Hauptsache WM in Katar
11. Oktober 2016Unglaublich, ein Radrennen bei 38 Grad Celsius. "Nach 15 Minuten ist der Motor bei allen heiß gelaufen, ab da war es eine einzige Quälerei", schimpfte Deutschlands Zeitfahr-As Tony Martin, nachdem er am vergangenen Wochenende zum Auftakt der Rad-WM in Katar Gold im Mannschaftszeitfahren gewonnen hatte. Im Rennen der Frauen führte die unerträgliche Hitze zu einem schweren Unfall. Die Niederländerin Anouska Koster erlitt einen Hitzeschlag. Die 23-Jährige steuerte wie von Sinnen ihr Rad ins Absperrgitter und überschlug sich. Koster zog sich stark blutende Wunden und Prellungen im Gesicht zu. Auch ihre niederländischen Kolleginnen klagten über unzumutbare Bedingungen. "Die Hitze, das ist doch unmöglich, wie in einer Sauna", sagte Roxane Knetermann, und Chantal Blaak ergänzte: "Sogar die Lungen haben geschmerzt."
Martin: "Geld regiert die Welt"
Der Radsport-Weltverband UCI überlegt nun, die noch ausstehenden Rennen zu verkürzen. Das Männer-Rennen am kommenden Sonntag sollte eigentlich 257,5 Kilometer lang sein. Jetzt wird erwogen, die Profis nur auf der vorgelagerten, künstlich angelegten Insel "The Pearl" fahren zu lassen. Die Distanz würde damit auf nur noch gut 100 Kilometer zusammenschrumpfen. Neben der Hitze beklagen die Radsportler die fehlende WM-Atmosphäre im Scheichtum. "Es ist schade, oben auf dem Podium zu stehen und es sind mehr Reporter als Fans um einen herum", sagte Tony Martin: "Wir wissen doch, warum die WM hierher gekommen ist: Geld regiert die Welt."
Gekaufte Fans
In der Tat zieht der mit Öl reicht gewordene Golfstaat seit Jahren erfolgreich Weltmeisterschaften an Land. 2014 wurde in Katar die Kurzbahn-Schwimm-WM ausgetragen, 2015 die Handball-WM der Männer. Auch während des Handball-Turniers beschwerten sich die Teams darüber, dass keine WM-Stimmung aufkam. Die Organisatoren bezahlten damals sogar vermeintliche "Fans" dafür, dass sie zu den Spielen in die Halle kamen. Weitere Großereignisse sind für Katar bereits eingetütet: Die Turn-WM 2018, die Leichtathletik-WM 2019 und dann als vorläufiger Höhepunkt die Fußball-WM 2022.
Weltweite Kritik
Wenn die Scheichs mit den Dollar-Noten wedeln, werden Sportfunktionäre regelmäßig schwach - und werfen alle Bedenken über Bord. Die werden eher von anderer Stelle geäußert. Katar steht weltweit in der Kritik. Die Vorwürfe: Korruption, Menschenrechtsverletzungen und teilweise haarsträubende Arbeitsbedingungen in dem reichen Land. Dazu gesellen sich noch die schwierigen klimatischen Bedingungen. Die Fußball-WM 2022 wird aus diesem Grund nicht wie sonst im Sommer, sondern im Winter ausgespielt.
Olympia 2028 in Katar?
Hinter der Serie von Weltmeisterschaften steckt ein Plan. "Die Vision und das Ziel heißen, irgendwann Olympische Sommerspiele auszutragen", sagte Thani Al-Kuwari, Generalsekretär des Olympischen Komitees von Katar. Die Sportanlagen, die für die diversen Weltmeisterschaften gebaut wurden oder noch entstehen sollen, könnten für Olympia genutzt werden. "All diese Wettkampfstätten stehen zur Verfügung, speziell nach 2022 sind 99 Prozent der benötigten Arenen fertig." Mit seiner Kandidatur um die Sommerspiele 2020 war die Hauptstadt Doha gescheitert. Experten erwarten, dass Katar für 2028 erneut seinen Hut in den Ring werfen wird. Soviel steht fest: An mangelndem Geld wird das Vorhaben nicht scheitern. Und an den Bedenken von Sportfunktionären wahrscheinlich auch nicht.