Somalia: Chance auf Frieden?
10. Februar 2015Wie regiert man eines der gefährlichsten Länder der Welt? Diese Frage müssen die neuen Mitglieder des somalischen Kabinetts jetzt so schnell wie möglich beantworten. Anfang der Woche hat sich das Parlament in Mogadischu auf die 25 Minister geeinigt.
Sie seien eher Technokraten als Profi-Politiker, sagt Andrews Atta-Asamoah, der die Entwicklungen in Somalia am Institut für Sicherheitsforschung (ISS) in Pretoria analysiert. "Es sind viele neue Gesichter dabei: auch Leute, die politisch nicht sehr erfahren sind. Man hat nach Kandidaten ohne negative Vergangenheit in der somalischen Politik gesucht und nach Leuten, die sich tatsächlich für die Wünsche und Bedürfnisse der Bevölkerung einsetzen".
Newcomer regieren im Chaos
Lange wurde über die Zusammensetzung des Kabinetts gestritten. Den ersten Vorschlag von Premierminister Omar Abdirashid Ali Sharmake lehnte das Parlament ab mit der Begründung, 10 der 25 Minister seien Altlasten der Vorgängerregierung. Erst im dritten Anlauf gelang jetzt eine Einigung. Die neue Regierungsmannschaft wurde mit deutlicher Mehrheit im Parlament bestätigt.
Mit den neuen Gesichtern, so die Hoffnung, soll jetzt der lang ersehnte Wandel in dem Krisenstaat kommen. Die Zeit drängt. Die Regierung muss den Verfassungstext überprüfen, über den die Somalis im März 2016 per Referendum abstimmen sollen. Auch die Wahlen ein gutes halbes Jahr später müssen vorbereitet werden.
Al-Shabab entscheidet mit
Dazu kommt das Thema Sicherheit. Mehr als zwei Jahrzehnte Krieg hat Somalia hinter sich. Heute leidet die Bevölkerung vor allem unter dem Terror der Al-Shabab-Miliz. Bombenanschläge und Attentate sind Alltag. Gerade erst haben die Islamisten einen Parlamentarier mitten in Mogadischu in seinem Auto erschossen. Auch andere bewaffnete Gruppen sind in Somalia aktiv. Am Dienstag sollen mindestens 16 Menschen getötet worden sein, bei Kämpfen zwischen Regierungstruppen und Milizen im Norden des Landes.
Und trotzdem habe sich die Sicherheitslage für viele Somalis bereits enorm verbessert, sagt DW-Reporter Mohammed Hussein aus Mogadischu. "Wir gehen zwar nach Sonnenuntergang nicht mehr nach draußen. Aber nachts patroullieren inzwischen Soldaten und Polizisten auf den Straßen, fast überall in der Stadt." Noch vor einigen Jahren sei das undenkbar gewesen, so Hussein.
Im Kampf gegen die Islamisten bekommt die somalische Regierung Unterstützung durch die Somalia-Mission der Afrikanischen Union AMISOM - und aus Washington. Die USA fliegen Drohnenangriffe gegen Stellungen der Aufständischen. Vergangene Woche wurde dabei auch Al-Shabab-Kommandeur Yusuf Dheeq getötet. Ein wichtiger Schlag gegen die Miliz, sagt Analyst Andrews Atta-Assamoah. "Al-Shabab ist geschwächt, sie haben an territorialer Kontrolle verloren und an Mobilität. Aber sie sind nicht aus dem Rennen. Sie sind es, die die Sicherheitslage diktieren, und sie werden mitentscheiden, ob 2016 Wahlen stattfinden".
Machtkampf zwischen Premier und Präsident
Noch sei die Regierung nicht stark genug, um die Lage in den Griff zu kriegen, sagen Beobachter. Und das liegt auch an Präsident und Premierminister. Denn der Machtkampf zwischen den beiden starken Männern im Staat hat in Somalia schon Tradition und das Gerangel blockiert wichtige politische Entscheidungen. Der aktuelle Präsident, Hassan Sheikh Mohamud, ist seit September 2012 im Amt. Premier Sharmake wurde erst vor zwei Monaten ernannt, aber er ist schon der dritte Ministerpräsident in etwas mehr als einem Jahr. Und auch dieses neue Verhältnis ist alles andere als konfliktfrei. "Auch wenn der Präsident formal den Premier ernennt, ist der Premier derjenige, der wirklich das Sagen hat im Land", meint Andrews Atta-Asamoah. "Aber jedes Mal, wenn der Premier aktiv und mit starker Hand regiert und damit den Präsidenten in den Schatten stellt, kommt es wieder zu Machtstreitigkeiten". Ost-Afrika Analyst Tres Thomas formuliert es auf der Webseite "Somalia Newsroom" so: "Das Kabinett ist das Kind vom Premier und Präsident - und wenn die Scheidung ansteht, bekommt der Präsident das Sorgerecht."
Das Geld wird knapp
Auch der internationalen Gemeinschaft muss das Kabinett jetzt zeigen, dass es sich lohnt, das Land weiter zu unterstützen. Somalia hängt am Tropf ausländischer Geber, darunter die UN und die EU.
Ihre Handlungsfähigkeit kann die neue Regierung jetzt direkt unter Beweis stellen. Eine Großbank in den USA hat angekündigt, die Zusammenarbeit mit wichtigen Geldtransferdiensten einzustellen. Somalia hat kein offizielles funktionierendes Bankensystem, Somalis in der Diaspora schicken Geld an Familie und Freunde deshalb über Transferdienste wie Western Union. Pro Jahr sind das mehr als eine Milliarde Euro - und damit mehr als das, was als offizielle Entwicklungshilfe ins Land kommt. Über die betreffende Bank werden allein 80 Prozent der Überweisungen aus den USA getätigt. "Die Mehrheit der Somalis hängt von diesen Geldtransfers aus dem Ausland ab. Wenn die USA diese Dienstleistung stoppen, dann können die Menschen hier nicht überleben", sagt DW-Korrespondent Mohammed Hussein. Somalia verhandelt deshalb jetzt auf höchster Ebene mit der Regierung in Washington. Noch fließt das Geld.