1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Ein Staatenbündnis für den Frieden in Nahost

4. September 2018

Die USA haben eine Debatte um eine Konföderation zwischen dem Westjordanland und Jordanien angestoßen. Vor Ort wird der Vorschlag zurückhaltend aufgenommen: zu groß sind die Unwägbarkeiten, die sich mit ihm verbinden.

https://p.dw.com/p/34DaM
Israel Totes Meer
Idyllisches Grenzgebiet: das Tote Meer zwischen Israel und JordanienBild: picture-alliance/dpa/C. Kern

Jumana Ghneimat ließ an der Haltung ihres Landes keinen Zweifel: Nein, eine Koalition mit dem Westjordanland werde es nicht geben. "Eine solche Idee zu diskutieren, ist unmöglich", sagte die jordanische Regierungssprecherin. Sie reagierte damit auf den von den USA ersonnenen und von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas erwähnten Plan einer Konföderation zwischen Jordanien und dem Westjordanland.

Kurz zuvor hatte Palästinenserpräsident Mahmud Abbas laut israelischen Medienberichten erklärt, als Teil ihres Friedensplans hätten Jared Kushner, Trumps Sonderbeauftragter für den Nahen Osten, sowie Jason Greenblatt, Trumps Leiter für Internationale Verhandlungen, ihm eine solche Konföderation vorgeschlagen. Er habe einem solchen Plan grundsätzlich zugestimmt, erklärte Abbas. Allerdings habe er Einschränkungen gemacht: "Ich habe gesagt, ich möchte eine dreiteilige Konföderation mit Jordanien und mit Israel. Ich habe sie gefragt, ob Israel einem solchen Plan zustimmen würde", so Abbas weiter.

Eine alte Idee

Die Idee einer Konföderation ist nicht neu. Bereits in den frühen 1980er Jahren tauchte sie in der Debatte rund um den Nahostkonflikt auf. Damals eruierten der damalige Palästinenserführer Jassir Arafat und der damalige jordanische König die Chancen eines solchen Zusammenschlusses. Beide sahen Vorteile: Jassir Arafat suchte nach einem neuen Stützpunkt für die "Palästinensische Befreiungsorganisation" (PLO), nachdem diese zuvor von der israelischen Armee aus dem Libanon vertrieben worden war und ein neues Hauptquartier brauchte. Dieses hatte die PLO bis zum Jahr 1970 bereits in Jordanien gehabt, war dann aber nach blutigen Auseinandersetzungen im so genannten "Schwarzen September" des Landes verwiesen worden.

Jordanien Schwarzer September 1970
Aufruhr in Amman: Szene aus dem "Schwarzen September" 1970Bild: picture-alliance/dpa

Dennoch hatte auch König Hussein damals Interesse an dem Plan: Mit ihm, hoffte er, ließe sich der Einfluss seines Landes in der Westbank vergrößern. Die Region westlich des Jordans gehörte bis zum Sechs-Tage-Krieg von 1967 zu Jordanien. Danach wurde sie von Israel besetzt, ebenso wie der Ostteil von Jerusalem.

Letztlich konnten sich beide zu dem Schritt aber nicht entschließen - aus Gründen, die weitestgehend noch heute aktuell sind. Die Regierung in Amman fürchtete - und fürchtet - einen weiteren Einfluss der Palästinenser in Jordanien. In dem gut 9,5 Millionen Einwohner starken Land leben rund 1,8 Millionen palästinensische Flüchtlinge und deren Nachfahren. Eine Konföderation mit der Westbank und ihren rund 2,7 Millionen Bürgern würde diesen Einfluss erheblich vergrößern.

Für Präsident Abbas wiederum besteht das Hauptproblem darin, dass der Gazastreifenin dem nun wieder aufgegriffenen Plan nicht Bestandteil der Konföderation sein soll. Er soll ein eigenständiges Gebiet bleiben, das dann aber, so sieht der Plan es vor, vor allem von Ägypten geschützt werden soll. Damit aber kämen die palästinensischen Autonomiegebiete in ihrer bisherigen Form an ihr Ende. Abbas aber kann die rund 1,8 Millionen Menschen des Gazastreifens kaum sich selbst überlassen.

