Ein Hotel mit Anspruch
22. Dezember 2015An der Rezeption, beim Reinigungspersonal, in der Küche und der Haustechnik, das Personal im "magdasHotel" besteht zur Mehrheit aus Flüchtlingen, die in Österreich einen Asylantrag gestellt haben. Sie kommen aus 14 verschiedenen Ländern und haben meist eine gefährliche Reise auf sich genommen, um Krieg oder Verfolgung in ihrer Heimat zu entkommen.
Die Caritas Wien, eine katholische Wohlfahrtsorganisation, investierte 1,5 Millionen Euro in das Hotelprojekt, um Flüchtlingen eine Chance zu geben, sich eine neue Existenz aufzubauen.
Willkommen, Bienvenue, Welcome
"magdasHotel" prangt in Neonschrift über dem Eingang. Und ein Plakat hängt gleich daneben an dem mehrstöckigen Zweckbau direkt neben dem Wiener Prater: "Hier werden Vorurteile abgebaut". An der Rezeption begrüßt der 29-jährige Dinis die Gäste: ein junger Schwarzafrikaner. Er stammt aus Guinea-Bissau. Seine Heimat hat er vor zwölf Jahren verlassen, erzählt Dinis. Als blinder Passagier auf einem Containerschiff.
"Dann sind wir in das Schiff einfach illegal eingedrungen und haben uns dort versteckt, bis wir nichts mehr zu essen und zu trinken hatten. Dann habe ich mich bei der Schiffscrew vorgestellt, die haben uns unterstützt, wir sind bis nach Italien gekommen. Von Italien bin ich nach Wien im Oktober 2003 mit dem Zug gekommen."
In der Tasche hatte Dinis damals 700 Euro. Das Zugticket schenkte ihm die Schiffsbesatzung. In Wien zunächst orientierungslos, begann er eine Ausbildung zum Hotelkaufmann, durfte aber nicht arbeiten, zehn lange Jahre. Während ein Asylverfahren läuft, ist in Österreich der Zugang zum Arbeitsmarkt nur sehr begrenzt möglich. Ein Skandal, findet Caritas-Wien-Generalsekretär Klaus Schwertner: "Es gibt in Österreich ein De-facto-Arbeitsverbot für Asylbewerber. Es gibt einige wenige Ausnahmen, diese Menschen dürfen als Erntehelfer arbeiten, in der Saisonarbeit; was besonders zynisch ist, sie dürfen in der Prostitution arbeiten, als neue Selbstständigkeit oder als Zeitungsverkäufer. De facto gibt es sonst keine Möglichkeit, legal in Österreich zu arbeiten."
Angekommen im Job
Hand in Hand mit fünf Hotelprofis arbeiten nun 20 Flüchtlinge mit einem geklärten Aufenthaltsstatus unter dem Dach vom "magdasHotel". Ihre Porträts schmücken den Eingangsbereich. Dort sind auch Koffer aufgestapelt: Symbol für das Reisen, von Gästen und Angestellten.
Das Team wurde in anderen Wiener Hotels praktisch geschult und half mit bei der Renovierung seines zukünftigen Arbeitsplatzes. Das "magdasHotel" entstand in einem früheren Seniorenwohnheim am Wiener Prater. Rund 80 Zimmer wurden im aktuellen Upcycling-Stil eingerichtet. Es gibt eine Bibliothek, free WIFI, Wäscheservice, Fahrradverleih und Yoga.
Ein neuer Gast kommt. Architekt Klaus Feistl, ein vollbärtiger Österreicher, schiebt seinen Rollkoffer vor Dinis Rezeptionsschalter. "Es ist sehr schön, die Lage ist gut und wunderbar am Prater. Es ist gut zu wissen, dass hier mit gebrauchten Möbeln und mit sehr kleinem Budget gearbeitet wurde. Was man hier sieht, ist schon sehr charmant, finde ich."
Da ist der einfache, etwas abgewetzte Holzstuhl, da ist das fleischfarbene Plüschsofa mit Troddeln auf dem Gang, da sind die gehäkelten Lampenschirme auf Drahtgestellen, gefertigt von einer Gruppe Ehrenamtlicher. Die Möbel stammen aus dem Recycling oder sind Spenden aus ganz Österreich.
Weltoffen und gastfreundlich
Im lichtdurchfluteten Café liegen Apfelstrudel in der Kuchentheke. In einer Ecke stehen Sofas, in einem Bücherregal gespendete Bücher. Gemütlich ist es. Über Crowdfunding kamen zum Caritas-Kredit noch fast 60.000 Euro als Anschubfinanzierung hinzu. In der Zukunft soll sich das Projekt selbst tragen und Nachahmer finden, hofft der Caritas-Wien-Generalsekretär. "In fünf Jahren glaube ich, dass das "magdasHotel" in ganz Europa bekannt sein wird, dass es in anderen europäischen Städten ähnliche Projekte geben wird, das wird dazu beitragen, diese anderen Städte auch ein Stück weltoffener zu machen."
Im Wiener "magdasHotel" ist das längst Alltag. Und Verständigungsprobleme zwischen Gästen und Hotelpersonal tauchen kaum auf, denn hier spricht man 23 Sprachen. Seit der Eröffnung im Februar 2015 konnten zahlreiche internationale Gäste begrüßt werden, sei es aus Europa, dem mittleren Osten oder sogar aus Südafrika. Mit dem ersten Geschäftsjahr ist der Hotelmanager Sebastiaan de Vos durchaus zufrieden. Für das nachhaltige Einrichtungskonzept des Hotels gab es im September den österreichischen Staatspreis für Design. "Mit dem Upcycling-Motto hat sich für uns sogar eine weitere Geschäftsfeldidee eröffnet. Wir planen eine Werkstatt, wo Flüchtlinge Möbel für den Verkauf aufarbeiten können. Aus Alt wird Neu." Die Erfahrungen aus dem Hotelprojekt seien dabei sehr hilfreich, sagt Sebastiaan de Vos und nennt die Motivation des Teams als entscheidend für den Erfolg. "Bei uns spürt jeder, ob Gast oder Personal, dass die Gastfreundschaft im "magdasHotel" vom Herzen kommt."