Kampf gegen Cyber-Kriminalität
11. Januar 2013Wer kennt sie nicht, die dubiosen E-Mails, in denen wir zur Herausgabe unserer Bankkontendaten aufgefordert werden, damit wir als Gewinner eines Spiels angeblich eine Million Euro bekommen? EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström (im Bild) warnt: "Internet-Kriminalität dringt in unsere Computer, unsere Bankkonten und Finanztransaktionen ein. Internet-Verbrecher werden immer besser bei Kreditkartenbetrug oder Identitätsdiebstahl. Sie greifen unsere Online-Banking-Benutzernamen und -Passwörter ab, hacken unsere Smartphones und die Profile der Sozialen Netzwerke."
Täglich würden nicht weniger als eine Million Menschen Opfer von Internet-Straftaten, der jährliche Schaden belaufe sich auf 300 Milliarden Euro. Auf dem Schwarzmarkt würden Kreditkartendaten für nur einen Euro pro Satz gehandelt. Auch der Online-Handel, glaubt die Schwedin, bleibe durch die Unsicherheit der Verbraucher angesichts der Gefahren weit unter seinen Möglichkeiten. Malmström beklagt daher, dass viele dieser Verbrechen ungesühnt blieben. "Nur sehr wenige werden überhaupt gemeldet, sehr wenige aufgedeckt. Denn das Risiko, geschnappt zu werden, ist gering, der Profit dagegen ist hoch."
Nationale Polizeiarbeit unzureichend
Bei einem so immensen Schaden versucht natürlich jeder einzelne EU-Staat, etwas gegen Cyber-Kriminalität zu tun. Doch mit sehr unterschiedlichem Einsatz und Erfolg, meint die Kommissarin. Und jeder Staat stoße schon deshalb an seine Grenzen, weil das Netz buchstäblich grenzenlos ist. Der Kampf gegen Internet-Verbrechen müsse daher gesamteuropäisch geführt werden.
Deshalb gibt es jetzt das Europäische Zentrum gegen Internet-Kriminalität. Es ist Teil der europäischen Polizeibehörde Europol mit Sitz in Den Haag und wird auch aus dem Europol-Budget bezahlt. Zunächst rund 35, später mehr als 40 Mitarbeiter werden versuchen, Trends organisierter Internet-Kriminalität, ihre Netze und Haupttäter aufzuspüren. Hackerangriffe auf wichtige EU-Infrastrukturen und -Informationssysteme wolle man abwehren und die Verbreitung von Kinderpornographie im Internet bekämpfen. Sie werden außerdem Fahnder und Staatsanwälte aus den Mitgliedsstaaten ausbilden und die Öffentlichkeit vor neuen Betrugsmaschen warnen.
Zusammenarbeit mit Russland wäre wichtig
Der neue Leiter, der Däne Troels Oerting, gibt sich jedoch bescheiden. Er will nicht den Polizeibehörden in den Ländern Konkurrenz machen. Bei wenigen Dutzend Mitarbeitern und einem schmalen Budget werde man "natürlich nicht die ganze Arbeit machen". Das Zentrum versteht sich als "Plattform für die Justizvollzugsbehörden der 27 EU-Mitgliedsstaaten". Aber auch andere interessierte Staaten, mit denen die EU auf dem Gebiet schon jetzt kooperiert, wie die USA, Kanada und Australien, können von der Arbeit des Zentrums profitieren. In dem Zusammenhang bedauert Malmström, dass sich bisher Russland noch nicht an der Zusammenarbeit beteiligt. Russland gilt als eines der weltweiten Zentren, von dem Internet-Kriminalität ausgeht.
Zentrumsleiter Oerting weiß zwar um die verbreitete Skepsis bei der Polizei gegen internationalen Informationsaustausch. Es gebe eine "Tradition, eine Kultur, Informationen nicht zu teilen." Doch nachdem er die nationalen Zentren gegen Cyber-Kriminalität der Mitgliedsstaaten besucht habe, beobachte er einen deutlichen Wandel: Es habe sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass die EU eine zentrale Drehscheibe und Sammelstelle brauche. Und das spare den Staaten letztlich auch Geld. In Zeiten knapper Kassen vielleicht ein besonders schlagendes Argument.