Eine Russin bekämpft die "Internet-Trolle"
25. Juni 2015"Eine Schlacht ist gewonnen. Der Krieg aber ist noch lange nicht vorüber." Mit diesen Worten beschreiben die Aktivistin Ludmilla Savchuk und ihr Rechtsanwalt Ivan Pavlov ihren Kampf gegen die in Sankt Petersburg ansässige Agentur "Internet Research", die so genannte "Internet-Trolle" einsetzt. Das sind bezahlte Journalisten, die Chaträume im Internet mit Propaganda des Kremls überfluten und die jeweiligen Diskussionen so in eine dem offiziellen Russland genehme Richtung lenken wollen.
Zusammen mit anderen Aktivisten wollte Savchuk Licht in die bislang wenig bekannte Arbeit der "Troll-Fabrik" bringen. Zu diesem Zweck war sie von Januar bis März dieses Jahres bei "Internet Research" angestellt. Anschließend verklagte sie das Unternehmen wegen Verstößen gegen das Arbeitsrecht. Diese Woche trug ein Petersburger Gericht den beiden Parteien auf, sich außergerichtlich zu einigen.
Savchuks Anwalt Pavlov erklärt, die Anordnung des Gerichts sei gut für seine Mandantin. "Und zwar nicht nur, weil es bestätigte, dass Ludmilla für das Unternehmen arbeitete. Und nicht nur, weil das Unternehmen anerkannte, dass es die Angestellten nicht angemessen honoriert hat. Sondern vor allem, weil Ludmilla nun eine gute Ausgangsbasis hat, um weiter gegen das Unternehmen zu kämpfen."
"Unverfrorene Propaganda"
Savchuk erklärt, sie habe eine Organisation mit dem Namen "Shirokiy Mir" ("Breite Welt") gegründet. Deren Ziel sei es, die Troll-Fabrik zum Aufgeben zu zwingen. Auch ein Teil ihrer Abfindung - der Lohn für mehrere Wochen Arbeit und umgerechnet 165 Euro Entschädigung - sollen diesem Zweck dienen. "Und ein bisschen bleibt für mich selbst", sagt sie im Gespräch mit der DW.
Savchuk wurde aktiv, weil sie sich über die "unverfrorene Propaganda" ärgerte, die "von überall, vor allem aber von den Trollen aus Sankt Petersburg kommt".
Ihre Arbeit sei nicht ohne Gefahr, erklärt ihr Anwalt Pavlov. "Ich denke, diese Arbeit ist ziemlich riskant. Aber nur Offenheit, Transparenz und Licht werden die Trolle aus dem Dunkeln vertreiben und ihnen einen Teil jener Kraft nehmen, die sie im Dunkeln zu haben scheinen."
"Internet Research" will Geschichte aus der Welt schaffen
Zum ersten Verhandlungstag entsandte die Agentur keinen Vertreter. Zum zweiten schickte sie eine Juristin, Yekaterina Nazarova. Sie erkennt die Ansprüche gegen die Agentur zwar an. Sie frage sich aber, warum die Klägerin seit Monaten nicht zur Arbeit erschienen sei und kein ärztliches Attest vorgelegt habe. Savchuk behauptet, sie sei für ihre Arbeit nicht bezahlt worden.
Dennoch will die Agentur Savchuk eine Entschädigung zahlen - für Rechtsanwalt Pavlov ein Hinweis, dass das Unternehmen das kleinere Übel wähle und nun hoffe, dass die Geschichte damit bald aus der Welt verschwinde.
"Ich glaube aber nicht, dass das so bald der Fall sein wird", erklärt Pavlov. "Dies ist bloß der erste Schritt in einem viel größeren Prozess. Ludmilla will weitermachen, und wir haben schon ein paar Ideen für unsere Strategie." Die dürfte zum Beispiel darauf hinauslaufen, nach Verstößen gegen das russische Gesetz zu forschen - nach Delikten wie etwa Anstiftung zu Hass oder Diskriminierung.
Missbrauch der Informationsfreiheit
"Dieses Unternehmen missbraucht die Informationsfreiheit", sagt Pavlov. "Formal ist das, was sie tun, natürlich legal. Es verstößt nicht gegen das Gesetz, Personen dafür zu bezahlen, dass sie sich an der Kommunikation in Internetforen beteiligen - es sei denn, der Inhalt ist nicht in Ordnung. Es ist schwierig, jeden einzelnen Eintrag zu beurteilen. Aber nach dem, was ich höre, ist es ziemlich klar, dass sie gegen das Gesetz verstoßen haben."
In den kommenden Tagen wollen Savchuk und Pavlov Rechtsanwältin Nazarova, die juristische Vertreterin der Agentur, wieder treffen. Am 2. Juli soll dann eine endgültige Einigung erzielt werden.
Wie viele Personen die Agentur beschäftigt, ist nicht bekannt. Pavlov sagt, er habe von Schätzungen gehört, die von 200 bis 400 Personen ausgehen. Auch wer ihre Honorare zahlt, weiß niemand. Savchuk sagt, die meisten Angestellten seien Studenten. Diese hätten in verschiedenen Gruppen an verschiedenen Projekten gearbeitet. Sie selbst habe an der Website Live Journal gearbeitet, einer in Russland beliebten Blogger-Seite. Andere arbeiteten auf den Seiten sozialer Netzwerke wie Facebook oder dessen russischer Entsprechung Vkontakte und Odnoklassniki. Andere wiederum hätten auf Twitter und YouTube gearbeitet.
Furcht vor Vergiftung des öffentlichen Klimas
Ihre Chefs, berichtet Savchuk, hätte sie nie gesehen. Anweisungen wären in schriftlicher Form über das Internet gekommen. Jeden Tag hätten bestimmte Quoten erfüllt werden müssen. Manchmal hätten sich die Trolls als Journalisten ausgegeben, manchmal auch als Oppositionskämpfer, die auf gefälschten ukrainischen Webseiten schrieben.
Die Studenten erhielten ein Honorar von umgerechnet 820 Euro im Monat. "In bar und ohne dass Steuern darauf gezahlt wurden", berichtet Savchuk.
Savchuk sorgt sich, dass der im Internet verbreitete Hass auch in den Alltag eindringen könnte - eine Sorge, die auch Pavlov teilt.
"Das einzige, was ich will, ist, mein Land besser zu machen", sagt Savchuk. "Die Russen denken derzeit nicht immer klar. Ich hoffe aber, dass sich das in Zukunft wieder ändern wird", meint die junge Frau. Vielleicht wird ihr Rechtsstreit zumindest dafür sorgen, dass die Welt etwas mehr über die bezahlten "Internet-Trolle" Russlands erfährt.