Einzelhandel: Mehrwertsteuersenkung verpufft

Die deutschen Einzelhändler haben im Juli 0,3 Prozent weniger eingenommen als im Vormonat, teilte das Statistische Bundesamt am Mittwoch mit. Preisbereinigt (real) fiel der Rückgang mit 0,9 Prozent noch größer aus. Von Reuters befragte Ökonomen hatten hier mit einem Wachstum von 0,5 Prozent gerechnet.

Am 1. Juli wurde die Mehrwertsteuer als Teil der Staatshilfen zur Bewältigung der Corona-Krise befristet bis Jahresende von 19 auf 16 Prozent gesenkt, wovon sich die Regierung eine Belebung des Konsums erhofft. Viele Händler haben versprochen, die Senkung an die Kunden weiterzugeben.

"Allerdings ist es zu früh, die Steuersenkung als unwirksam abzuschreiben", sagte der Ökonom der DZ Bank, Michael Holstein, angesichts der unerwartet schlechten Umsatzentwicklung. "Sie kann in den restlichen Monaten des Jahres noch einen positiven Effekt haben."

"Mehrwertsteuersenkung verlängern"

Der Handelsverband Deutschland (HDE) ist sogar dafür, die Senkung zu verlängern. Diese sei "ein positives Signal für die Konsumstimmung", sagte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. "Jedoch wird sie oft durch die Kaufzurückhaltung der Verbraucher in der Corona-Krise ausgebremst." Daher sei es wichtig, die Mehrwertsteuersenkung zu verlängern, um spürbare Effekte in einer Zeit nach der Krise zu erzeugen. "Dem einzelnen Händler bringt die Absenkung je nach Branche bisher wenig bis übersichtliche Impulse", räumte Genth ein.

In den ersten sieben Monaten des Jahres haben die Einzelhändler ihren Umsatz trotz der Corona-Krise um 3,8 Prozent gesteigert. Allerdings gilt das nicht für alle Branchen. So brach das Geschäft mit Textilien, Bekleidung, Schuhen und Lederwaren um 27,7 Prozent ein, während der Internet- und Versandhandel auf ein Wachstum von 20,6 Prozent kam. "Die aktuellen Zahlen zeigen, dass insbesondere der Bekleidungshandel weiterhin enorm unter Umsatzrückgängen leidet", sagte Genth.

Pleitewelle droht

Der HDE warnt vor einer Pleitewelle. Diese könnte vor allem dann eintreten, wenn eine weitere Welle von Corona-Infektionen einen erneuten Lockdown mit Geschäftsschließungen auslöste. Das hatte bereits im März und im April zu heftigen Umsatzeinbrüchen geführt. "Deshalb muss die Bundesregierung die Hürden für die Beantragung von Überbrückungshilfen absenken, ansonsten drohen in dieser Kernbranche für attraktive Innenstädte viele Insolvenzen und in der Folge verödete Stadtzentren", warnte der HDE-Hauptgeschäftsführer.

ul/dk (rtr, dpa, afp)