Die Stunde der Opposition?
14. November 2014Erst gab es Applaus, dann stimmten die rund 80 Delegierten spontan die Nationalhymne an. Die Vertreter der Armee, der politischen Opposition und nichtstaatlicher Organisationen hätten einstimmig eine Charta zur Bildung einer zivilen Übergangsregierung angenommen, verkündete der Präsident der Versammlung, Henry Yé.
Nach Angaben von Teilnehmern soll nun ein spezielles Wahlgremium einen zivilen Übergangspräsidenten bestimmen, der wiederum einen Regierungschef einsetzt. Dieser soll dann ein 25-köpfiges Interimskabinett führen. Ein Übergangsparlament, der 90 Sitze zählende der "Nationale Übergangsrat", soll ebenfalls in ziviler Verantwortung liegen. Die Armee, so sagte der gegenwärtige provisorische Staatschef Oberst Isaac Zida, habe gegenüber ihren ursprünglichen Plänen eine "Reihe von Zugeständnissen" an die zivilen politischen Kräfte gemacht und einzig "im Interesse von Burkina Faso" gehandelt.
Ende Oktober hatte das Militär in dem westafrikanischen Land die Macht übernommen, nachdem der bisherige Präsident, Blaise Compaoré, unter dem Druck von Massenprotesten nach 27 Jahren an der Macht zurückgetreten war. Auslöser der Proteste war eine geplante Verfassungsänderung, mit der sich der Staatschef eine weitere Amtszeit sichern wollte.
Erst der Sturz, dann die Planlosigkeit
Nun könnte die Stunde der Oppositionsparteien geschlagen haben. Adama Kanazoe ist Vorsitzender der oppositionellen "Allianz der Jugend für die Unabhängigkeit der Republik". Er spricht von einem "außergewöhnlichen" und "historischen" Tag. Das Abkommen zur Bildung einer Übergangsregierung sei ein Zeichen für die "Reife" des afrikanischen Staates. Wie reif seine und andere Oppositionsparteien sind, ist aber fraglich. Im vergangenen Monat hätte seine Partei schlicht nicht mit einem Sturz des Präsidenten gerechnet und sei deshalb auch nicht vorbereitet gewesen auf diese Situation, gibt Kanazoe offen zu. Die Hauptforderung der Opposition sei ursprünglich nur gewesen, dass Compaoré bei der im kommenden Jahr anstehenden Wahl nicht erneut antrete - und nicht etwa sein sofortiger Rücktritt. "Wir müssen erst einmal nachdenken", so der Politiker vor wenigen Tagen im Gespräch mit der DW.
Wie auch Vertreter anderer Parteien will Kanazoe zum derzeitigen Zeitpunkt weder einen Nachfolger für Compaoré vorschlagen, noch konkrete Forderungen für die langfristige Neuordnung Burkina Fasos stellen. Stattdessen sollten zunächst alle politischen Kräfte und das Militärs gemeinsam einen Kandidaten für die Übergangszeit finden. Darin sei sich die Opposition einig, "auch wenn jeder seine eigenen Ambitionen hat", wie Saran Sérémé, Chefin der oppositionellen Partei für Entwicklung und Wandel (PDC), erklärt.
Bleibt alles beim Alten?
Dass sich Burkina Fasos auf dutzende Parteien zersplitterte Opposition derzeit kaum mit konkreten Initiativen aus der Deckung wagt, überrascht Elke Erlecke, Leiterin des Westafrika-Programms der Konrad-Adenauer-Stiftung, nicht. Zum einen wolle keiner der ambitionierten Oppositionsführer Übergangsstaatschef werden, da ihn das von einer späteren regulären Kandidatur für die Präsidentschaft ausschließen könnte. Zum anderen hätten die meisten Parteien aber auch gar kein politisches Programm, für dessen Umsetzung sie nun werben könnten. "Die Programme enthalten hauptsächlich nur allgemeine Forderungen, wie Demokratie, Frieden oder Harmonie", erklärt Erlecke. Konkrete Vorschläge zur Armutsbekämpfung in einem der unterentwickeltsten Länder der Erde: Fehlanzeige!
Die meisten Parteien in Burkina Faso seien ganz auf ihre Führungspersönlichkeiten zugeschnitten, und dienten diesen als Mittel, um an die Macht zu gelangen, sagt Erlecke. Viele der heutigen Oppositionspolitiker, etwa Saran Sérémé und der Chef der "Union für Fortschritt und Wandel", Zéphirin Diabré, sind selbst ehemalige Mitglieder von Compaorés ehemaliger Regierungspartei, dem Kongress für Demokratie und Fortschritt (CDP). Ideologische Differenzen trennen Politiker und Parteien in Burkina Faso also kaum. So zollt selbst ein CDP-Vertreter den Demonstranten Respekt. Sie hätten "eine neue Seite in der Geschichte des Landes aufgeschlagen", seine Partei, die Jugend und die Zivilgesellschaft hätten "gemeinsame Ziele".
Der "Bürger-Besen" rüttelt wach
Dass alles beim Alten bleibt, bei so vielen Gemeinsamkeiten zwischen dem alten Regime und den Oppositionskräften, fürchtet Erlecke allerdings nicht. Denn in den vergangenen Jahren habe sich eine starke Zivilgesellschaft entwickelt, die auch die jüngsten Proteste angeführt habe, etwa die Bewegung "Le Balai Citoyen" ("Der Bürger-Besen"), die nicht von Politikern, sondern von zwei jungen Musikern angeführt wird. Ziel der Gruppe, die erst im vergangenen Sommer von einem Rapper namens "Smokey" und dem Reggae-Sänger "Sams'K le Jah" gegründet wurde, ist nicht weniger, als die "demokratischen Spielregeln in Burkina Faso wieder zu etablieren". Den Oppositionsparteien stehen diese Aktivisten dabei ähnlich skeptisch gegenüber wie dem alten Regime.
"Wer auch immer künftig das Land führen wird, muss sich mit diesen Organisationen und Bürgerinitiativen an einen Tisch setzen", sagt Elke Erlecke von der Konrad-Adenauer-Stiftung. Ein Weiterführen der alten Korruptions- und Vetternwirtschaft würden diese neuen Kräfte wohl kaum akzeptieren.
Der Bericht wurde am 14.11.2014 aktualiert.