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Elefanten in Thailand stürzen Dorf in ein Dilemma

Julian Küng aus Thailand
6. Juni 2018

Elefanten gehören zum Wahrzeichen des Urlaubsparadieses Thailand und werden sehr verehrt. Im Westen des Landes rund um den Nationalpark Thong Pha Phum sorgen die Dickhäuter jedoch für Schrecken und Trauer.

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Thailand Elefanten
Bild: Julian Küng

Eingebettet in scheinbar endlose Bananenfelder und Bergketten ist das verschlafene Thaidorf Baan Pa On eigentlich ein kleines Paradies. Das Dorfleben geht seinen gemächlichen Gang. Hin und wieder tuckert ein Roller über die kaum befestigten Straßen. Als Farang (Ausländer) wird man von den Einheimischen freundlich mit einem Lächeln begrüßt.

Aber der Schein trügt. Das Dorf hat seit mehreren Monaten mit einer wilden Elefantenherde zu kämpfen. Traurige Bilanz der letzten beiden Wochen: Ein Toter Familienvater und ein 73-jähriger Bauer, der schwer verletzt im "Bangkok Krankenhaus" in der Stadt Nakhon Phatom liegt.

Böller gegen Elefanten

Täglich durchquert eine Herde von etwa 30 Elefanten das Gebiet des Dorfes, um zum benachbarten Nationalpark zu gelangen. Anfänglich haben sich die Dickhäuter "nur" an den Bananenfeldern der Bauern zu schaffen gemacht. Das Problem konnte durch das Abholzen der Stauden kurzzeitig entschärft werden. Doch in letzter Zeit dringen vor Allem die neugierigen Jungtiere aus Spieltrieb in den Lebensraum der Menschen ein, wie die Dorfbewohner der Deutschen Welle berichten.

Thailand Baan Pha On Kanchanaburi
Kriegsrat im Dorf Baan Pha OnBild: DW/Julian Küng

Seither sind unter den Einheimischen Feuerwerkskörper ein Verkaufsschlager. Sieben Cent kostet ein China-Böller, den die Einheimischen nutzen, um die Wildtiere zu vertreiben, sagt der pensionierte Bürgermeister Narong Rang Sii. "Vor Allem die Baby-Elefanten haben sich aber daran gewöhnt und lassen sich nicht mehr davon beeindrucken." Die Dorfbewohner seien überfordert, sagt der von allen respektierte Mann.

Bürgerwehr gegen Elefanten

Den Einheimischen blieb deshalb nichts anderes übrig, als eine Bürgerwehr zu gründen, die die Elefantenherde überwacht und, wenn möglich, vom Dorf fernzuhalten versucht. Die rund 20-köpfige Gruppe besteht aus Bauern, Lehrern, einigen Wildhütern des Nationalparks und anderen Freiwilligen. Täglich um fünf Uhr Nachmittags treffen sich die Freiwilligen in einer Holzhütte nahe des Nationalparks Thong Pha Phum, wo die Handvoll Wildhüter hausen. Auf Nachfrage der DW, wie sie den Rüsseltieren die Stirn bieten wollen, öffnet ein Wildhüter schulterzuckend seine Munitionstasche. Mehr als eine kleine hölzerne Steinschleuder und Kieselsteine dürfen sie nicht einsetzen. Denn der Elefant wird in Thailand so verehrt wie in kaum einem anderen Land der Welt. Für die Monarchie ist der Elefant seit Jahrhunderten ein Statussymbol. Jeder König lässt beispielsweise Buch darüber führen, wie viele Elefanten er besitzt. Insbesondere weiße Elefanten stehen für die Stärke der Monarchie.

