Ein hehres Ziel: Ernährung für alle sichern
19. Januar 2014Es ist eine rasante Entwicklung. Im Jahr 1800 lebten auf der Erde rund eine Milliarde Menschen. Heute sind es schon mehr als sieben Milliarden - und bis zum Jahr 2050 sollen es sogar neun Milliarden Menschen werden. Sie alle müssen ernährt werden und stellen die Politik damit vor eine enorme Herausforderung. Weltweit leiden 850 Millionen Menschen Hunger, zwei Milliarden Menschen sind von Mangelernährung betroffen. "Ich denke, dass die Frage des Menschenrechts auf Nahrung die globale Herausforderung dieses Jahrhunderts ist", sagte Bundeslandwirtschaftsminister Hans-Peter Friedrich beim Gipfel der Agrarministeraus 69 Staaten.
Experten gehen davon aus, dass die globale Nahrungsmittelproduktion um siebzig Prozent steigen muss, um auch angesichts sich wandelnder Ernährungsgewohnheiten auszureichen. Das sei allerdings eine einseitige Betrachtung, kritisiert Achim Steiner, Exekutivdirektor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, UNEP. "Was nicht oder nicht ausreichend diskutiert wird, ist, dass wir uns diese Art von Expansion oder Produktion nicht mehr leisten können. Zumindest nicht mit den Voraussetzungen, also den Agrarsystemen, mit denen wir heute agieren."
Das Ziel: mit weniger Mitteln mehr produzieren
Schon heute verbraucht die Landwirtschaft weltweit zwei Drittel des Wassers. "Wir haben in den vergangenen 100 Jahren im Namen der Entwicklung 50 Prozent aller Feuchtgebiete, Moore und Auen ausgetrocknet. Wenn man den Klimawandel und die Zerstörung der tropischen Wälder anschaut, dann ist die horizontale Steigerung der Landwirtschaft in der Form auch nicht weiter möglich", so Steiner.
Die Frage müsse also vielmehr heißen, wie man es dem Landwirt von morgen ermöglichen könne, dass er nicht das natürliche Kapital der Landwirtschaft, also Böden, Fruchtbarkeit, Wasserressourcen in dem Maße zerstört, dass die Zukunft der Landwirtschaft und der Produktion selber in Frage gestellt wird. Damit fordert der UN-Umweltexperte nicht mehr und nicht weniger als eine Revolution in der Landwirtschaft. Doch die lässt auf sich warten, denn über den Weg dorthin sind alle maßgeblichen Akteure heillos zerstritten.
Mehr Dünger? Oder mehr Kooperation?
Das liege vor allem an den höchst unterschiedlichen Konzepten, sagt Bernhard Walter vom kirchlichen Entwicklungsdienst Brot für die Welt. Auf der einen Seite stehe das Modell der Industrie: "Die sagt, wir müssen mit hoher Intensivierung, mit viel Düngemitteln, mit viel Pestiziden, vielleicht auch mit Gentechnik die Produktion steigern. Die andern, darunter sind auch Kirchen, Nicht-Regierungsorganisationen und die Zivilgesellschaft, sagen, wir müssen das Potenzial der Bauern im Süden verbessern oder ihr Wissen anzapfen, damit sie ihre Produktion verbessern können."
Dazu kommen die verschiedenen politischen Interessen einzelner Regierungen, der Welthandelsorganisation WTO oder der Europäischen Union. Es ist ein Richtungsstreit, der auch auf der Grünen Woche in Berlin tobt. Seit 2008 wird während der Landwirtschaftsmesse alljährlich ein Internationales Wirtschafts- und Ernährungsforum und ein Agrarministergipfel ausgerichtet.
An der Gentechnik scheiden sich die Geister
Aus 69 Ländern waren die Politiker an diesem Wochenende angereist. Unter ihnen auch Robert Sichinga, Landwirtschaftsminister von Sambia.
Ein Drittel des Landes sind Agrarflächen, den größten Stellenwert hat der Maisanbau. "Wir wollen unsere Nahrungsmittelversorgung auf keinen Fall von anderen Ländern abhängig machen", betont Sichinga. "Die Weltbank und der Internationale Währungsfonds sagen uns, dass wir keinen Mais mehr anbauen, sondern gentechnisch veränderten Mais aus Südamerika importieren sollen. Das ist für uns ein blöder Vorschlag, den wir auf keinen Fall akzeptieren werden."
Sambia setzt auf die Förderung der Kleinbauern, die traditionelle Maissorten anpflanzen. Die Regierung unterstützt den Kauf von Saatgut und Düngemitteln mit erheblichen Subventionen. Zudem kauft sie den Mais auf und sichert so eine gewisse Preisstabilität. Kritiker bemängeln, Sambia bleibe weit hinter seinem landwirtschaftlichen Potenzial zurück und könne mit entsprechender Technologie viel mehr erreichen. Minister Sichinga lässt sich davon nicht beirren. "Wir wollen keine Gentechnik in Sambia, weil wir nicht wissen, welche Folgen sie für die menschliche Gesundheit hat. Ich möchte mir auch als Afrikaner nicht von anderen sagen lassen müssen, dass ihr Weg der einzig richtige ist."
Afrikanische Länder wie Ghana, Nigeria, Tansania, Kenia, Uganda und Burkina Faso gehen den anderen Weg. Dort werden bereits gentechnisch veränderter Mais, aber auch Baumwolle, Zuckerrohr und Bananen angebaut. Philip von dem Bussche, Vorstandssprecher der KWS Saat AG, findet das natürlich richtig. Fortschritte würden vor allem über neue Züchtungen erzielt. "Dabei versuchen wir zusätzlich, die Pflanzen gesünder zu machen, sie vor dem Klimawandel und gegen Krankheiten zu schützen und die Qualität zu verbessern", so von dem Bussche. Es gehe aber auch darum, den Bauern zum Unternehmer zu machen.
"Wir bewegen uns nicht schnell genug"
Ein Ende der ideologischen Grabenkämpfe ist nicht abzusehen. Fortschritte bleiben dabei auf der Strecke. "Wir bewegen uns nicht schnell genug", kritisiert denn auch UN-Umweltexperte Achim Steiner. Eine Kritik, die sicherlich auch für den Agrarministergipfel gilt. Viel Neues tauchte in der englischsprachigen Abschlusserklärungjedenfalls nicht auf. Die Landwirtschaft müsse angesichts von Klimawandel und begrenzten Ressourcen widerstandsfähiger gemacht werden, heißt es. Dies werde nur durch eine vielfältige, nachhaltige und produktive Landwirtschaft erreicht.
So soll die Nutzpflanzen-Forschung intensiviert werden. Familienbetriebe sollen gefördert, dezentrale Lösungen anerkannt und Eigentum soll respektiert werden. Wichtig, so betont Bundeslandwirtschaftsminister Friedrich, sei vor allem aber, dass alle mehr miteinander reden. Deutschland werde sich für ein Mehr an Kommunikation einsetzen.