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Der Dalai Lama im Weißen Haus

19. Februar 2010

Für die Protokollbeamten war es wahrscheinlich ein Albtraum: wie und wo soll US Präsident Barack Obama den Dalai Lama begrüßen?

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Bild: DW

Einerseits hat bisher seit 1991 jeder US Präsident den Dalai Lama in Washington getroffen, anderseits ist die chinesische Regierung, die auf dem Mönch nicht gut zu sprechen ist, stets beleidigt, wenn ein Staatsoberhaupt dem Dalai Lama auch nur die Hand schüttelt. Und wenn das auch noch im Weißen Haus passieren soll, ist der diplomatische Spagat vorprogrammiert: man muss den Dalai Lama angemessen empfangen, dem amerikanischen Wähler signalisieren, dass man sich um die Meinung aus Peking wenig schert und der chinesischen Führung signalisieren, dass das alles gar nicht so gemeint ist.

Der politischen Kreativität sind in solchen Fällen keine Grenzen gesetzt: Empfang im Oval Office oder den Privaträumen, Rosengarten durchschreiten oder ein gemeinsames Pressestatement, TV Kamera oder nur ein Fotograf, gemeinsames Mittagessen oder nicht: die Spanne der Sympathiebekundungen im Weißen Haus ist breitgefächert. Und selbst kleine Veränderungen auf der nach oben offenen Protokollskala werden von Diplomaten schnell als politisches Erdbeben interpretiert.

Stephan Bachenheimer, DW-TV-Korrespondent in Washington
DW-Korrespondent Stephan BachenheimerBild: DW

So begrüßte US Präsident Bill Clinton den Dalai Lama zwar im Weißen Haus, aber nur in seinen Privaträumen oder weil er “zufällig” in die vereinbarten Treffen mit anderen Offiziellen hineinplatzte. Ein offizieller Termin mit Clinton wurde dem Dalai Lama nie gewährt, denn die chinesische Regierung sollte nicht unnötig provoziert werden. Präsident George W. Bush hingegen ging einen Schritt weiter und zeigte sich als erster Präsident mit dem Tibeter vor laufenden TV Kameras. Zudem verlieh er dem Religionsoberhaupt noch eine Medaille des US Kongresses. Damals zürnte China und die USA antworteten gelassen: so what? Und wie üblich war der rituelle Streit nach einem halben Jahr vergessen.

Präsident Obama hingegen, selbsternannter Botschafter politischen Wandels, zaudert mit dem Dalai Lama: bei einem Washington Besuch des Tibeters im Oktober letzten Jahres gab er dem Religionsführer einen Korb; aus Rücksicht auf einen anstehenden Staatsbesuch in China wurde ein Treffen verschoben. Und jetzt ließ er den Dalai Lama zu einem "privaten" Treffen nicht ins prestigeträchtige Oval Office führen, sondern in den "Map Room" des weißen Hauses. Dort wo Besucher zu einem freundlichen Plausch bei Tee und Gebäck eingeladen werden, ganz gleich ob es sich um Pfadfinder, Hollywoodschauspieler oder tibetische Gottkönige handelt. Auch TV Kameras waren nicht zugelassen, nur ein Foto vom gemeinsamen Plausch wurde veröffentlicht.

Das Aufatmen der chinesischen Führung war danach wohl bis nach Washington zu hören. Denn ohne TV-Kamera wurde das Treffen zu einem Nicht-Ereignis für die amerikanische Öffentlichkeit. Und gemessen an der Weisheit, dass “Diplomatie die Fähigkeit ist, so zu tun, als täte man nicht so” war der Besuch ein voller Erfolg. Zumindest für die chinesische Führung.

Autor: Stephan Bachenheimer
Redaktion: Manfred Böhm