Eine Holundertorte macht Revolution
18. Mai 2018Im Vorfeld der königlichen Hochzeit haben die feinsten Details der Eheschließung von Prinz Harry und Meghan Markle Royalisten, Romantiker und Zyniker gleichermaßen in ihren Bann gezogen - allen voran die Zitronen-Holunder-Hochzeitstorte, die nach Frühling duften soll. Das Ehepaar hat die aus Kalifornien stammende Londoner Konditorin Claire Ptak, die Meghan von einem Interview für ihre jetzt stillgelegte Website für junge Frauen, "The Tig", kannte, mit der Zubereitung beauftragt.
Eine Hochzeitstorte ist viel mehr als nur ein Dessert: Sie dient als symbolisches Herzstück der Zeremonie. Das Gebäck kann so dekorativ sein, dass es am Tag der Hochzeit nicht einmal den Gästen serviert wird. Seit der Hochzeit von Königin Victoria mit Prinz Albert von Sachsen-Coburg und Gotha im Jahre 1840 dienen die kunstvoll arrangierten königlichen Hochzeitstorten einem religiösen Zweck: Sie werden bis zur Taufe des ersten Kindes des Paares aufbewahrt.
Als halb-afroamerikanische Geschiedene hat Meghan Markle bereits einige der traditionellsten Konventionen des britischen Königshauses gebrochen. Und auch bei der Entscheidung, was mit ihrer Hochzeitstorte geschehen soll, vermittelt sie nicht den Eindruck einer zukünftigen Frau, die bereit ist, sich den Vorlieben ihrer königlichen Familie zu beugen.
Meghan Markle bleibt sich treu
Auf Holunder, ein traditionelles viktorianisches Aroma, zu setzen, mag nicht besonders gewagt erscheinen, doch insgesamt zeigt die Kühnheit dieses Vorhabens, dass Meghan Markle die Hochzeit auf ihre eigene Art gestalten wird.
Sie hat ihre Schauspielkarriere geopfert, ihre großen Online-Communities und Social-Media-Profile aufgegeben, um dem königlichen Protokoll gerecht zu werden. Doch die Wahl der in Kalifornien geborenen Konditorin Claire Ptak, die mit Meghan Markles Vergangenheit verbunden ist, zeigt, dass sie nicht willens ist, ihre frühere Identität vollständig aufzugeben.
Es könnte ein Vorgeschmack sein auf die Art und Weise, wie Markles gesellschaftlicher Hintergrund ihre Entscheidungen als Mitglied der Königsfamilie beeinflussen wird. Der Kensington Palast kündigte an, dass Harry und Meghan ihren Kuchen an diesem Tag den Gästen servieren werden. Das mag normal klingen, ist es aber nicht - zumindest nicht für eine königliche Hochzeit.
William und Kate versteigerten ihre Torte
Im Jahr 2011 ließen der Herzog und die Herzogin von Cambridge zwei Kuchen für ihre Hochzeit backen. Der Kekskuchen - Prinz Williams Lieblingskuchen aus der Kindheit - wurde an jenem Tag gegessen. Das Hauptstück, eine achtstöckige Obsttorte mit Hunderten Zuckerblumen, wurde nach der Hochzeit ausgestellt und schließlich in Teilen für einen guten Zweck versteigert. Die oberste Schicht wurde fast drei Jahre lang aufbewahrt und diente als Taufkuchen für ihren Erstgeborenen, Prinz George. Ob Harry und Meghan eine Torte zu einer zukünftigen Taufe mitbringen, bleibt abzuwarten.
Mit ihrer Heirat mag Meghan Markle viel von ihrer persönlichen Unabhängigkeit aufgeben, doch ihr gesellschaftliches Engagement behält sie bei. Zuletzt unterstützte sie die #MeToo-Bewegung. Schon im Alter von elf Jahren schrieb sie Protestbriefe an Konzernchefs und die damalige First Lady Hillary Clinton wegen einer sexistischen Werbung, die suggerierte, der Platz einer Frau sei in der Küche. Die Anzeige für Geschirrspülmittel wurde dank ihrer Beschwerde geändert. Markles Schauspiel-Kollegen sollen ihr den Spitznamen "MSH Markle" - für "Make Shit Happen" - gegeben haben.
Fröhliche Trotzhaltung
Das Internet wird auch nicht vergessen, dass sie ihren fast zwei Millionen Instagram-Anhängern einst empfahl, das Werk des prominenten US-Wissenschaftlers Noam Chomsky zu lesen, der anarchistische Theorien vertritt. Chomsky zählt auch zu denjenigen, die gespannt auf Meghan Markles Eintritt in die privilegierteste aller Institutionen sind: Er erzählte der britischen Tageszeitung "The Guardian" Ende 2017, dass es "klingt, als ob sie aus vielen Gründen die königliche Familie erschüttern könnte."
Die Zitronen-Holunder-Torte und ihre Bio-Zutaten könnten als bloßes Spiegelbild einer zeitgenössischen, bewussten Ernährungsweise gelten. Aber die Tatsache, dass dieser Kuchen gleich von den Gästen verspeist und nicht für ein religiöses Ritual aufbewahrt oder als knalliges Souvenir des Hochzeits-Spektakels versteigert wird, passt zu der warmen Menschlichkeit und ihrer fröhlichen Trotzhaltung, die die Menschen an Meghan Markle lieben gelernt haben.