Hertha patzt gegen Frankfurt
26. September 2020"Ich wär' gern weniger wie ich, ein bisschen mehr so wie du", heißt es im Lied "Wie ich" der Band "Kraftklub". Ein Lied, das Hertha BSC an diesem Freitag wohl zu seiner Hymne hätte erheben können. Gerne wäre man wie Gegner Eintracht Frankfurt als Sieger vom Platz gegangen. Stattdessen gewann die Eintracht zum Auftakt des 2. Spieltags der Fußball-Bundesliga verdient mit 3:1 (2:0). Gerne hätte man ähnlich effizient wie die Frankfurter seine Chancen genutzt, doch was auf Seiten der Gäste André Silva, Bas Dost und Sebastian Rode glückte, wollte Matheus Cunha, Krzysztof Piatek und Jhon Cordoba für Berlin nicht gelingen.
Und es geht sogar über das eine Spiel hinaus: Gerne hätte die Hertha wie die Eintracht in den vergangenen Jahren regelmäßig im Europapokal gespielt und hätte dort am liebsten wie die Frankfurter gemeinsam mit den Fans Gänsehautmomente in den K.o.-Runden erlebt, statt bereits in der Qualifikation oder der Gruppenphase auszuscheiden. Und ganz sicher und am allerliebsten (wenn es so ein Wort überhaupt gibt) hätte die Hertha wie Frankfurt mal das DFB-Pokal-Finale im Berliner Olympiastadion erreicht. Die Eintracht kam 2017 und 2018 in den Genuss und gewann den Pokal dabei sogar einmal. Die Hertha war noch nie im Endspiel, seit es in Berlin ausgespielt wird - und das ist immerhin schon seit 1985 der Fall. Und in dieser Saison war bereits in der 1. Runde gegen Außenseiter Eintracht Braunschweig Endstation.
Hertha trifft nur mit fremder Hilfe
Kurz gesagt: Die "alte Dame" Eintracht hat vieles, was die andere "alte Dame" Hertha gerne hätte. An diesem Freitagabend wurde dieses Missverhältnis quasi in einer 90-Minuten-Version aufgeführt: Frankfurt war in seinen Aktionen klarer, nutzte seine Chancen konsequenter und machte insgesamt weniger Fehler. Zur Halbzeit stand es bereits 2:0 für die Gäste. Der neue Hertha-Kapitän Dedryck Boyata hatte mit einer ungeschickten Abwehraktion einen Elfmeter verschuldet, den Silva sicher verwandelte. Kurz danach war es erneut Boyata, der im Kopfballduell gegen Dost, den Schützen zum 2:0, unterlag.
"In der ersten Halbzeit haben wir fast wie eine Schülermannschaft gespielt", schimpfte der neue Hertha-Torwart Alexander Schwolow nach dem Spiel im Interview mit DAZN. "Wir dürfen uns nicht so abkochen lassen. Insgesamt war es zu wenig heute."
Hertha-Trainer Bruno Labbadia sah das ähnlich: "Das war ein verdienter Sieg für die Eintracht, vor allem wegen der ersten Halbzeit", sagte er und wusste auch, was der Gegner seinem eigenen Team voraus hatte. "Man hat heute die Körperlichkeit der Eintracht gesehen, die sie auch durch die Erfahrungen in Europa gesammelt hat. Das hat den Ausschlag gegeben."
Labbadia soll in Berlin - ausgestattet mit den Millionen des Investors Lars Windhorst - eine Top-Mannschaft aufbauen. Da seine Elf der 1. Halbzeit diesem Anspruch nicht gerecht wurde, wechselte der Coach zur Pause dreimal und erzeugte damit etwas mehr offensiven Schwung, doch ohne, dass etwas Zählbares dabei heraussprang. Als Rode in der 70. Minute einen Kunstschuss in Arjen-Robben-Manier zum 3:0 ins lange Eck setzte, war die Partie entschieden. Bezeichnenderweise fiel der einzige Hertha-Treffer durch ein Eigentor.
Einreißen, neu bauen
Nachdem der Saisonauftakt vergangenen Samstag mit dem 4:1-Auswärtserfolg bei Werder Bremen so gut gelang, ist die Hertha, die so gerne nicht nur mit dem Slogan "Big City Club" werben würde, sondern tatsächlich einer wäre, nun wieder hart auf dem Boden der Tatsachen aufgeschlagen. Wie gewonnen, so zerronnen, könnte man sagen. Oder wie die Band "Kraftklub" in der vermeintlichen Hertha-Frankfurt-Hymne singt: "Du bist gut so wie du bist, bleib' dir treu! Oder ich reiß' einfach alles ein und bau' die Scheiße neu."
Gegen Frankfurt hat Hertha BSC das umgesetzt - negativ. Die Chance, beim nächsten Mal etwas im positiven Sinne neuzubauen, gibt es für die Berliner am kommenden Wochenende. Allerdings heißt der Gegner dann FC Bayern München.
Das Spiel im Stenogramm:
Hertha BSC - Eintracht Frankfurt 1:3 (0:2)
Tore: 0:1 André Silva (30./Foulelfmeter), 0:2 Bas Dost (36.), 0:3 Sebastian Rode (70.), 1:3 Martin Hinteregger (76./Eigentor)
Zuschauer: 5000