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Ein rot-grüner AfD-Parteitag

Kay-Alexander Scholz, zurzeit Stuttgart30. April 2016

In erster Linie diszipliniert - so verlief Tag eins des AfD-Bundesparteitags in Stuttgart. Das heißt aber nicht, dass es nicht spannend war. Unser Korrespondent vor Ort erlebte Überraschendes und neues Selbstbewusstsein.

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Frauke Petry auf AfD-Parteitag (Foto: dpa)
Bild: picture alliance/dpa/M. Murat

Mitgliederparteitage sind für Journalisten ein ganz besonderes Fest. So trifft man nicht nur auf Delegierte, sondern kann mit sogenannten einfachen Mitgliedern sprechen und kriegt einen breiteren Einblick in die innere Verfasstheit einer Partei. Die Überraschung des ersten Tages des 5. Bundesparteitages der AfD in Stuttgart war neben dem rot-grünen Colourblocking-Outfit von Parteichefin Frauke Petry, später mehr dazu, der bürgerliche Gesamteindruck. Bei den letzten Parteitagen war die Zahl der "Stiernacken"-Fraktion, junge Männer, denen man ihre Nähe zu extremen Gruppierungen schon ansah, stetig gewachsen.

Sie bildeten neben der Kohorte der 50- bis 60-jährigen Etablierten, die früher CDU oder FDP gewählt hatten, eine eigene Gruppe. Die Etablierten gibt es noch immer, einige "Stiernacken" auch, aber auffällig neu sind viele 40- bis 50-Jährige - Ingenieure, Handwerkermeister, Juristen. Das von Petry vorgetragene Grußwort von der österreichischen FPÖ mag ein Hinweis darauf gewesen sein, wohin sich die AfD orientiert: raus aus der Schmuddel-Ecke zu einer rechten Partei.

Diese Zusammensetzung mag ein Grund dafür gewesen sein, dass der erste Tag relativ diszipliniert verlief. Im Vorfeld hatte es Gerüchte gegeben, gegen Petry würde gepuscht und der "Patriotische Flügel", eine lose Gruppierung der AfD-Fundamentalisten würde alles torpedieren. Gekommen ist es dazu nicht. Ein wichtiger Moment dabei war: Zwar knapp, aber eben doch angenommen hatten die 2100 akkreditierten AfD-Mitglieder einen Antrag, alle Alternativanträge, die den Leitantrag des Bundesvorstands für das Grundsatzprogramm kippen wollten, nicht zu besprechen. Im Tagungspräsidium fielen leise die Worte "Schwein gehabt".

Internationales Interesse

Für ein erstauntes "Echt?" hatte bei vielen Journalisten schon am Vorabend beim erstmals stattgefundenen Presse-Empfang die Nachricht gesorgt, dass auch ein Korrespondent des legendären "New Yorker" aus den USA nach Stuttgart angereist war. Der Pressesprecher ergänzte ganz stolz, dass auch japanische, israelische und französische Medienvertreter angemeldet waren. Die insgesamt 300 Journalisten seien sowieso ein Rekord. Rekordverdächtig waren auch die Anti-AfD-Proteste, die dieses Mal besonders heftig waren und zu einem riesigen Polizei-Aufgebot führten.

Proteste gegen AfD-Bundesparteitag in Stuttgart (Foto: Getty)
Es gab massive Proteste gegen die AfD vor dem Messegelände, auf dem der Parteitag stattfindetBild: Getty Images/AFP/P. Guelland

Für einen ersten emotionalen Höhepunkt sorgte dann auch ein Ausländer. Der tschechische Ex-Präsident Vaclav Klaus, seine Nähe zur AfD ist nicht neu, hielt eine Lobeshymne auf die Partei. Sie sei "eine Hoffnung für uns alle". Da leuchteten Petrys Augen ganz stolz auf. Klaus rief Emotionen bei den Mitgliedern hervor, indem er von einer "Dämonisierung der Partei in den Medien" und von einem Angriff auf "Sitten, Bräuche und Werte" sprach.

