Ein Bayer in Griechenland
14. August 2013Der junge Otto von Wittelsbach schien das große Los gezogen zu haben. Mit zarten 16 Jahren war er bereits ein König - allerdings nicht seiner Heimat Bayern, sondern des fernen Griechenlands. Im Dezember 1832 musste Otto der bayerischen Hauptstadt München ein trauriges Ade zurufen. Unter Tränen setzte er sich mit seinem gewaltigen Tross in Bewegung. Weit über 3000 Soldaten, Beamte und Gelehrte begleiteten den zukünftigen König Griechenlands.
"Spartas Söhne!"
Europa blickte keineswegs mit Neid auf das neueste Mitglied im Kreis der europäischen Könige. 1821 hatten sich die Griechen gegen die jahrhundertealte Herrschaft der Osmanen erhoben. Durch ganz Europa rollte eine Welle der Solidarität mit den Aufständischen. Die Griechenfreunde sahen in dem Land die Wiege der abendländischen Kultur - und diese sollte vom Joch der Osmanen befreit werden.
Ein besonders eifriger Griechenfreund - oder auch Philhellene - saß zu dieser Zeit auf Bayerns Thron: Ottos Vater Ludwig I. Der ansonsten knauserige König griff tief in seine Schatztruhe und sandte den Griechen Soldaten zur Unterstützung. Einer seiner Freunde dichtete voller Begeisterung: "Auf Hellenen, zu denen Waffen alle! Spartas Söhne, kämpft mit altem Mut!"
Griechische Freiheit
Doch waren es am Ende die Kanonen britischer, russischer und französischer Kriegsschiffe, die Griechenland 1827 die Freiheit im wahrsten Sinne des Wortes erschossen. Anschließend wandten die Griechen die Waffen schnell gegeneinander, es herrschten bürgerkriegsähnliche Zustände. Ein König sollte her und für Ruhe sorgen. Die Wahl fiel schließlich auf den jungen Otto aus Bayern, nachdem zwei andere Kandidaten dankend abgelehnt hatten.
Erst im Februar 1833 - drei Monate nach seiner Abreise aus Bayern - sichtete der junge Monarch von Bord eines britischen Kriegsschiffs sein neues Reich. Eine begeisterte Menschenmasse strömte zusammen, als Otto in der Hafenstadt Nauplia auf der griechischen Halbinsel Peloponnes an Land ging. Zu diesem Zeitpunkt konnte das Land indes kaum verbergen, dass der Glanz antiker Größe seit langem vergangen war.
Das deutsche Reinheitsgebot
Umso eifriger gingen die Bayern an die Arbeit. Der junge Otto war vom ersten Tag an begeistert von seinen Untertanen. In Windeseile erlernte er die Sprache. Als eine Art Geheimwaffe sandte ihm sein Vater zudem den gefürchteten Minister Joseph von Armansperg, der auch in Griechenland bald bewies, warum ihm seine bayerischen Landsleute den Spitznamen "Sparmansberg" verliehen hatten.
Justiz, Finanzen, Bildung und Militär - auf allen Gebieten modernisierten die bayerischen Beamten die griechische Gesellschaft. Die Hauptstadt erhielt schon 1837 eine Universität. Und ein bayerischer Architekt errichtete das Gebäude, in dem heute das griechische Parlament tagt. Auch eine sehr deutsche "Errungenschaft" führten die Bayern in Griechenland ein: Das deutsche Reinheitsgebot für Bier. Drei Brauereien stillten 1835 in Athen bereits den Durst der Deutschen - und bald fanden auch die Athener Gefallen am deutschen Bier. Weniger gefiel den Griechen jedoch, dass die Bayern stets bevorzugt und wesentlich besser bezahlt wurden als sie selbst.
Ein Land im Aufruhr
Otto gab sich redlich Mühe, sein Land aufzubauen. Doch herrschte in den Staatskassen stets gähnende Leere. In den Bergen trieben sich Banditen herum, die mit Ottos bayerischen Soldaten kurzen Prozess machten. Und zu allem Überfluss verweigerte der katholische Bayer seinen orthodoxen Untertanen eine Verfassung. Der deutsche Dichter Heinrich Heine spottete angesichts von Ottos Problemen: "Wie Otto, das Kind, sein Söhnchen; Der kriegte den Durchfall zu Athen; Und hat dort besudelt sein Thrönchen."
1864 erschütterte ein großer Aufstand Ottos Herrschaft. In letzter Sekunde konnte der Monarch entkommen. Daheim in Bayern fand der erste König Griechenlands sein Exil. Ganz in griechischer Tracht gekleidet hielt er dort Hof - ab dem frühen Abend durfte nur griechisch gesprochen werden. 1867 starb Otto schließlich in tiefer Traurigkeit. "Mein Griechenland, mein liebes Griechenland", sollen seine letzten Worte gewesen sein. So unbeliebt die bayerische Herrschaft bei den Griechen aber auch gewesen sein mag: Ein deutsches Gesetz gilt dort bis heute: Noch immer wird das griechische Bier nach deutschem Reinheitsgebot gebraut.