Dijsselbloem folgt Juncker
22. Januar 2013Der scheidende Eurogruppen-Vorsitzende Jean-Claude Juncker hatte, wie üblich, ein paar ironische Bemerkungen parat. Er empfinde schon eine gewisse Wehmut, zum letzten Mal die Eurogruppe zu leiten, sagte er kurz vor der Sitzung in Brüssel, vor allem spüre er aber Erleichterung: "Ich bin froh, raus aus diesem Haus zu sein. Ich habe sechs Monate gerufen: 'Wer holt mich hier raus?'" Acht Jahre lang hat der Luxemburger versucht, zwischen den verschiedenen Interessen zu vermitteln, zum Schluss inmitten heftigster Finanzturbulenzen.
Der französische Finanzminister Pierre Moscovici lobt vor allem, Juncker habe ein Gleichgewicht hinbekommen, "Gleichgewicht zwischen den Ländern des Nordens und des Südens, Gleichgewicht zwischen den Erfordernissen der Haushaltskonsolidierung und der Wachstumsziele, Gleichgewicht zwischen einer deutschen und einer französischen Sichtweise". Er erwarte, "dass der Nachfolger diesem Erbe gerecht wird".
Widersprüchliche Erwartungen
Dass der Niederländer Jeroen Dijsselbloem der Richtige sei, daran hatten die Franzosen noch vergangene Woche öffentlich gezweifelt. Denn Dijsselbloem und die niederländische Regierung gelten ihnen als einseitig spar- und zu wenig wachstumsorientiert. Das war auch der Grund, warum die französische Regierung den deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble als Junckers Nachfolger verhinderte. Doch Moscovici stimmte schließlich doch zu.
Überraschend war es dann sein spanischer Amtskollege Luis de Guindos, der sich als einziger verweigerte. Über die Gründe wurde zunächst nichts bekannt. Die österreichische Finanzministerin Maria Fekter dagegen hatte bereits bei ihrer Ankunft gelobt, die niederländische Finanz- und Währungspolitik komme Österreich "sehr entgegen. Holland hat ja immer, ähnlich wie Deutschland, eine Hartwährungspolitik betrieben, und ich erwarte, dass das auch in Zukunft so sein wird."
Dijsselbloem sieht neue Basis für Vertrauen
Der Neue kann, diplomatisch, wie er ist, "keinen großen Konflikt" zwischen Wachstums- und Konsolidierungskurs erkennen. Beide Ziele müsse man gleichzeitig verfolgen. Doch für ihn scheint die Reihenfolge wichtig zu sein: "Wir müssen unsere Haushalte unter Kontrolle bringen. Das wird uns helfen, neues Wachstum zu erzeugen und in Arbeitsplätze und Bildung zu investieren."
Bei der französischen Regierung hörte es sich bisher eher umgekehrt an: Der Staat soll mit einem Konjunkturprogramm Wachstum erzeugen, das dann, so die Hoffnung, quasi automatisch den Haushalt ausgleichen wird. Insofern dürfte es Dijsselbloem schwer haben, den Erwartungen der Franzosen und anderer, die genauso denken, gerecht zu werden. Der neue Eurogruppenchef sieht jedenfalls zuversichtlich in die Zukunft. Es gebe eine "neue Basis für Vertrauen in den Euro", und dieses Vertrauen gelte es zu stärken.
Minister halten Zypern hin
Wenig Vertrauen hat die Eurogruppe offenbar in das jüngste Land, das Hilfe beantragt hat, nämlich Zypern. Das Thema wurde offiziell ein wenig heruntergespielt, obwohl die zyprische Regierung warnt, das Land werde nicht mehr sehr lange zahlungsfähig sein. Finanzminister Vassos Shiarly sagte in Brüssel: "Wir haben alles getan. Jetzt müssen die anderen ihre Aufgabe übernehmen." Doch die lassen sich Zeit und Zypern ein bisschen zappeln. Das hängt auch mit den im Februar anstehenden Präsidentschaftswahlen auf Zypern zusammen und damit, wie der amtierende Präsident Dimitris Christofias mit den Ratschlägen der EU umgeht.
Christofias ist der einzige kommunistische Staatschef der EU. Er lehnt zum Beispiel das empfohlene Privatisierungsprogramm ab. Bundesfinanzminister Schäuble bekannte freimütig: "Mir fehlt ein wenig die Phantasie, wie man ohne Privatisierung bei den gegebenen Zahlen das Problem überhaupt in Angriff nehmen soll, von lösen habe ich noch nicht gesprochen." Außerdem müsse klar sein, so Schäuble, dass die zyprischen Probleme die Eurozone als ganze gefährdeten. Vorwürfe, auf Zypern werde Geldwäsche für reiche Russen betrieben und Steuerhinterziehung geduldet, hatte Christofias vergangene Woche in Brüssel entrüstet als "unfair" zurückgewiesen. Doch die Eurogruppe dürfte diesmal besonders genau hinschauen, wie die Situation auf der Insel aussieht - und vor den Wahlen kann das Land auf keinerlei Zusage hoffen.