Thailand Poo Sungsa-ngaphum
Poo Sungsa-ngaphum wurde von den Elefanten schwer am Rücken verletzt. Seiner Familie und ihm drohen der finanzielle RuinBild: Julian Küng

Wie weit die Verehrung geht, zeigt der 73-jaehrige Poo Sungsa-ngaphum. Er ist den grauen Riesen nicht böse, obwohl sie den Bauern aus Bahn Pa On vor zwei Wochen beinahe umgebracht hätten. Er liegt mit schweren Rückenfrakturen im "Bangkok Spital" in der nächstgelegenen Großstadt Nakhon Phatom, weil die kleine Klinik in der Nähe des Dorfes mit seinen Verletzungen überfordert war. Doch Poo gibt sich selbstkritisch. "Ich habe gerade Gelbwurzeln ausgegraben, als mich eine Elefantenmutter von hinten attackierte" sagt er mit schwacher Stimme. "Ich war unvorsichtig. Als ich die Tiere entdeckte, war es bereits zu spät. Ich konnte nicht mehr wegrennen." Die drei Meter große Elefantenmutter zerdrückte seine Wirbelsäule. Ob der Bauer jemals wieder nach Gelbwurzeln graben kann, können die Ärzte nicht sagen. Seine Felder muss er schon jetzt zu einem großen Teil verkaufen, um die hohen Krankenhauskosten zu begleichen, verraten seine Verwandten der DW. Ein herber Schicksalsschlag für die arme Familie. Um ihn abzumildern, sammelt die Dorfgemeinschaft Geld.

Die Regierung bisher tatenlos

Noch schlimmer hat es den 54-jährigen Thamsin Ratanupappot erwischt. Der Familienvater versuchte vergangenen Sonntag zusammen mit Nachbarn die Elefantenherde vom Dorf fernzuhalten. Die zehn weiblichen Tiere und ihre Kälber ließen sich von den Steinschleudern aber nicht abschrecken. Stattdessen stürmten sie auf die Dorfbewohner los. Die anderen Freiwilligen konnten sich gerade noch retten. Thamsin aber geriet unter die tonnenschweren Tiere und wurde zu Tode getrampelt. 

Thailand Baan Pha On Kanchanaburi
In der Behausung der Wildhüter trifft sich jeden Abend die Gruppe Freiwilliger, um die Elefanten vom Dorf fernzuhaltenBild: DW/Julian Küng

Auf der Beisetzung im ortsansässigen Tempel lässt die Witwe des Verstorbenen ihrem Kummer freien Lauf. "Der Tod meines Mannes darf nicht ohne Folgen bleiben. Die Regierung muss nun endlich etwas unternehmen, um die Tiere und die Dorfbevölkerung zu schützen."

Doch wie das konkret möglich sein soll, weiß auch im Dorf niemand. Den Elefanten mit größerem Kaliber zu Leibe zu rücken, wollen die tief religiösen Buddhisten nicht. Zu groß ist der Respekt gegenüber den Elefanten, die Glück, Königlichkeit, Stärke, Fleiß und Intelligenz symbolisieren.

Um dem Bedürfnis der Bewohner nach Schutz und der Heiligkeit der Elefanten gerecht zu werden, hat der pensionierte Bürgermeister Narong Rang Si, die Forstverwaltung um Hilfe gebeten. Er hat beispielsweise den Bau eines Zauns zum Nationalpark vorgeschlagen. Die Anfrage sei aber schon lange anhängig, sagt Narong: "Ich gehe nicht davon aus, dass zeitnah etwas passieren wird." Zum einen, da die Verwaltung die Freiheit der Tiere nicht einschränken will, zum anderen aber auch, weil eine Einzäunung des Dorfes zu teuer ist. Ein rund 13 Kilometer langer Zaun würde knapp eine Million Baht (25.000 Euro) verschlingen. Viel Geld für eine Region, in der eine Mahlzeit gerade mal einen Euro kostet.

Thailand Waldhüter mit Steinschleuder
Dabei haben sie den Dickhäutern nicht mehr entgegenzusetzen als SteinschluedernBild: Julian Küng