Einkaufen ohne Plastik
28. April 2016Ein Student schlendert von Regal zu Regal. Auf einer schlichten Holzauslage liegen Kisten mit frischen Kräutern, unterschiedlich großen Kartoffeln und leuchtend grünem Gemüse. An der Seite hängt ein Schildchen mit der Aufschrift "Salat-Packpapier". Er bleibt kurz an einem Gestell mit Marmeladen- und Sirup-Einweckgläsern stehen. Sein Blick wandert hinter die Theke. Neben dem frisch duftenden Brot prunkt ein Metall-Kaffeespender wie aus einem waschechten Tante-Emma-Laden. Diverse Gewürze lagern in großen Boxen. Schließlich läuft er bis nach hinten zu einer riesigen Abfüllanlage für Trockenlebensmittel und schnappt sich einen Behälter. "Heute Abend gibt es Linsencurry", sagt er, und zapft sich die benötigte Menge ab.
Regional und saisonal
Gustav Michels ist das dritte Mal bei "Freikost Deinet". Vor zwei Wochen hat er sich vorgenommen, verpackungsfrei zu leben. Das habe er auch halbwegs durchgezogen. Selbst das Shampoo hat er durch selbstgemachte Haarseife ersetzt. Geschäfte wie dieses helfen ihm bei der Umsetzung. "Ich finde das Konzept super, ich versuche auch immer, nebenbei was zu optimieren, nachhaltiger zu leben." Der Agrarwissenschaftsstudent lebt vegan. Manchmal muss es abends auch schnell gehen, da gehe er auch zum 08/15-Supermarkt. Auf regional und saisonal legt der 19-Jährige aber viel Wert. Genau wie Familie Deinet.
Es sind nicht nur junge Leute, die den verpackungsfreien Bioladen in Bonn-Duisdorf besuchen. "Wir wollten das Konzept für jedermann anbieten, nicht nur für eine bestimmte Zielgruppe, die besonders stylisch oder modern unterwegs ist", sagt Tim Deinet. Dazu gehöre die Mutter genau wie der Alleinstehende, der portionsgerecht einkaufen möchte. Seit Mai 2014 setzt er mit seiner Frau Hilke den Traum von einem Laden um, in dem die beiden selbst gerne einkaufen würden. Die Idee, Lebensmittel lose zu verkaufen, brachte die Geografin vor ein paar Jahren aus Australien mit, wo es ähnliche Läden bereits gab. "Irgendwann hatten wir beide so viel Gehirnschmalz in die Umsetzung investiert, dass wir dachten, jetzt müssen wir es einfach ausprobieren." Gesagt, getan. Die beiden wurden zu Pionieren, was ein verpackungsfreies Bio-Vollsortiment angeht.
Kunden denken mit
Der Laden läuft. Er ist der einzige seiner Art in Nordrhein-Westfalen. Hülsenfrüchte, Müslizutaten, Pastasorten und sogar Bio-Süßigkeiten kann sich der Kunde in kleine Gefäße füllen. Das Gewicht des Behälters wird nachher abgezogen. Verpackungfrei geht natürlich nur da, wo es Sinn macht, sagt Deinet. Das Biofleisch wird auf dem Hof direkt vakuumverpackt und der Käse wird durch Folie geschützt. Großen Verpackungsmüll gibt es beim Käse aber nicht, dieser wird für den Kunden in Papier eingewickelt oder kann direkt ins eigene Glas befördert werden. Papiertragetaschen gibt es nur auf Nachfrage, mittlerweile seien seine Kunde auch ziemlich gut ausgestattet, sagt der Lebensmittelwissenschaftler.
So wie Sabine Köppelmann. Die Wohnberaterin hat Jutebeutel und eigene Gefäße dabei. Unpraktisch sei das nicht, "alles Gewohnheitssache". Sie möchte bewusster und reduzierter leben. "Wenn man zu Hause mal in seinen Mülleimer schaut, wundert man sich, wie viel selbst bei einem Ein-Personen-Haushalt zusammenkommt." Genau genommen sind es laut statistischem Bundeamt eine halbe Tonne Abfall pro Kopf im Jahr.
Einzig der finanzielle Hintergrund hindert einige der Kunden noch daran, ihre Lebensmittel komplett bei "Freikost Deinet " einzukaufen. Regional, bio und verpackungsfrei hat seinen Preis. Dem "Discounter-Bio" vertraut eine andere Kundin aber schon lange nicht mehr. "Wenn ich da einkaufe, schaue ich eher, ob die Sachen aus Deutschland kommen. Nicht ob da Bio draufsteht."
Nicht alle schaffen es
Mittlerweile gibt es ein gutes Dutzend solcher Läden in Deutschland - zum Beispiel in Kiel und Berlin. Viele sind noch in der Planung oder scheitern beim Crowdfunding. Handhabung und die damit einhergehenden Hygienevorschriften von unverpackter Ware sind ein echter Kostenfaktor, schließlich erledigen das normalerweise Maschinen. Dass das Konzept wirlich irgendwann zur Norm wird, ist wünschenswert, aber noch unwahrscheinlich. Hilke und Tim Deinet mussten bei ihren regionalen Zulieferern einiges an Überzeugungsarbeit leisten, um Lebensmittel in größeren Mengen als üblich zu erhalten.
Neben den regionalen und verpackungsfreien Waren bieten die beiden ihren Kunden noch etwas anderes: das Gefühl, einen kleinen Schritt für die Umwelt getan zu haben. Da kann die Plastiktüte einpacken.