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Ehud Olmerts Pläne für Nahost

Bettina Marx, Tel Aviv / (kap)26. März 2006

Israel steht mit der bevorstehenden Parlamentswahl vor einer Weichenstellung: Sollte der Ministerpräsident Ehud Olmert weiter regieren können, könnte dies dramatische Konsequenzen für die Grenzen in Nahost haben.

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Zieht er neue Grenzen im Nahen Osten? Ehud Olmert (m.) möchte weiter Israel regieren.Bild: picture-alliance/ dpa/dpaweb

Im Westjordanland wird gebaut. Überall entstehen neue Wohnungen und sogar neue Viertel. Auch zwischen Jerusalem und Ma'aleh Adumim sind seit März 2005 wieder die Bagger im Einsatz. Hier soll das neue Hauptquartier der Polizei errichtet werden. Es soll dafür sorgen, dass die Siedlung fest an die Hauptstadt Israels angebunden wird. Damit soll die so genannte territoriale Kontinuität zwischen Israel und den Siedlungsblocks im Westjordanland gewährleistet werden. Denn genau das ist der Plan von Israels amtierendem Ministerpräsidenten Ehud Olmert: Er will die zukünftigen Grenzen Israels festlegen. Dazu gehört, dass isoliert liegende kleine Siedlungen aufgegeben und die großen Siedlungsblocks im Westjordanland annektiert werden.

"Zweifellos ist der wichtigste und dramatischste Schritt, der vor uns steht, die Festlegung der permanenten Grenzen des Staates Israel, um eine jüdische Mehrheit im Staat sicherzustellen", sagte Olmert unlängst. "Um die nationale jüdische Heimstätte sicher zu stellen, können wir nicht länger über Gebiete herrschen, in denen eine palästinensische Bevölkerungsmehrheit lebt."

Erinnerung an Scharon

Bisher hatte sich kein israelischer Politiker, der eine Wahl gewinnen will, so weit aus dem Fenster gewagt. Selbst Ariel Scharon, der mit der überraschenden Räumung des Gazastreifens den Rückzugsprozess eingeleitet hatte, wollte von weiteren Gebietsaufgaben nichts wissen. Genüsslich ließ darum die Likud-Partei ihren ehemaligen Parteichef, den im Koma liegenden Ministerpräsidenten und Gründer der neuen Kadima-Partei, in einem Wahlspot im Fernsehen noch einmal zu Wort kommen. "Als Scharon Kadima gründete, da legte er sich fest: Es wird keinen weiteren Rückzug geben", heißt es in dem Spot. Und weiter: "Er sagte damals: Es gibt keinerlei Absicht, zu einem weiteren Rückzug aus den Gebieten. Aber Olmert hat andere Pläne. Er plant tatsächlich einen umfassenden einseitigen Rückzug aus dem Westjordanland. Tatsache ist: Das ist nicht der Weg von Scharon. Trotz des Wahlsiegs der Hamas will Olmert sich zurückziehen - im Gegensatz zu Scharon."

Olmert und die Linke planen für den Fall, dass sie die Parlamentswahl am Dienstag (28.3.2006) gewinnen sollten, den großen Rückzug aus den besetzten Gebieten. Eine gefährliche Nachgiebigkeit, die die radikale Palästinenserorganisation Hamas näher bringt, so die apokalyptische Warnung der Likud-Partei.

Rückzug auch ohne Absprache mit den Palästinensern

Zum Ende des Wahlkampf hat Olmert seine Pläne zur Grenzziehung konkretisiert. Die Grenzen sollten nach Absprache mit den USA und der internationalen Gemeinschaft festgelegt werden, sagte er am Sonntag (26.3.2006) bei der letzten Sitzung seines Kabinetts vor der Parlamentswahl am Dienstag. Die Meinung der Palästinenser werde in dieser Frage nicht unbedingt berücksichtigt, hatte der Interimsregierungschef zuvor im öffentlichen-rechtlichen Rundfunk gesagt.

Verbreitete Skepsis

Die Wähler lassen sich von den Rückzugsplänen offenbar nicht erschrecken. Rafi Ventura, Politologe und Wahlforscher, der an einem angesehenen Think Tank in Israel arbeitet, ist darüber nicht erstaunt. Die meisten Israelis glauben nicht, dass es möglich ist, mit den Palästinensern zu einer Friedensvereinbarung zu kommen, erklärt er. Gleichzeitig sehen sie die andauernde Besatzung und Besiedlung der palästinensischen Gebiete als zu große Belastung für die israelische Wirtschaft und Sicherheit an. Sie sind daher zu einem weitgehenden Rückzug bereit - zu israelischen Bedingungen. "Die Option, die Kadima vorschlägt und die mit Scharons Rückzug aus Gaza begann, gefällt den meisten Israelis", meint Ventura. "Denn sie bedeutet einerseits, dass wir den Palästinensern nicht nachgeben - wir selbst legen fest, was wir tun. Andererseits bleiben wir nicht in den besetzten Gebieten, da dies einen zu hohen Preis von uns verlangen würde."

Das Kalkül Olmerts scheint aufzugehen. Kurz vor der Wahl lag seine Partei in den Umfragen weit vorn.