1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Humanitäre Hilfe mit dem Smartphone

Jutta Schwengsbier23. Mai 2016

Dem Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) fehlen Mittel. Eine Startup-Förderung soll helfen. Dank einer neuen App haben Smartphone Nutzer der Organisation bereits mehr Geld überwiesen, als viele Staaten.

https://p.dw.com/p/1IMYi
Südsudan Mehr als 30.000 Menschen laut UNO vom Hungertod bedroht
Bild: Getty Images/AFP/T. Karumba

Wie im Silicon Valley in Kalifornien stellen sich auf dem Campus der Factory in Berlin die spannendsten Start-ups regelmäßig bei Pitch-Wettbewerben vor. Im zwei Minuten Rhythmus erläutern junge Unternehmensgründer auf der Bühne ihre Geschäftsidee.

"Wieviel Geld haben sie in den vergangenen 24 Stunden für Essen ausgegeben," fragt zu Beginn seiner Präsentation Felix Leonhardt. "Wenn sie so sind wie ich, dann ungefähr 15 bis 30 Euro. In Europa geben wir zusammen 1200 Milliarden Euro für Nahrung aus. Gleichzeitig hat 1 von 9 Menschen auf der Welt nicht genug zu essen. Was, wenn wir das eine nutzen könnten, um das andere zu ändern?"

Leonhardt ist einer von vielen jungen Sozialunternehmern, die Geschäft und soziales Engagement verbinden wollen. Er produziert gefronenen Joghurt. Von jedem verkauften Becher gehen einige Cents an ein Projekt zur Schulspeisung in Mali.

Eine gute Idee, finden viele. Auch das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen, WFP, will sich künftig von solchen Start-ups inspirieren lassen und stärker von Innovationen profitieren.

Deutschland Preisverleihung Factory Startup Pitch Hungerhilfe
Das sharethemeal Team auf der Presiverleihung des Pitch-Wettbewerbs in BerlinBild: Jutta Schwengsbier

Private Spender zahlen mehr als viele Staaten

Die Organisation beschränkt sich schon lange nicht mehr darauf, an den guten Willen von Staaten zu appellieren. Ein eigener Accelerator, also ein Zentrum zur Beschleunigung von Innovationen durch Start-up Ideen, soll helfen, neue Geldquellen selbst zu erschließen.

Wie das funktionieren kann zeigt die App sharethemeal, eines der ersten Produkte. "Über die App sharethemeal können Nutzer weltweit diese 40 Cents als Kleinstbetrag spenden, um ein Kind für einen Tag zu ernähren," erklärt Victoria Leonhardt auf der Bühne der Factory. Sie betreut die Weiterentwicklung der App. "Es gibt 20 mal so viele Smartphone Nutzer wie hungernde Kinder auf der Welt", sagt Leonhardt.

APP Share the meal
Über die App sharethemeal erhielten 20.000 Kinder für ein Jahr SchulspeisungBild: Share the meal/WFP

Wenn jeder von ihnen nur einen geringen Betrag spenden würde, könnte der Hunger besiegt werden, sind die Innovatoren vom WFP überzeugt. Die bislang 420.000 Nutzer von sharethemeal haben innerhalb weniger Monate 2 Millionen Euro gespendet. Durch ihre Kleinspenden haben Smartphone Nutzer dem Welternährungsprogramm damit mehr Geld überwiesen, als viele Staaten bereit sind, dem WFP pro Jahr zu zahlen. Weitere Innovationen sollen auch dabei helfen, die Arbeit der Organisation effizienter zu machen und so Millionenbeträge einzusparen.

"Viele Regierungen verstehen humanitäre Nothilfe heute immer noch vor allem als kurzfristige Hilfe," sagt WFP Sprecherin Katharina Weltecke. "Etwa nach einem gelegentlichen Erdbeben oder einer Flutkatastrophe. Das entspricht nicht mehr der Realität."

Tatsächlich ist der Bedarf an humanitärer Hilfe in den vergangenen 15 Jahren explodiert. Durch Kriege aber auch zum Beispiel durch Dürrekatastrophen als Folge von Klimaveränderungen. Insgesamt ist der Bedarf an Hilfe drastisch und langfristig gestiegen. Während die UN im Jahr 2000 die notwendige globale Hilfe auf etwa zwei Milliarden US-Dollar bezifferte waren es 2015 schon rund 20 Milliarden. Tatsächlich erhält das auch für humanitäre Hilfe zuständige Welternährungsprogramm kaum die Hälfte der angeforderten Gelder - oft sogar noch weniger.

Infografik WFP Nothilfe Operationen

Fehlende Hilfszahlungen verschärfen Flüchtlingskrise

Die wenigsten Staaten werden bei Hilfszahlungen an UN Organisationen oder der eigenen Entwicklungshilfe den selbst gesteckten Zielen gerecht. Bis 2015 sollte die Entwicklungshilfefinanzierung auf 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens steigen - darauf hatten sich die Länder Europas festgelegt. Bislang haben jedoch nur fünf ihr eigenes Ziel erreicht, darunter Schweden, das seit Jahren sogar mehr leistet als gemeinsam vereinbart. Deutschland ist dagegen noch nie über 0,4 Prozent an Hilfsleistungen im Vergleich zum eigenen Bruttosozialprodukt hinausgekommen, lag damit aber immer noch deutlich besser etwa als die Großmächte USA und Russland.

Infografik Beiträge zum WFP

Organisationen wie das Welternährungsprogramm stehen angesichts der globalen Krisen vor immer größeren Herausforderungen ihre Einsätze zu finanzieren. Im vergangenen Jahr lag das Budget des WFP bei 5,5 Milliarden Dollar. Nach Schätzungen des Friedensforschungsinstitutes SIPRI flossen dagegen allein im Jahr 2014 1700 Milliarden US-Dollar in weltweite Militärbudgets. Allein die Militärausgaben der USA lagen bei über 600 Milliarden US-Dollar, das entspricht 3,5 % des Bruttoinlandsproduktes.

Viele Experten warnen schon lange, dass die Sicherheitskrisen dieses Jahrhunderts nicht mehr militärisch gelöst werden können, denn sie werden immer häufiger direkte Folgen von Klimaveränderungen und daraus folgenden Umweltschäden sein. Statt weiter massiv in Waffensysteme zu investieren, müsste die Weltgemeinschaft deshalb wesentlich stärker daran arbeiten, die gemeinsamem UN Entwicklungsziele bis 2030 zu erreichen.