Nicht auf Krawall aus

Zwei mögliche Streitthemen wurden dann relativ schnell abgeräumt. Zum einen: Markus Pretzell, einer von zwei AfD-Abgeordneten im EU-Parlament, darf, nachdem er in Brüssel aus seiner Fraktion geflogen war, nun selbst entscheiden, wohin er sich wendet, so entschied der Parteitag. Er tat das dann auch gleich öffentlich und kündigte an, der ENF-Fraktion beitreten zu wollen. Neue Freunde sind also: Le Pen, FPÖ und Vlaams Belang. Berührungsängste seien obsolet, so Pretzell, weil letztendliches Ziel sowieso sei, eine große gemeinsame Fraktion der EU-Kritiker zu bilden.

Vertrauensvoll gaben sich die Mitglieder auch bei der Frage, ob es richtig war, dass der Landesverband Saarland kurzerhand von der Bundes-AfD aufgelöst wurde, nachdem der dortigen Führung engere Kontakte zu mutmaßlichen Rechtsextremisten vorgeworfen worden waren. Die Auflösung war okay, sagte eine Mehrheit - mit 51 zu 42 Prozent.

Auf dem Weg zum ersten Grundsatzprogramm

Bevor die Programm-Diskussion los ging, gab Co-Vorsitzender Jörg Meuthen schon eine Richtung vor. Das war insofern auch deshalb wichtig, weil die Parteiführung der AfD seit ihrer Gründung verschiedene Flügel, nämlich den liberalen, den konservativen und den neu-rechten Flügel, zusammenhalten muss. Bisher, ohne Programm, ging das ganz gut, irgendwie alle zu bedienen. Mit einem Programm, schwarz auf weiß, ist diese Form von Populismus nicht mehr so einfach.

Jörg Meuthen (Foto: dpa)
Jörg Meuthen versuchte einen inhaltlichen SpagatBild: picture alliance/dpa/C. Schmidt

Meuthen sagte, die AfD sei "modern konservativ und nicht reaktionär oder strukturkonservativ, konsequent freiheitlich für Wettbewerb und soziale Marktwirtschaft, aber nicht neo-, sondern ordoliberal und auf gesunde Art und Weise patriotisch ohne ein idiotisches Multikulti und ohne schlechtes Gefühl gegenüber Deutschland". Insgesamt sei das ein "Fahrplan für ein anderes Deutschland, weg von einem linken, rot-grün durchseuchten 68er-Deutschland". Der Saal tobte nach der Rede, Standing Ovations und danach viel Lob für Meuthens "unverkrampfte Rede". Nun, aus den Landesverbänden im Osten war zu hören, dass das Attribut "sozial" noch fehle - der Streit um das Profil der AfD wird also weitergehen.

Dann erklärte Petry, warum sie Rot-Grün trage, sie wolle nämlich diese "schönen Farben zurückgewinnen und die Assoziation mit einer Koalition SPD-Grüne wieder auflösen". An Selbstbewusstsein mangelt es der AfD gerade nicht. Den Vorwurf eines Rechtsrucks könne sie nicht mehr hören, so Petry. Sie wiederholt diese Aussage in letzter Zeit auch deshalb so häufig, weil sie den Ultrarechten in der Partei wenig Aussichten geben will. Denn die AfD wolle weiter: Opposition sei man schon jetzt, aber perspektivisch ginge es auch darum, Mehrheiten zu erringen, also zu regieren, so Petry weiter. Das Beispiel Österreich zeige doch, wie schnell sich Mehrheiten ändern könnten. Sie appellierte an die Mitglieder, loyal zu ihr zu stehen bei diesem Plan.

Gegenwärtig scheint das auch so zu sein. Ihrer Rede folgten "Frauke-Frauke"-Rufe. Aber Petry weiß, dass sie nicht unumstritten ist. Im Moment stellt sie sich neu auf, hat einen intellektuellen Publizisten zum Berater gemacht und jemanden von der "Jungen Alternativen" ins Team geholt. Kontakte in diese Milieus sind Petry strategisch wichtig. Ihrer Rede merkte man an, dass sie gerade Neues ausprobiert. Ihr Ehrgeiz ist groß. Vielleicht war das auch der Grund für ihr neues Outfit, in der Vergangenheit sah man sie immer im blauen Anzug. Mal sehen, welches Bild der zweite Tag des Parteitags gibt.