Schwacher Appell
4. August 2011Angesichts der Tragödie, zu der sich der arabische Frühling derzeit in Syrien entwickelt, war die Erklärung des UN-Sicherheitsrates überfällig. Nach den brutalen Übergriffen des Regimes gegen ganze Städte im Widerstand hat die internationale Staatengemeinschaft nun endlich ihre Stimme in einer gemeinsamen Erklärung wiedergefunden. Die ist zumindest insofern erfreulich, als Russland, China, aber auch die aufstrebenden Mächte Brasilien, Indien und Südafrika die moralische Pflicht des Sicherheitsrats über ihre staatlichen Eigeninteressen gestellt haben - was auch der geschickten Diplomatie Deutschlands zu verdanken ist.
Diplomatische Wortwahl mit Rücksicht auf Russland
Weil aber nun die Fähigkeit zum Kompromiss gleichsam zum Wesen der Diplomatie gehört, wurden beide Seiten - Staatsführung und Opposition - in der Erklärung zur Mäßigung aufgefordert. Eine Formulierung, mit der die wahren Kräfteverhältnisse in Syrien krass verzerrt werden und die fast einer Verhöhnung der bereits mehr als tausend Toten auf Seiten der Opposition gleichkommt.
Und doch stellt diese Erklärung, die nicht das Gewicht einer Resolution hat, einen Fortschritt dar: Auch der syrische Diktator wird jetzt erkennen müssen, dass selbst der Verbündete Russland die permanenten Menschenrechtsverletzungen seines Machtapparats nicht mehr widerspruchslos hinzunehmen bereit ist. Die schützende Hand Moskaus könnte sich langsam zurückziehen, wenn man erkennen muss, dass den russischen Interessen im Nahen Osten durch eine stures Festhalten am Assad-Regime langfristig mehr Schaden zugefügt wird als dem Kreml lieb sein kann. Dann wird Baschar al-Assad sich möglicherweise auch wieder ans Telefon begeben, wenn ihn UN-Generalsekretär Ban Ki Moon anruft.
Schwacher Trost für Opposition
Von daher geht selbst von diesem schwachen Appell des Sicherheitsrates eine gewisse Signalwirkung aus. Dass Syrien wie sein Nachbar Irak in einen endlosen Kreislauf der Anarchie und chronischen religiösen Gewalt abgleitet, daran kann niemandem gelegen sein. Insgesamt aber bleiben die Möglichkeiten der Einflussnahme von außen im Falle Syriens begrenzt. Ein paar Sanktionen hier, ein Appell dort.
Ein militärisches Eingreifen wird es in Syrien aus einer Vielzahl von Gründen nicht geben: Die strategische Lage an der Nahtstelle des Nahostkonflikts, das Bündnis mit Russland, die Erfahrungen der NATO mit dem Militäreinsatz in Libyen - all das widerspricht einem Militäreinsatz aus humanitären Gründen. Insofern wird das Engagement der internationalen Staatengemeinschaft kaum über diese Erklärung des Sicherheitsrates hinausgehen. Für die Menschen in Syrien ist dies die bittere Wahrheit und der Appell aus New York nur ein schwacher Trost.
Autor: Daniel Scheschkewitz
Redaktion: Andrea Lueg