Vorteile für Israel

Gleichwohl brächte der Plan dem Westjordanland auch Vorteile, insbesondere in dem von Abbas ins Spiel gebrachten Verbund auch mit Israel. Wäre Israel dabei, könnten die Bürger des Westjordanlands ebenso wie die Israelis mit festen und vor allem sicheren Grenzen rechnen. Denn die Partner einer Föderation würden - einige Extremisten vielleicht ausgenommen - kaum aufeinander losgehen.

USA, Washington: Arafat und Hussein im Jahr 1996
Partner und Rivalen: der damalige PLO-Chef Jassir Arafat (li.) und der ehemalige jordanische König Hussein (re.)Bild: picture-alliance/W. Lee

Der Plan, heißt es in der arabischen Zeitung "Al-Araby al-jadeed", hätte für die Palästinenser noch einen weiteren Vorteil: Er würde sie auf ihrem Weg zu internationaler Anerkennung weiter bringen. "Denn eine internationale Konföderation mit einem Nicht-Staat ist schlicht nicht denkbar", argumentiert das Blatt. Eine Konföderation würde einen eigenständigen Staat Palästina zumindest implizit nicht mehr ausschließen.

Das weiß man auch in Israel. Darum sei man dem Plan zwar nicht grundsätzlich abgeneigt, heißt es in der Zeitung "Jerusalem Post". Allerdings ranken sich die israelischen Gedankenspiele bislang um einen Staat, der seine inneren Angelegenheiten zwar weitgehend selbst regelt, der aber keinerlei internationale Repräsentanz hat. In anderen Worten: Die palästinensischen Gebiete, ob mit oder ohne den Gazastreifen, wären zwar autonom, aber nicht wirklich unabhängig. Eben das kann Präsident Abbas nicht wollen.

Ein Hindernis namens "1967"

Wenn Abbas dem Plan nun trotzdem zustimme, so wohl hauptsächlich aus Gründen der Imagepflege, vermutet die israelische Zeitung "Haaretz". "Wenn er den Plan gutheißt, hilft ihm dies, sein bisheriges Image als unnachgiebiger, unflexibler Politiker loszuwerden. Dabei sieht er sehr genau, dass der Plan genau so große Chancen der Umsetzung hat wie Präsident Trumps 'Jahrhundertdeal'". Will sagen: gar keine. Trumps Ansinnen, den Palästinensern eine neue Heimat auf der Sinai-Halbinsel zu verschaffen, ist international überwiegend auf Ablehnung gestoßen.

USA Mittlerer Osten Friedensgespräche Benjamin Netanyahu und Mahmoud Abbas
Eiszeit: Palästinenserpräsident Mahmud Abbas (li.) und der israelische Premier Benjamin Netanjahu (re.)Bild: CHRIS KLEPONIS/AFP/Getty Images

Wenn "Haaretz" der Konföderation ebenfalls keine Chancen einräumt, so vor allem darum, weil Jordanier und Palästinenser auf eine grundsätzliche Bedingung drängen: Das jordanische Staatsgebiet müsse wieder zu den Grenzen vor 1967 zurück, also das Westjordanland und Ost-Jerusalem umfassen. Das liefe aber auf nichts anderes als eine Integration des Westjordanlands in das jordanische Territorium hinaus. Ohne entsprechende Garantien dürfte das Israel nicht zulassen. Schon aus Gründen der nationalen Sicherheit wird sich Israel aus dem Gebiet kaum zurückziehen. Zudem würde sich die Frage stellen, welchen Status die Siedler im Westjordanland dann hätten.

So ist der Plan allenfalls der erste in einer Reihe von sehr vielen weiteren Schritten. Wo diese hinführen, ob sie überhaupt zu irgendetwas führen, ist offen. Vieles spricht dagegen. Immerhin sorgt der Plan für Ansätze eines Gesprächs zwischen Israel und der Palästinensischen Autonomiebehörde. Nach vielen Monaten des Schweigens könnte dies zumindest ein Ende der politischen Eiszeit sein.

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika