Rechts-Rock
9. März 2013Die offizielle Entscheidung mag getroffen sein, doch die Diskussion geht weiter. Nominiert wurde die Band Frei.Wild auf Grund ihrer Plattenverkaufszahlen. War es dennoch richtig, sie nun von den Echo Awards auszuschließen? Ja, sagt Florian Drücke, Geschäftsführer des Bundesverbandes Musikindustrie, dem die verleihende Phono-Akademie untersteht. "Um zu verhindern, dass der Echo zum Schauplatz einer öffentlichen Debatte um das Thema der politischen Gesinnung wird, hat sich der Vorstand nach intensiven Diskussionen dazu entschlossen."
Nein, nicht richtig, sagen Fans der Band. Den Deutsch-Rockern aus dem norditalienischen Brixen wird vorgeworfen, mit ihren Liedern völkisches und nationalistisches Gedankengut zu verbreiten. Das jedoch sehen die Frei.Wild-Anhänger anders - und machen ihrem Ärger unter anderem auf der Facebook-Seite der Echo Awards Luft. Eine ihrer Kernaussagen: Die Musiker seien keine "Nazis", sondern lediglich "Patrioten".
Falsch, sagt dazu Hartmut Fladt, Professor für Musikwissenschaft und Musiktheorie an der Universität der Künste in Berlin, der die Musik der Band untersucht hat: "Dieser sogenannte 'Patriotismus' ist kein Patriotismus, denn er ist immer gegen andere gerichtet. Im besten Falle ist Patriotismus etwas, dass die Liebe zum Vaterland oder der eigenen Herkunft ausdrückt, und diese Liebe darf keine sein, die andere herabsetzt, oder sogar davon ausgeht, dass andere - bei den Nazis würde man sagen - Untermenschen sind."
Musik als Lockmittel
Die Diskussion zeigt, wie schwierig es oft ist, rechtsextreme Musik zu identifizieren. Ein Umstand, der von den Machern durchaus gewollt ist. In seinem Jahresbericht stellt der Bundesverfassungsschutz dazu fest: "Die Musik dient durch ihre identitätsstiftende Funktion als 'Lockmittel', um insbesondere Jugendliche an die rechtsextremistische Szene sowie deren Ideologie heranzuführen und an sie zu binden."
Dabei bedienen sich die Produzenten oft aktueller gesellschaftlicher Themen, um mit deren Hilfe - mehr oder weniger versteckt - ihr rechtsextremes Gedankengut zu verbreiten, sagt Elke Monssen-Engberding, Vorsitzende der Prüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) in Bonn.
Eine typische Masche sei das Verteilen von Gratis-CDs vor Schulen. "Ein beliebtes Thema auf diesen CDs ist es, sich gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen zu wenden - und im Rahmen dieses Themenaufgreifens darauf zu verwiesen, wie schön es doch bei Hitler gewesen sei."
Insgesamt 1328 Titel befinden sich aktuell auf der Index-Liste der BPjM, Titel also, die Jugendlichen nicht zugänglich gemacht werden dürfen. Der Großteil davon beinhalte rechtsextremes Gedankengut, so Monssen-Engberding - welches Gruppen wie die NPD in unscheinbaren "Schulhof CDs" an arglose Jugendliche verteile. "Wir haben bereits mehrere Fassungen von Schulhof-CDs in die Liste aufgenommen, weil deren Inhalt zum Rassenhass anheizt und den Nationalsozialismus verharmlost."
Dabei sei es das Ziel, so der Musikwissenschaftler Fladt, junge Menschen mit platten Parolen regelrecht "einzuwickeln". Das Problem: "Je weniger musikalische Erfahrung ein Jugendlicher hat, desto mehr ist das möglich." Wichtig sei es daher, Jugendlichen so viel unterschiedliche Musikerfahrung wie möglich anzubieten, um ihnen Unterscheidungskriterien zu geben.
Aufklärung durch andere Bands
Die Zahl rechtsextremer Bands in Deutschland hat sich in den vergangenen zehn Jahren nahezu verdoppelt, auf mittlerweile knapp 200. Dabei macht der Verfassungsschutz einen Wandel in der Szene aus - zum Beispiel läge nun Hip-Hop-Musik im Trend: "Mit der Öffnung für andere Musikstile entwickelt sich ein breiteres Spektrum, mit dem auch Jugendliche angesprochen werden, die traditionelle Skinhead-Musik oder 'Rechtsrock' nicht bevorzugen", so der Bericht.
Aufklärung über das Thema ist jedoch gerade bei pubertierenden Jugendlichen, die auf der Suche nach ihrem eigenen Weg sind, nicht immer einfach. Offiziös anmutende Warnungen würden jedoch wenig bringen, so Fladt. Besser sei es, die Botschaft mithilfe anderer Bands zu transportieren, "andere Bands, die die Jugendlichen auch lieben, und die von sich aus sagen 'das und das geht nicht; da sind Grenzen, da machen wir nicht mit'."
Genau dies ist im Fall der Echo Awards bereits geschehen: Die Punkrock-Band Die Ärzte bezeichnet Frei.Wild als "politisch fragwürdig", und die ebenfalls nominierte Berliner Elektropop-Band MIA distanziert sich auf ihrer Facebook-Seite von den Südtirolern, deren Weltbild sie, Zitat, "zum Kotzen" findet: "Es mag nicht in unserer Hand liegen, welche Künstler für einen Echo nominiert werden, aber es liegt in unserer Hand, von unserer Nominierung dankend Abstand zu nehmen."