Im Zeichen der Kartoffel
7. Januar 2008Das Etikett des Arme-Leute-Essens werden Kartoffeln einfach nicht los. Und so wundert es nicht, dass die wohlhabenden Industriestaaten 300 Jahre nach dem Siegeszug der Kartoffel das Interesse an dem Grundnahrungsmittel verlieren – zumindest in seiner schlichten, unverarbeiteten Form. Gleichzeitig ist die Kartoffel aber dabei, den großen Rest der Welt zu erobern – vor allem die Entwicklungsländer, meint Ne Bambi Lutaladio von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen in Rom, der das "Jahr der Kartoffel" koordiniert. "Kartoffeln werden weltweit angebaut und sind nach Getreide, Reis und Mais das Grundnahrungsmittel Nummer 4 mit 315 Millionen Tonnen pro Jahr, wovon die Hälfte in Entwicklungsländern geerntet wird", so Lutaladio. Inzwischen sind China und Indien die größten Kartoffel-Produzenten weltweit.
Und obwohl der Verbrauch von Kartoffeln in Europa noch immer am höchsten ist, hat sich der Verbrauch in Ländern wie Afrika, in denen die Kartoffel auf dem Speiseplan bisher keine große Rolle spielte, in den letzten zehn Jahren verdoppelt. Im Jahr 2005 verputzte der Durchschnittseuropäer 96 Kilogramm Kartoffeln pro Jahr – der Durchschnittsafrikaner lediglich 14 Kilo. Doch wenn es nach den Experten der Welternährungsorganisation FAO geht, soll sich dieser Anteil deutlich erhöhen – vor allem, weil die Anbaueigenschaften und die Inhaltsstoffe von Kartoffeln wie gemacht dafür scheinen, die Ernährungsprobleme in Entwicklungsländern zu bekämpfen.
Viel Nahrung auf wenig Acker
"Kartoffeln machen Hungrige satt. Sie sind ideal dort, wo Ackerland knapp ist", sagt Ernährungsexperte Ne Bambi Lutaladio. Zudem entstehe durch Kartoffelanbau viel Nahrung in kurzer Zeit - zum Teil kann man Kartoffeln schon nach 90 Tagen ernten. "Außerdem sind sie eine gute Energiequelle, enthalten viel Vitamin C, wenig Fett, viel Kalium und Calcium in ausgewogenem Verhältnis."
Dabei war es bis vor wenigen Jahrzehnten gar nicht möglich, Kartoffeln in tropischen Klimazonen anzubauen. Doch durch intensive Züchtungsforschung gibt es mittlerweile für jede Klimazone geeignete Kartoffelsorten. Allerdings birgt der massenhafte Anbau von Kartoffeln auch Gefahren: Wenn nur wenige Sorten in großen Mengen angebaut werden, sind sie leichte Beute für Schädlingsinsekten und Pflanzenkrankheiten.
Fruchtwechsel gegen Pilzbefall
Genau dies hatte in Irland in den 1840-er Jahren zu verheerenden Hungersnöten geführt: Die Iren hatten nur einige wenige Kartoffelsorten abgebaut, die aber 80 Prozent der Nahrungsgrundlage ausmachten – und die dann einer Pilzerkrankung zum Opfer fielen. Um den Kartoffel-Krankheiten die Grundlage zu entziehen, darf die Knolle nicht jedes Jahr auf demselben Acker anbaut werden, die Bauern müssen die Fruchtfolge wechseln, so Lutaladio. "Außerdem muss man die genetische Vielfalt der verschiedenen Kartoffelsorten nutzen und resistente Sorten verwenden – und mit den Methoden der integrierten Schädlingsbekämpfung arbeiten."
Gerade in den Entwicklungsländern werden zur Bekämpfung von Schädlingen und Krankheitserregern der Kartoffeln große Mengen giftiger Pestizide verwendet. Die UN fördert daher Feldschulen für Bauern, in denen sie lernen, Schädlingsinsekten mit Insektenfallen und natürlichen Feinden wie parasitischen Wespen zu bekämpfen. Mit diesen Methoden lässt sich der Einsatz von Pestiziden deutlich verringern.
Frittiert dann doch nicht so gesund
Für die UN-Ernährungsexperten ist die Ausbreitung der Kartoffeln also eine gute Chance, den ständig wachsenden Hunger der Weltbevölkerung zu stillen. Einziger Nachteil des Knollengemüses: Je nach Verarbeitungsmethode machen sie nicht nur satt, sondern auch dick. Gerade in den Städten der aufstrebenden Schwellenländer wie China und Indien hält die Kartoffel Einzug – nicht immer in ihrer gesündesten Form, sagt Ne Bambi Lutaladio. "Das Problem ist aber, dass frittierte und gebratene Produkte Übergewicht und Herzkreislauf-Erkrankungen erhöhen. Deshalb sollten Kartoffeln besser gekocht gegessen werden, dann sind sie gesund und nahrhaft."