Ein Abend für die Ewigkeit
14. Juni 2015"Buena, buena, buena", schreit Sergio, als Gibraltar nach vorne stürmt. Nichts hält ihn mehr auf seinem Sitz. Wieder einmal haben seine Helden den Ball in Richtung Roman Weidenfeller geschossen. Es ist schon der vierte Angriff auf das deutsche Tor - nicht schlecht, wenn man bedenkt, dass da Teilzeitprofis und Amateure gegen den Weltmeister spielen.
Aber bevor er sich wieder setzt, warnt Sergio. "Ihr werdet sehen, in der zweiten Hälfte werden sie Probleme mit ihrer Fitness bekommen", sagt er in perfektem Englisch mit unüberhörbarem spanischem Akzent. "Sie haben ein Konditionsproblem", fügt Sergios Freund Brian hinzu.
Ein langer Tag
Wo wir gerade bei der Kondition sind: Auch für Sergio und Brian ist es ein langer Tag. Um acht Uhr morgens haben sie sich in ihr Auto gesetzt, zusammen mit ihren Freunden Peter und Eric, um zu ihrem "Heimstadion" in Faro zu fahren. Alle vier sind sie waschechte Gibraltarer, dort geboren und aufgewachsen, und klar, alle vier sind Anhänger ihrer Nationalmanschaft.
Insgesamt sind rund 5000 Zuschauer aus Gibraltar nach Faro im Süden Portugals gekommen, um an diesem milden Abend bei diesem Heimspiel dabei zu sein. Zu Hause können sie nicht antreten, weil das Victoria Stadion in Gibraltar nicht den UEFA-Standards entspricht. Das ist lästig für die Fans, aber das merkt man ihnen nicht an, während sie ihr Team feiern. Egal, was sich auf dem Spielfeld tut - sie bleiben gut gelaunt. "Ich kenne jetzt nicht jeden hier persönlich, so ist das nicht", erzählt Sergio. "Aber vom Sehen her kenne schon viele."
Das Beste kommt noch
Leider bestätigt sich Sergios Vorhersage. In der zweiten Halbzeit ändern sich die Dinge zum Schlechten für Gibraltar. Drei Gegentore innerhalb kürzester Zeit nach der Pause, schon wird die Unterstützung von den Rängen leiser. Just, als der deutsche Fanblock auf der anderen Seite des Stadions aufwacht.
Aber Gibraltars Fans lassen sich nicht unterkriegen, feuern ihr Team weiter an. "C´mon Lee", "Auf geht´s Lee", muntert einer seinen Lieblingsspieler auf, indem er ihn beim Vornamen ruft. Das hört man nicht unbedingt regelmäßig beim einem EM-Qualifikationsspiel. Aber trotz der tollen Atmosphäre wissen die Gibraltarer, dass sie diesen Standard wohl nicht halten werden. "Wir haben gerade erst auf dieser Ebene begonnen", erklärt Sergio. "Es wird noch eine Weile dauern, bis unsere Spieler sich an die Stimmung und an das Niveau gewöhnen werden."
Tatsächlich sind alle unsere vier Gibraltar-Fans überzeugt, dass dieser Abend ein wichtiger Schritt in der Fußball-Geschichte ihres Landes war. Trotz der Niederlage. "Wir sind sehr klein, aber zusammen sind wir stark", sagt Sergio. "Wartet ab!"