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Eine Football-Karriere wie im Film

Andreas Sten-Ziemons (mit sid, dpa)3. Februar 2016

Zum zweiten Mal in seiner Laufbahn steht Michael Oher im NFL-Endspiel, dem Super Bowl. Sein Leben wurde bereits oscarreif verfilmt und begeisterte Millionen Zuschauer, was Oher aber eher stört als gefällt.

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American Football Carolina Panthers, Michael Oher bei Pressekonferenz (Foto: picture-alliance/dpa/J.Siner)
Bild: picture-alliance/dpa/J.Siner

Auf dem Football-Feld wirft sich Michael Oher mutig und aggressiv den gegnerischen Verteidigern entgegen und beschützt den eigenen Quarterback vor deren Attacken. Neben dem Platz gilt der 1,93 Meter große und über 140 Kilogramm schwere Koloss dagegen als schüchtern und zurückhaltend, nicht als einer, der gerne im Licht der Öffentlichkeit steht. Dennoch kennt so gut wie jeder Football-Fan Ohers gesamte Lebensgeschichte, zumindest die Version, die Hollywood im Blockbuster "The Blind Side" über das Leben des 29-Jährigen erzählt.

Oher stammt aus bescheidenen und schwierigen Verhältnissen. Er wuchs im US-Staat Tennessee mit elf Geschwistern als Sohn einer drogensüchtigen und mehrfach vorbestraften Mutter auf. Auch sein Vater war oft im Gefängnis. Oher wurde als Jugendlicher von einer Pflegefamilie zur nächsten geschoben, lebte teilweise im Heim und lief immer wieder davon. Irgendwann kam er zu Sean und Leigh Ann Tuohy, die den damals 17-Jährigen bei sich aufnahmen, ihm ein Zuhause boten und ihn später sogar adoptierten.

Pflegemutter Leigh Ann Tuohy soll es gewesen sein, die Oher darauf brachte, es mit Football zu versuchen und die sich dafür einsetzte, dass der bereits damals überdurchschnittlich große und kräftige Junge im Football-Team seiner Schule mitspielen durfte. Tuohy wird im Film von Sandra Bullock verkörpert, die Rolle bescherte ihr 2010 den Oscar als beste Hauptdarstellerin. Der Film spielte insgesamt über 300 Millionen US-Dollar ein.

Sandra Bullock im Film "The Blind Side" (Foto: picture-alliance/dpa/Ralph Nelson/Warner)
Sandra Bullock gewann für die Rolle von Ohers Pflegemutter den Oscar als beste HauptdarstellerinBild: picture-alliance/dpa/Ralph Nelson/Warner

Michael Oher mag "The Blind Side" nicht. Der Film reflektiere sein Leben als Mensch und Sportler nicht richtig. "Was außerhalb des Feldes passiert, ist eine andere Geschichte. Deshalb finde ich den Film nicht gut", hat Oher einmal gesagt. "Ich habe das Spiel von klein auf gelernt. Niemand musste mir beibringen, wie man blockt." Es stört ihn, dass der Film es so darstellt, als sei er ein dummer, großer Junge gewesen, dem seine zierliche Adoptivmutter zeigen musste, wie man sich einem Gegner in den Weg stellt. Die Produktionsfirma habe nie mit ihm gesprochen, vieles von dem, was im Film passiere, sei frei erfunden. "Hollywood eben." Fakt ist allerdings, dass Oher in der Highschool als Football-Spieler so gut war, dass er den Scouts vieler College-Mannschaften auffiel. Die University of Mississippi gab ihm ein Football-Stipendium und 2009 wurde Oher vom NFL-Klub Baltimore Ravens verpflichtet.

An dieser Stelle endet der Hollywood-Film. Doch was die Football-Karriere Ohers angeht, ging es da erst richtig los, Stoff genug für einen zweiten Hollywood-Film: Zum Abschluss der Saison 2012 gewann Oher mit den Ravens den Super Bowl. Auf den großen Erfolg folgte die Ernüchterung: zwei erfolglose Jahre - zunächst 2013 mit Baltimore und dann, nach dem Wechsel in die Heimat, 2014 mit den Tennessee Titans. Die Titans entließen ihn nach nur einer Saison wieder, worauf Oher seine Karriere als Football-Profi fast beendet hätte. Doch eine SMS brachte ihn dazu, diesen Entschluss noch einmal zu überdenken.

Newtons Bodyguard

Dass Oher am Wochenende zum zweiten Mal im Endspiel steht und eine Chance auf seinen zweiten Meistertitel hat, liegt nämlich an Cam Newton, dem charismatischen Quarterback der Carolina Panthers. Newton war in der Saisonpause auf der Suche nach einem Spieler, der zuverlässig seine linke Seite bewacht. Newtons Bruder Cecil, ebenfalls ein Football-Spieler, erinnerte sich an Oher, da er bei den Baltimore Ravens gemeinsam mit ihm trainiert hatte. Cecil Newton lobte Oher in den höchsten Tönen, Bruder Cam schickte umgehend folgende Nachricht: "Ich brauche dich. Ich will dich nicht. Ich BRAUCHE dich."

Cam Newton scherzt neben Michael Oher auf der Ersatzbank (Foto: Ronald Martinez/Getty Images)
Ein starkes Team: Quarterback Cam Newton (l.) und sein "Bodyguard" Michael Oher (r.)Bild: Getty Images/R. Martinez

Klare Worte, die ihre Wirkung bei dem Umworbenen nicht verfehlten: "Du bekommst eine SMS von Cam Newton, und er sagt dir, dass er dich braucht. Das hat mir viel bedeutet", sagte Oher, der bei den Panthers die Position des Left Tackle bekleidet. Er muss versuchen, die Verteidiger abblocken, die Spielmacher Newton zu Boden reißen wollen, bevor der den Ball passen kann. Das gelingt Oher so gut wie noch nie zuvor in seiner Karriere als Profi: Nur viermal gelang es in dieser Saison einem Gegner, sich an ihm vorbei zu wühlen und Newton zu tackeln.

Der Quarterback, der gute Chancen hat, in diesem Jahr die Auszeichnung als wertvollster Spieler der Liga (MVP) zu erhalten, bezeichnet seinen Bodyguard Oher als "Stützpfeiler". Besonders auf Oher wird es ankommen, wenn es im Super Bowl gegen die ausgezeichnete Defense der Denver Broncos geht. Im Halbfinale brachten die Broncos-Verteidiger New Englands Quarterback Tom Brady ganze 23 Mal zu Boden.

Dass Oher "seinen eigenen" Film hat, ist natürlich auch in Carolina bekannt. Einige Mitspieler ziehen ihn gerne damit auf, dass sie ganze Sequenzen des Films zitieren, und Right Tackle Mike Remmers schickt Oher immer sofort eine SMS, wenn es "The Blind Side" im Fernsehen gibt. Geht es nach Oher, läuft der Streifen dort allerdings viel zu häufig.