Knut und kein Ende
29. Mai 2009Es war einmal ein kleiner knuddeliger Eisbär, der lockte im Jahr 2007 mehr als drei Millionen Menschen in den Berliner Zoo. Doch "Knut", wie er liebevoll genannt wird, ist kein gewöhnlicher Eisbär. Sein Vater Lars war den Berlinern 1999 nur zu Zuchtzwecken vom Tierpark Neumünster in Schleswig-Holstein geliehen worden. Vertraglich wurde vereinbart, dass der erste, dritte, fünfte usw. von Lars gezeugte Nachwuchs automatisch in das Eigentum des Tierparks Neumünster übergeht - und Knut war der erste. Doch es kam alles ganz anders.
25 Lizenzen für Knut-Produkte
Als Knut im Dezember 2006 geboren wurde, konnte noch niemand ahnen, dass das Eisbärenbaby einmal ein Weltstar werden würde. Gleich nach der Geburt von Mutter Tosca verstoßen und vom inzwischen verstorbenen Pfleger Thomas Dörflein mit der Flasche aufgezogen, berührte das hilflose, tapsige Bärchen die Menschenherzen. Seine Bilder gingen um die ganze Welt. In Berlin wurde er zur Marke, der Zoo ließ den Namen Knut patentrechtlich schützen und erteilte mehr als 25 Lizenzen für Knut-Produkte. Sein Abbild findet sich auf Kalendern, T-Shirts und Stickern. Natürlich gibt es Knut auch als Plüschtier, und zum Kino-Star wurde er auch schon.
In der globalen Klimadebatte wurde Knut sogar zum Symboltier und Maskottchen der 2007 in Bonn durchgeführten Internationalen Artenschutzkonferenz. Der drollige Eisbär lockte innerhalb eines Jahres soviele Besucher in den Berliner Zoo, wie dieser es in seiner Geschichte noch nicht erlebt hatte. Der Zoo begeht übrigens in diesem Jahr seinen 165. Geburtstag.
Dank einer geschickten Vermarktung des Eisbären verdiente der Berliner Zoo mit dem Liebling von Kindern und Erwachsenen einige Millionen Euro zusätzlich. Manche Besucher reisten sogar aus den entferntesten Winkeln dieser Welt an, um das weiße Fellknäuel und seine Tollereien vor Ort zu erleben, und das Interesse hält bis heute an.
Das könnte auch ewig so weitergehen, wären da nicht die Ansprüche des Tierparks in Neumünster, der einen Teil vom großen Knut-Gewinn abhaben möchte. Weil niemand genau weiss, wie hoch die Mehreinnahmen durch Knut waren und der Berliner Zoo Angaben dazu verweigert, will Neumünster die Auskunft per Gerichtsbescheid erzwingen.
350.000 Euro - oder mehr
Die Sache klingt simpel, ist aber so kompliziert, dass die Verhandlung, die dazu unlängst stattfand, zweieinhalb Stunden dauerte und mehrfach unterbrochen wurde. Immer wieder versuchte der Richter die streitenden Seiten zu einer außergerichtlichen Einigung zu bewegen. Doch die kam bisher nicht zustande. Es ging schließlich zu wie bei einer Ablöseverhandlung um einen Fußballprofi. Die letzte Forderung Neumünsters lag bei 750.000 Euro, dann bei mindestens einer halben Million. Der Zoo will nur 350.000 zahlen und Neumünster soll auf das Eigentum an Knut und dessen Vater Lars verzichten.
Zoo-Anwalt Gabler machte schließlich deutlich, dass der Zoo als gemeinnützige Aktiengesellschaft Empfänger von Zuwendungen durch das Land Berlin sei und daher verpflichtet, “äußerst sparsam zu wirtschaften“. Die angebotenen 350.000 Euro seien eigentlich schon zu viel. “Da bleibt keinerlei Verhandlungsspielraum.“
Die "Früchte von Knut"
Richter Philip Hegermann bezweifelte allerdings, dass ein Eigentumsrecht über den Eisbären gleichzeitig auch an ein Verwertungsrecht der "Marke Knut“ gekoppelt sei. “Es geht hier um die Früchte von Knut“, sagte Hegermann. Auch andere Unternehmen hätten Markeneintragung im Zusammenhang mit Knut angemeldet, so etwa der Süßwarenhersteller Haribo und der Plüschtierfabrikant Steiff. Eigentümer und Urheber der Marke müssten nicht identisch sein. Auf diesen Einwand hin zeigten sich die Kläger aus Neumünster verhandlungsbereiter. Sollten sich die Parteien nicht einigen, bestünde noch die Option, Knut aus Berlin abzuziehen. Doch Tierpark-Chef Drüwa aus Neumünster versuchte, die Wogen wieder zu glätten. Die Option eines Abzugs von Knut stünde nicht zur Debatte.
"Knut forever"
Ein Weggang von Knut wäre für seine zahlreichen Verehrerinnen, die in den hinteren Reihen gespannt den Prozess verfolgten, unerträglich. Berlin solle doch was drauflegen, damit Knut bleiben könne, meinte eine Münchnerin, die einmal monatlich extra zum Knut-Besuch anreist. Die Initiative "Knut forever“ hat schon 28.000 Unterschriften für einen dauerhaften Berlin-Aufenthalt des Bären gesammelt.
Während Tierpark-Chef Drüwa aus Neumünster weiter auf konstruktive Gespräche setzt, gibt der Berliner Zoo-Chef Blaszkiewitz dagegen keinen Kommentar ab. Seine frühere Äußerung, dass Neumünster ein paar Pinguine bekommen könne und "die Sache“ dann erledigt wäre, kam bei den Neumünsteranern überhaupt nicht gut an.
Berlin und Neumünster wollen nun bis Mitte Juli weiter nach einer außergerichtlichen Einigung suchen. Bleibt dies bis Mitte August ohne Ergebnis, fällt das Gericht am 1. September ein Urteil.
Autorin: Sabine Ripperger
Redaktion: Wim Abbink