REWE testet Plastiktüten-Alternative
6. November 2017129 Mehrwegnetze hat Klaus Yablonski schon verkauft. Er arbeitet in einem der 100 REWE-Märkte, die den kleinen, dünnen Obstplastiktüten den Kampf angesagt haben. Seit Anfang Oktober testet REWE in ausgewählten Filialen Mehrwegnetze an den Obst- und Gemüsetheken. Statt zu den dünnen Wegwerf-Plastiktüten zu greifen, sollen Kunden lieber ein Frischenetz kaufen und darin ihre Obsteinkäufe verstauen. Die Frischenetze sind aus stabilem Polyester gefertigt und eignen sich so für den Mehrfachgebrauch. So soll Plastik gespart und dem Kunden ein gutes Gefühl vermittelt werden.
Überall auf der Welt wird versucht, am Plastik zu sparen. Seit die Europäische Union beschlossen hat, den Tütenkonsum auf jährlich 40 pro Kopf zu senken, sind auch in Deutschland Plastiktüten aus vielen Supermärkten verschwunden oder kosten seither Geld. Manche Länder gehen sogar noch einen Schritt weiter: Kenia hat die Herstellung und die Einfuhr von Plastiktüten unter Strafe gestellt.
Plastik hat einen schlechten Ruf. Es vermüllt die Ozeane und soll zu Schäden führen, wenn es über kleine Partikel in den menschlichen Körper gelangt. Aktionen wie ein Mehrwegfrischenetz sind also bei Kunden beliebt - aber nicht unbedingt die Lösung, denn: "Auch das Mehrwegnetz ist aus Plastik hergestellt. Außerdem gibt es noch zahlreiche andere Dinge, die im Supermarkt in zu viel Plastik verpackt sind", sagt Frederik Wurm. Er forscht am Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz zu abbaubarem Plastik.
Keine schlechte Ökobilanz
"Die dünnen Plastikbeutel haben im Vergleich zu anderen Verpackungen die man da einsetzen könnte, eine sehr gute Ökobilanz. Auch eine Papiertüte schneidet in der Ökobilanz nicht besser ab", sagt auch Gerhard Kotschik. Er ist Verpackungsexperte beim Umweltbundesamt. Die Obstplastiktüten, auch Knotenbeutel genannt, sind aus sehr dünner Folie gefertigt und verbrauchen in der Herstellung kaum Ressourcen. Mehrwegalternativen wie Stoffbeutel oder auch das Mehrwegnetz sind aufwendiger in der Herstellung. "Stoffbeutel sind meist schwerer, da hängt die ganze Baumwollherstellung und Verarbeitung dran. Erst wenn man den Beutel sehr häufig verwendet, gleicht sich das wieder aus", erklärt Kotschik. Eine Mehrwegalternative rechnet sich also erst, wenn sie tatsächlich mehrere Dutzend Male verwendet wird - und das gilt auch für das Obstnetz aus Plastik.
Ebenso wichtig wie die Mehrfachverwendung sei die Entsorgung, meinen Wurm und Kotschik. "Wenn alles ordentlich entsorgt wird, sollten wir kein zusätzliches Müllproblem Problem haben, zumindest nicht in unserer westlichen Welt", sagt Wurm. Plastik sei vor allem dann bedenklich, wenn es unkontrolliert in die Umwelt gerate. Afrikanische Länder wie Kenia müssten auch deshalb Plastik verbieten, weil sie über kein gutes Recyclingsystem verfügten. Im Gegensatz dazu verbrauchen Südkoreaner sehr viel mehr Plastik als Deutsche, hätten aber auch ein sehr gutes Abfallmanagement.
Bewusstsein schärfen
Für Katharina Istel geht es bei den Mehrwegnetzen bei REWE aber nicht darum, eine ideale Lösung zu finden. Sie arbeitet beim Naturschutzbund Deutschland (NABU), der REWE bei der Einführung der Mehrwegnetze unterstützt: "Über das Material kann man streiten. Aber darum geht es ja auch erst einmal nicht. Es ist erst einmal toll, dass ein Unternehmen eine Mehrwegalternative in den normalen Einkaufsprozess integriert." Die Netze liegen griffbereit neben Obst und Gemüse und könnten sofort eingesetzt werden.
Auch Frederik Wurm plädiert für ein Umdenken: "Dieses Bewusstsein muss schon bei uns allen da sein. Plastik ist ein Wertstoff, das müssen wir irgendwie auch schätzen lernen. Das hat man früher wirklich gar nicht geschätzt, Plastik war ein Wegwerfprodukt im Übermaß." Allerdings sei Plastik auch zu Unrecht in Verruf geraten: "Man darf auch die guten Seiten nicht vergessen. Mein Hackfleisch möchte ich auf jeden Fall unter Schutzatmosphäre in Kunststoff verpackt haben, einfach aus Hygienegründen - also Kunststoff ist schon auch gut. Aber wie bei allen Dingen, man muss eben aufpassen, dass man es nicht verschwendet."