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29. September 2006Indien zählt zu den führenden Industrienationen der Welt und wächst im Eiltempo. In naher Zukunft werden mehr als eine Million Computerfachleute in Indien gebraucht. Eigentlich kein Problem für ein Land, in dem rund eine Milliarde Menschen leben und die Hälfte davon unter 25 ist. Doch das indische Bildungssystem hinkt den Bedürfnissen der globalisierten Welt hinterher.
Neben Massen von Analphabeten gibt es viele schlecht bis mangelhaft ausgebildete junge Leute und nur eine Handvoll Absolventen international anerkannter Hochschulen. „Unser Problem ist, dass in Indien viele junge Leute leben, die keine Chance haben zu studieren“, so Professor B. Bhattacharya, Vizerektor der Jahawahrlal Nehru Universität in Neu Delhi. „ Es gibt nur etwa 300 Universitäten für mehr als eine Milliarde Inder, das ist nicht besonders viel. Außerdem haben die meisten Unis viel zu wenig Geld. Also ist das Bildungsniveau dort nicht immer hoch. Nur unsere 50 Top-Hochschulen bieten wirklich internationalen Standard.“
Studieren? Ja gerne! – Aber wo?
Der Andrang auf die Spitzen-Unis ist groß, vor allem auf eine der sieben indischen Unis für technische Studiengänge. Doch von den 200.000 Bewerbern werden jedes Jahr nur 4000 aufgenommen. Der Student Karan Mishra klagt: „Es ist schwieriger einen Studienplatz an einer indischen Spitzenuniversität zu bekommen als in Stanford. Weil die indischen Unis so eine harte Aufnahmeprüfung haben.“
Immer mehr junge Inder gehen darum ins Ausland – wenn sie die hohen Studiengebühren zahlen können. Auf den neuen finanziellen Bedarf haben selbst die Banken schon reagiert und bieten neuerdings besondere Studien-Kredite an. Die meisten jungen Leute müssen jedoch ohne Finanzspritzen mit den Möglichkeiten vor Ort zurechtkommen. Studenten vom Land haben es dabei noch schwerer als die Großstädter. Für sie ist oft ein Fernstudium die einzige Möglichkeit, überhaupt zu studieren - entweder als Korrespondenz-Kurs oder über das Internet.
Bildung für alle?
Damit Indien der Schritt in die Zukunft gelingt, muss sich etwas ändern: Sowohl private wie staatliche Hochschulen werden gebraucht. Neben den traditionellen Bildungswegen müssen auch innovative Bildungskonzepte her. Professor Pushpesh Pant von der Jahawarlal Nehru Universität will damit schon bei der Schulausbildung beginnen. .„Ohne gute Schulen gibt es eben keine guten Unis. Deswegen müssen wir in Indien erstmal die Qualität der Grundausbildung verbessern, und zwar nicht nur an den Eliteschulen für die wenigen Privilegierten, sondern überall an den staatlichen Schulen.“
Eine riesige Aufgabe. Die flächendeckende Versorgung des Landes mit guten Computern ist eine Hürde, die Versorgung mit guten Lehrern eine andere. Hier hat das Bildungssystem besonders in ländlichen Gebieten noch viel aufzuholen. Aber es gibt einige viel versprechende Ansätze. Zum Beispiel das Projekt „Hole in the Wall“ -„Loch in der Wand“. Das Projekt stellt seit einigen Jahren öffentliche Computer für tausende Kinder in Indien bereit. Dadurch erhalten die, die es sich nie leisten könnten einen Zugang zu Computern.
Optimismus für die Zukunft
Trotz aller Hindernisse scheint die junge Generation Indiens für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts bereit zu sein. Umfragen belegen, dass junge Inder optimistischer sind als die meisten ihrer Altersgenossen in anderen Ländern. Und sie sind selbstbewusst genug, Vertrauen in sich selber zu haben.
Bislang profitiert nur ein Bruchteil der jungen Menschen von den Chancen der Globalisierung, die meisten können davon nur träumen. Doch wenn die Qualität der Schulausbildung und die der Unis verbessert werden kann, wird Indien der Schritt zu einer bildungspolitischen Neuausrichtung gelingen.
Autoren: Vibuthi Bhat und Anke Rasper
Redaktion: Peter Koppen