Kirchenmann hofft auf Frieden in Syrien
8. Juli 2016So unmittelbar bekommt der deutsche Bundespräsident selten eine Schilderung über die aktuelle Lage der Christen in Syrien und im Irak. "Sie erfüllt mich mit großer Sorge", erklärte Joachim Gauck nach dem Gespräch. Der Patriarch der Syrisch-Orthodoxen Kirche, Ignatius Ephräm II., hält sich für zehn Tage in Deutschland auf.
Dass Gauck ihn und seine Begleiter in Schloss Bellevue empfing, war ein Höhepunkt dieses Aufenthalts. "Danke dem deutschen Volk für seine Großzügigkeit und seine Hilfe", sagt der 50-Jährige der Deutschen Welle. Wir hoffen auf weitere Unterstützung auf unserem Weg zurück zum Frieden in Syrien und im Irak.“
"Gefährlich für alle"
Nur knapp ist das Oberhaupt der syrisch-orthodoxen Kirche Mitte Juni einem Anschlag entkommen. Ein Selbstmordattentäter wollte ihn töten, in Kamischli, seinem Geburtsort im Nordosten Syriens. Mehrere Sicherheitsleute einer christlichen Miliz starben, als sie den Terroristen stoppten. Nun weilt er als Zeuge des Leids der Christen unter dem Terror des IS in Deutschland. Und wehrt den Eindruck ab, dass er gefährdeter sei als andere. Auch andere Minderheiten stünden unter Druck. "Es ist für alle gefährlich, nicht nur für die Christen."
Und doch spricht er davon, dass die Christen in doppelter Hinsicht zum Ziel der Gewalt würden. Da seien zum einen jene extremistischen islamistischen Gruppen, die vorgäben, im Namen des Islam zu kämpfen. Und zum anderen attackierten auch jene Kräfte christliche Syrer, die diese als regime-treu ansähen und sich vom Assad-Regime befreien wollten. "Dabei sind wir nicht für oder gegen jemanden", sagt Ignatius Ephräm. "Wir setzen uns für Frieden und ein Miteinander in unserer Heimat Syrien ein."
Zuflucht in Deutschland
Gauck sagte nach dem Gespräch, in Syrien und dem Irak sei "das Christentum seit seiner Frühzeit zu Hause", sei das Leben von Christen "durch Krieg und islamistischen Terror existentiell bedroht". Sie würden Opfer des islamistischen Terrors "wie Jesiden, Schiiten und Sunniten, die nicht die radikalen Ansichten islamistischer Terroristen vertreten". Deshalb brauche es dringend eine politische Lösung für den Konflikt in Syrien und eine Befriedung des Nahen Ostens.
Gauck zeigte sich dankbar gegenüber all jenen, die sich dafür einsetzten, "dass viele Verfolgte eine sichere Zuflucht in Deutschland finden können". Freilich - auch das brachte der Patriarch zur Sprache: Aus deutschen Flüchtlingsquartieren kennt er, wie auch aus Heimen in Schweden, mehrere Schilderungen über Schikanen und Übergriffe auf Christen, die vor der islamistischen Gewalt im Nahen Osten geflohen waren.
Und doch betont der Patriarch den Dank für das deutsche Engagement. Wie wenige andere Länder setze die deutsche Unterstützung darauf, auch direkt über die Kirchen in Syrien die notleidende Bevölkerung zu erreichen. Das helfe seinen Gemeinden. Nachdem er beim Bundespräsidenten war, zogen einige seiner Begleiter weiter zum Auswärtigen Amt und ins Entwicklungsministerium. Denn Ignatius Ephräm schaut schon voraus. Und hofft auf Hilfe, wenn es nach einer Beruhigung der Lage um die Wiederansiedlung jener gehe, die vor Krieg und Gewalt geflohen seien.
"Viele Kämpfer sind Ausländer"
Er hofft, weil er die mörderische Gewalt des Islamischen Staates nicht primär als syrischen Terror sieht. Zum Teil seien es junge Leute, die im Untergrund unter wahhabitischem Einfluss in Moscheen und Koranschulen verführt worden seien. "Aber viele Kämpfer sind Ausländer."
Ob er selbst mit der Rückkehr vieler Flüchtlinge rechnet? "Es ist unsere Heimat seit den Anfängen des Christentums. Wir sind Syrer, wir sind die Ureinwohner dieser Region - aber Rückkehr? Ich habe wenig Hoffnung, dass die Geflüchteten heimkehren. Ich wünschte es mir, aber es wird schwierig.“ Da spricht ein weltgewandter Kirchenmann, der selbst 15 Jahre als Metropolit in den USA tätig war und Politik kennt. Seit seiner Wahl zum Patriarchen einer Kirche, die sich stolz als eine der Urkirchen sieht, besucht er von Beirut aus die Migranten-Gemeinden, aber er reist eben auch zum Papst oder zu Putin, nach Brüssel oder Berlin.
"Es bleibt doch unsere Heimat"
Berlin, wo er den Präsidenten trifft, aber auch die lokalen syrisch-orthodoxen Christen. 100.000 Gläubige leben in Deutschland. Allein in der Hauptstadt gibt es vier Pfarrgemeinden. Sie waren vor der Flüchtlingswelle aus Nahost etabliert und sie kümmern sich auch um Flüchtlingsfamilien. Halb Deutschland saß am Donnerstagabend vor dem Fernseher und fieberte mit der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Ignatius Ephräm sprach mit Gläubigen in Berlin-Charlottenburg. Am vergangenen Wochenende weihte er in Wiesbaden eine neue Kirche ein, von Berlin ging es nach Gütersloh, dann nach Warburg. Am Sonntag folgt Gießen, wo die aramäischen Gläubigen sich seit 2001 über zehn Jahre lang ihr eigenes Gotteshaus bauten.
Ignatius Ephräm ist 50, er sieht älter aus. Auch wenn er junge Augen hat und lebendig erzählen kann. Man ahnt im Gespräch, was ihn umtreibt. Da erzählt er von den beiden Erzbischöfen, die im April 2013 nahe Aleppo entführt wurden. Eine Zeit lang hätten sie noch über geheime Kanäle Informationen gegeben, dass sie lebten. Nun seit zwei Jahren nicht mehr…. "Es bleibt doch unsere Heimat", sagt Ignatius Ephräm.