Einstimmig gegen den IS
18. Dezember 2015Die Sitzung war so kurz wie erfolgreich. Innerhalb weniger Minuten hat der UN-Sicherheitsrat den neuen Friedensplan für Syrien gebilligt. Die 15 Staaten verabschiedeten einstimmig eine Resolution, die bereits für Januar die ersten Gespräche über einen Waffenstillstand und die Bildung einer Übergangsregierung vorsieht.
Entscheidend für diesen Erfolg war die Vorarbeit der New Yorker Syrien-Konferenz. Dort hatten sich die Teilnehmer zügig auf eine Resolution geeinigt, die kurz danach dem UN-Sicherheitsrat vorgelegt wurde. Die Beschlussfassung war auch darum von Bedeutung, weil sie von den fünf bisherigen Veto-Mächten getragen wurde.
Über den Text hatten die 17 Außenminister der internationalen Syrien-Konferenz, darunter auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, in New York seit dem frühen Morgen gerungen. Grundlage der Gespräche war ein Aktionsplan, der am 24. November in Wien beschlossen worden war. Dieser sieht Verhandlungen zwischen Syriens Machthaber Baschar al-Assad und der Opposition vor, die Bildung einer Übergangsregierung sowie Neuwahlen binnen 18 Monaten. Eine Resolution des UN-Sicherheitsrats dazu würde völkerrechtlich die Grundlage für den für Januar geplanten Beginn der Friedensverhandlungen bilden.
Kurz vor der Sitzung war eine eigentlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmte Aussage von US-Präsident Obama über seine künftige Syrien-Politik bekannt geworden. Die Vereinigten Staaten, hatte er in dieser Woche gegenüber einer kleinen Gruppe ausgewählter US-Leitartikler erklärt, würden keine Bodentruppen nach Syrien entsenden.
Indiskrete Leitartikler
Über das Gespräch im Weißen Haus war Vertraulichkeit vereinbart worden. Doch dann machte einer der Journalisten in einer Kolumne trotzdem Andeutungen über Obamas Position. Daraufhin fühlten sich auch andere Teilnehmer des Gesprächs nicht mehr zur Verschwiegenheit verpflichtet.
So ist von Obamas Absicht inzwischen auf den online-Seiten nahezu aller großen amerikanischen Tageszeitungen zu lesen. Erfahren kann man dort auch, warum der Präsident keine Bodentruppen einsetzen will: Der menschliche Blutzoll wäre einfach zu hoch. Er gehe, so soll Obama erklärt haben, bei einem Einsatz von Bodentruppen von durchschnittlich bis zu hundert toten US-Soldaten pro Monat aus. Hinzu kämen 500 Verwundete - ebenfalls jeden Monat.
Zudem käme das Unternehmen die USA teuer zu stehen: Zehn Milliarden US-Dollar, erklärte der Präsident, werde der Einsatz wohl Monat für Monat kosten. Den Gerüchten in der amerikanischen Presse zufolge erklärte Obama außerdem, dass ein Einsatz in Syrien womöglich auch eine Präsenz in anderen Ländern nach sich ziehen könnte, etwa in Libyen und im Jemen.
"Es kommt Bewegung in die Sache"
Hatten diese Bemerkungen Auswirkungen auf die New Yorker Syrien-Konferenz? "Es kommt etwas Bewegung in die Sache", hatte der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier seine Eindrücke nach Gesprächen mit seinen Kollegen aus dem Iran und den Vereinigten Arabischen Emiraten am Donnerstag in New York zusammengefasst. Das Dreier-Gespräch diente der Vorbereitung des Treffens der Außenminister von 17 arabischen und westlichen Staaten.
Die "Bewegung", von der Steinmeier spricht, könnte auf eine ganze Reihe von Faktoren zurückgehen. So verspüren sowohl die arabischen und westlichen Staaten wie auch Russland nach mehreren Attentaten des IS - etwa in Paris, in Beirut und in Form des Abschusses einer russischen Passagiermaschine auch auf dem Sinai - wachsenden Druck, der Terrororganisation entschlossener als bislang entgegenzutreten.
Bislang gab es unter den in New York versammelten Staaten kaum überbrückbare Gegensätze. So etwa in der Frage nach der politischen Zukunft von Bashar al-Assad; oder der, welche Teile der syrischen Opposition als "terroristisch" zu gelten hätten und welche nicht.
Und Saudi-Arabien, das seit einem guten dreiviertel Jahr im Jemen einen blutigen Krieg gegen die aufständischen, der Zusammenarbeit mit dem Iran verdächtigten Huthies führt, könnte zu der Einsicht gelangt sein, dass es Kriege gegen einen auf Guerilla-Taktiken setzenden Gegner so leicht nicht gewinnen kann - wenn schon im Jemen nicht, dann erst recht nicht in Syrien. Und auch Iran erkennt, dass er in Syrien militärisch nicht weiterkommt.
All dies könnte die Kompromissbereitschaft der in New York versammelten Staaten erhöht haben. Auch die bewaffnete syrische Opposition scheint ihre bisherige Strategie zu überdenken. Bislang ließ sie verlauten, sie bestehe auf der Absetzung Assads. Agenturberichten zufolge bereitet sie sich nun aber auf Gespräche mit der Regierung in Damaskus vor.
Ideologische Front gegen den IS
Diese Umstände veranlassen den politischen Kommentator Karim Barakat in der Zeitung "Al araby al-jadeed" zu vorsichtigem Optimismus. Zumindest eine Ansicht, vermutet er, könnte sich in absehbarer Zukunft durchsetzen: "Obwohl eine politische Lösung der Syrien-Krise noch nicht möglich ist, muss die Einhegung des IS in anderen Teilen der Welt über eine vereinte politische und militärische Front laufen. Sie könnte den IS schließlich vernichten."
Diese vereinte Front ist nicht nur aus militärischen Gründen unverzichtbar. Mindestens ebenso bedeutsam ist der Umstand, dass die Teilnahme arabischer, genauer: islamischer Staaten einer möglichen Koalition politische Legitimität verleiht. Einer solchen Koalition kann man schlecht vorwerfen, sie folge "imperialistischen" Zwecken oder sei gar eine Neuauflage der "Kreuzzüge".
Mehr als nur Al-Kaida und IS
Eine solche Koalition käme im Übrigen auch dem Bedürfnis sehr vieler Araber entgegen. Denn die, schreibt der Kolumnist Hisam Aitani in der Zeitung "Al Hayat" anlässlich von fünf Jahren "Arabellion", sehnten sich danach, der Welt eines zu zeigen: Dass sie zu mehr in der Lage seien, als so düstere und nihilistische Organisationen wie den IS und Al-Kaida in die Welt zu setzen.
Nun könnte sich diese Hoffnung erfüllen: Beide Parteien in Syrien, die Regierung Assad ebenso wie die bewaffnete Opposition, sind ohne Unterstützung von außen politisch kaum lebensfähig. Die Regierung stützt sich vor allem auf Russland und den Iran, während die bewaffnete Opposition teils auf den Westen und teilweise auf die Golfstaaten setzt. Wenn diese ihre Schützlinge nun dazu drängen, sich auf Verhandlungen einzulassen, können sie dem Ansinnen kaum etwas entgegen setzen.