Ein "fantastischer Schritt vorwärts" für Homosexuelle
27. Juni 2013Noch bevor das Urteil des Supreme Court bekannt wurde, stimmten die mehr als 1000 Sympathisanten vor dem Gerichtsgebäude in Washington Amerikas inoffizielle Hymne an: "America the Beautiful". Und als in der ersten Strophe von Brüderlichkeit die Rede war, wurde es besonders laut.
Jubel bei Schwulen und Lesben
Doch das war nichts gegen den Jubel, der aufbrandete, als unter den Menschen die Nachricht die Runde machte, dass die neun Richter des obersten Verfassungsgerichts wichtige Bestandteile jenes umstrittenen Bundesgesetzes gekippt hatten, das "Gesetz zur Verteidigung der Ehe" heißt, auf Englisch "Denfence of Marriage Act". 1996 wurde es vom damaligen Präsidenten Clinton unterzeichnet. Es gewährt nur traditionellen Ehen von Mann und Frau staatliche Wohltaten und besonderen rechtlichen Schutz und schließt lesbische und schwule Paare davon aus.
Dieses Gesetz verstößt gegen das Gleichheitsgebot der Verfassung, begründeten die Richter ihre Entscheidung. Bis zu 1000 gesetzliche Regelungen müssen nun geändert werden, um fortan gleichgeschlechtliche Paare auch wirklich gleich zu behandeln. Von steuerlichen Fragen über Adoptionen bis zu Besuchsregelungen im Krankheitsfall wird das ganz praktische Auswirkungen haben. Gleichzeitig ließ das Gericht in einem zweiten Verfahren für Kalifornien wieder die gleichgeschlechtliche Ehe zu. Das betreffende Gesetz war im Jahre 2008 nach einem Bürgerbegehren in dem Staat, der Proposition 8, außer Kraft gesetzt worden - zu Unrecht, wie die Richter jetzt befanden.
"Sieg für das Gleichheitsgebot der Verfassung"
Viele in den USA feiern die Entscheidungen des Supreme Court als einen großen Erfolg für Lesben und Schwule. Der Rechtsexperte David Gans vom Washingtoner Constitutional Accountability Center spricht von einem "Sieg für das Gleichheitsgebot der Verfassung, das alle Menschen vor Diskriminierung schützt." Das Gericht betone, so Gans gegenüber der Deutschen Welle, in bisher unbekannter Deutlichkeit das Verfassungsgebot von Freiheit und Gleichheit. Es garantiere die gleiche Würde für alle Menschen, auch für Schwule und Lesben. "Das ist ein unglaublich wichtiges Bekenntnis zu den Prinzipen der Verfassung und wie sie angewandt werden bei Gesetzen, die heiratswillige Schwule und Lesben bisher diskriminieren."
Gratulation von Obama
Auch US-Präsident Barack Obama begrüßte das Urteil: Der Supreme Court habe das Falsche ins Richtige verwandelt "und unser Land ist dadurch besser geworden". Zuvor hatte Obama den erfolgreichen Klägern am Telefon persönlich gratuliert.
Nur wenige Gegner der gleichgeschlechtlichen Ehe zeigten sich auf dem Platz vor dem Verfassungsgericht. Robert Schenk, Präsident der Organisation "Glaube und Aktion" betonte, die Bibel erlaube die Ehe nur zwischen Mann und Frau: "Die biblische Wahrheit kann nicht durch einen Richterspruch geändert werden."
Ganz anders äußerten sich die unmittelbar Betroffenen, die vor dem Supreme Court ausgeharrt hatten. Sie sprachen von einem "großen Tag" und von einem "fantastischen Schritt vorwärts". Zwei Frauen sagten, sie seien seit einem Monat verheiratet und freuten sich, vom Staat nun endlich voll anerkannt zu werden: "Das ist fabelhaft für uns."
Auch kritische Stimmen werden laut
In die Freude mischten sich allerdings auch kritische Stimmen: "Später einmal wird es aussehen wie eine Gerichtsentscheidung, auf die wir zu lange gewartet haben", meint ein junger Mann. Im allgemeinen Jubel, der sich in den populären Nachrichtenkanälen in schönen bunten Bildern darstellt, tritt in den Hintergrund, dass die Richter den ganz großen Wurf nicht gewagt haben. Eine landesweite Regelung ist auch nach dem Urteilsspruch nicht in Sicht.
Weiterhin ist die gleichgeschlechtliche Ehe nur in zwölf Bundesstaaten und in der Hauptstadt Washington gesetzlich geregelt. Die rechtliche Unsicherheit für schwule und lesbische Ehepaare ist durch den Urteilsspruch abgemildert, aber nicht ausgeräumt.
Unter den vielen Hollywoodstars, die nach dem Richterspruch ihre Solidaritätsdressen via Internet bekannt machten, waren es Angelina Jolie und Brad Pitt, die daran erinnerten. Sie versprachen feierlich, erst heiraten zu wollen, wenn auch alle anderen Amerikaner das Recht hätten, die Ehe zu schließen.