls um einen Informationsaustausch und eine Koordinierung von Maßnahmen einzelner Länder, um eine Ausbreitung von Ebola zu verhindern, nicht um eine einheitliche Gesamtstrategie. Für Brice de la Vigne, einer der Leiter der Organisation Ärzte ohne Grenzen, ist das zu wenig: "Die Bekämpfung von Ebola ist zu langsam. Der Zeitfaktor ist wichtig. Wir müssen die Bekämpfung von Ebola als Krieg betrachten, und wir haben keine Zeit zu verlieren."