Wissenschaftler legen NO2-Studie offen
2. Februar 2018Zu fünft saßen sie im Hörsaal 4 der Uniklinik RWTH Aachen vor den Journalisten, scharrten mit den Füßen und blätterten anfangs ein bisschen angespannt in ihren Unterlagen. Sie seien schon überrascht gewesen über die Reaktion in den Medien, meint der Ärztliche Direktor, Thomas Ittel. Es habe "gewisse hysterische Komponenten" in der Berichterstattung gegeben, "außerdem Verquickungen von Vorgängen, die nichts miteinander zu tun haben".
So stünde die Stickstoffdioxid-Studie in keinem Zusammenhang mit dem Diesel-Abgas-Skandal, auch nicht mit den Affenversuchen an einem Institut in den USA. Ihre Studie sei viel früher in Auftrag gegeben worden. Nämlich schon 2013 und 2014. Damals hatte die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) angeregt, den Grenzwert für Stickstoffdioxid, NO2, am Arbeitsplatz abzusenken, erläutert Stefan Uhlich, Dekan der Medizinischen Fakultät.
In Aachen sollten die Grundlagen für einen validen Grenzwert erarbeitet werden. Im Fokus standen dabei Menschen, die in ihrem Beruf regelmäßig Stickstoffdioxiden ausgesetzt sind - zum Beispiel LKW-Fahrer, KFZ-Mechaniker oder Schweißer. Die Probanden seien niemals gesundheitlich gefährdet gewesen, man habe sie nur kurz einer geringen Konzentration an NO2 ausgesetzt - geringer als sie an vielen Arbeitsplätzen ist.
Soweit so gut. Gesponsert wurde die Studie aber von der EUGT, der Europäischen Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im Transportsektor. Diese dubiose Lobbyvereinigung wurde 2007 von VW, Daimler, BMW und Bosch gegründet und 2017 aufgelöst. "Natürlich muss man genau hinschauen, wer der Geldgeber ist", sagt Thomas Kraus, Direktor des Instituts für Arbeits- und Umweltmedizin, der die Studie durchführte. Er gibt zu, dass "sie alle die EUGT nicht ausreichend hinterfragt" hätten.
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Kommentar: Gekaufte Tatsachen oder die Verquickung von Lobbyismus und Forschung
Sponsoren aus der Industrie sind die Regel
Aber so unglücklich es in diesem Fall gelaufen sei, die Studie entspräche der "guten wissenschaftlichen Praxis" und "Sponsoring durch die Industrie ist die Regel", sagt Uhlich und betont, dass die gute Kooperation zwischen Wirtschaft und Wissenschaft auch der Motor für die Innovationskraft in Deutschland sei. "Auch das Bundesministerium für Forschung und Bildung sagt - wir fördern nur, wenn ihr einen Industriepartner habt".
Doch bei jeder Wirtschaftsförderung sei Bedingung, dass nicht in die wissenschaftlichen Ergebnisse eingegriffen werden darf, sagt der Ethikkommissionsvorsitzende Günther Schmalzing. Dafür gebe es vier klare Regeln, die in jedem Vertrag mit dem Geldgeber stehen würden.
Erstens: Kein Einfluss auf das Studiendesign, zweitens: kein Einfluss auf die Studiendurchführung, drittens: die Ergebnisse unabhängig veröffentlichen, viertens: Transparenz, wer die Studie finanziert hat. Alle vier Regeln seien erfüllt worden, versichert Schmalzing. Dass die Förderer unlautere Ziele hatten, sagt er, war damals nicht erkennbar.
Sie hätten aus dieser Sache gelernt und würden in Zukunft systematischer schauen, wer der Förderer für eine Studie ist. Und was die Förderer danach mit ihren Ergebnissen machen.
Das klingt einsichtig, aber nicht reumütig, denn wissenschaftlich korrekt habe man gearbeitet. Georg Winkens, ein Proband der Studie, der während der Pressekonferenz eher mürrisch auf seinem Stuhl saß, polterte bei der einzigen Frage an ihn: "Ich halte die Diskussion für überhitzt, wir sollten die Kirche im Dorf lassen. Nein! Ich spüre keine Nachwirkungen!" Dem ist nichts hinzuzufügen.