Ein Briefträger aus Athen
10. Februar 2015Sie haben beide im hessischen Gießen gewohnt, in derselben Straße auch noch, wenn auch nicht zeitgleich. Auch sonst hat man das Gefühl, dass der griechische Außenminister Nikos Kotzias und Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier einen Draht zueinander haben. Menschlich gesehen. Kotzias Frau stammt aus Deutschland, seine Tochter ist hier geboren. "Das haben die Journalisten noch nicht entdeckt, die haben nur meine Frau entdeckt", sagt der Grieche scherzend in fließendem Deutsch und Steinmeier lächelt.
Doch die vordergründig gute Stimmung kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass politisch Welten zwischen den beiden Außenministern liegen. Der Grieche beschreibt Probleme, erklärt, was nicht mehr sein darf und soll und er setzt auf Mitgefühl. Der Deutsche hingegen fordert Lösungen, drängt auf Verlässlichkeit und die Einhaltung der von den Vorgänger-Regierungen eingegangenen Verpflichtungen. Das kann nicht gut gehen. Irgendwie argumentieren die beiden aneinander vorbei. Das verwirrt und Steinmeier spricht von "vielen offenen Fragen" und davon, dass "manche Fragen neue Fragen ausgelöst" hätten.
Neue Verhandlungen in Brüssel
Deutschland will aber endlich Klarheit, wohin die griechische Regierung steuern will. Und zwar schnell. "Wir erwarten mit allergrößtem Interesse, welche konsolidierten Vorstellungen die griechische Regierung in den nächsten Tagen entwickeln wird", so Steinmeier. Vor allem geht es um die Frage, ob es zur Verlängerung des Konsolidierungsprogramms kommen wird oder nicht. Am Mittwoch soll darüber in Brüssel verhandelt werden.
Doch wer Kotzias genau zuhört, kann nicht davon ausgehen, dass es eine schnelle Einigung zwischen Griechenland und der EU geben wird. Die neue Regierung sei der Meinung, dass die Politik der letzten fünf Jahre "nur Misserfolge gebracht" habe. Es gebe massive soziale Probleme. Hunderttausende würden ohne Heizung und Strom leben, die Selbstmordrate sei hoch, dazu kämen 1,5 Millionen Arbeitslose. Allein bei den Jugendlichen liege die Arbeitslosenquote bei rund 60 Prozent.
Teure Kehrtwende
"Was wir jetzt verlangen, fordern oder bitten - nehmen Sie das Verb, das ihnen gefällt - ist Verständnis", sagt er. "Wir können diese Politik, die uns aufgezwungen wurde, nicht weitertreiben. Unsere Gesellschaft ist im Zusammenbruch, unsere Produktionsbasis existiert bald gar nicht mehr und ohne wirtschaftliche Entwicklung kann man auch keine Schulden zurückzahlen." Es sei egal, was die Lehrbücher über politische Ökonomie sagen würden. Nötig sei eine Politik, die Wachstum ins Land bringe und die das Volk inspiriere, mitzumachen. "Und nicht apathisch zu gucken, wie das Land zusammenbricht."
Frank-Walter Steinmeier hört zu, seine Miene verrät nicht, was er in diesem Moment denkt. Es gehe bei dem Gespräch nicht darum, "mit schärfsten Worten die Positionen zu kennzeichnen", hat er zuvor gesagt, "sondern herauszufinden, wo die Vorstellungen der jeweils anderen Seite liegen, auch im wirtschafts- und finanzpolitischen Bereich". Ideen hat Kotzias. "Wir brauchen Reformen", sagt er. Aber er meint andere Reformen als die, die seine Vorgänger unterschrieben haben. "Nicht Reformen, die gegen die Interessen der großen Mehrheit der griechischen Bevölkerung durchgesetzt werden, sondern Reformen gegen Steuerflucht, Reformen gegen eine Oligarchie, die gelernt hat, staatliches Einkommen und Eigentum zu rauben."
Deutschland soll zahlen
Und dann gibt es da noch die Idee, dass Deutschland Reparationszahlungen für die Verbrechen während des Zweiten Weltkriegs leisten und eine damals gewährte Kriegsanleihe zurückzahlen soll. Kürzlich wurde darüber in Griechenland im Parlament diskutiert. "Ich kenne die Haltung der deutschen Regierung, aber ich habe Beschlüsse des griechischen Parlaments, und ich bin eine Art Briefträger", sagt Kotzias. "Ich trage in meiner Tasche den Teil der Rede von unserem Ministerpräsident, der das Thema angesprochen hat."
Steinmeier entgegnet, die Deutschen wüssten um die politische und die moralische Verantwortung für die schrecklichen Ereignisse zwischen 1941 und 1944 in Griechenland. Das ändere aber nichts an der deutschen Haltung. "Wir sind nach wie vor und fest der Meinung, dass alle Reparationsfragen einschließlich von Zwangsanleihen rechtlich abgeschlossen geregelt sind."
Was er von Äußerungen des griechischen Verteidigungsminister Panos Kammenos halte, Griechenland könne auch bei Russland, China oder den USA Hilfe suchen, sollte sich Europa einer weiteren Unterstützung verweigern, wird Kotzias von Journalisten gefragt. "Mein Favorit ist Europa und ich hoffe, dass Europa versteht, dass es unser Lieblings-Favorit ist", sagt der griechische Außenminister. Kammenos habe "laut gedacht, ein Gedankenspiel ausgesprochen". Er verhandle und diskutiere mit der EU und mit Deutschland, sagt Kotzias, schiebt dann aber noch einen Satz nach: "Aber natürlich werden wir allen Seiten zuhören, die mit uns solidarisch sein wollen."