Endlich - Berlin hat wieder sein Schloss!
22. August 2018Fortuna war immer bei uns, sagt Wilhelm von Boddien. Und dann lächelt er und freut sich. Das Berliner Stadtschloss steht. Gerade sind die Bauarbeiter dabei, die Gerüste im Schlüterhof abzubauen und den ungehinderten Blick auf dessen prächtig rekonstruierte Barockfassade freizugeben.
Ein gutes Jahr noch, und dann soll die Eröffnung 2019 gefeiert werden. Dann hat Berlin endgültig ein neues Wahrzeichen. Und gegenüber der Museumsinsel gibt es dann genug Raum für die außereuropäischen Sammlungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. "Humboldt-Forum" wird dieses Quartier heißen - ein Ort des internationalen Austausches und der Begegnungen der Kulturen soll er werden.
Ein lang gehegter Lebenstraum
Als Gymnasiast hat der in Norddeutschland aufgewachsene Wilhelm von Boddien das geteilte Berlin besucht. Danach begann er, sich intensiv mit preußischer Geschichte zu beschäftigen - und vom Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses zu träumen.
Im Krieg war das Gebäude schwer beschädigt und 1950 auf Weisung von Walter Ulbricht gesprengt worden. Wenige Jahre später wurde dann auf einem Teil des Areals der legendäre Palast der Republik gebaut.
Nach dem Fall der Mauer, als vieles plötzlich nicht mehr galt und Berlin neu gedacht wurde, ließ von Boddien, nun ein erfolgreicher Geschäftsmann, vor dem Palast der Republik grellgelb gemalte Barockkulissen aufstellen und entfachte damit eine der zähesten Debatten im soeben wieder vereinten Deutschland.
Als "Schlossgespenst" wurde er von den Medien verhöhnt, sein erklärter Plan, mindestens 85 Millionen Euro Spendengelder zur Unterstützung des Wiederaufbaus des Schlosses einzutreiben, milde belächelt. Aber Fortuna war immer bei ihm.
Und irgendwann waren Kommissionen, Jurys und der Bundestag sich einig: Der Abriss des Asbest-verseuchten Palastes der Republik und der Wiederaufbau des Stadtschlosses wurden beschlossen.
Das Schloss steht wieder
Seit der Grundsteinlegung sind fünf Jahre vergangen. In dieser Zeit ist - Stichwort Raub- und Beutekunst - viel über das künftige Humboldt Forum und den Umgang mit all den Artefakten aus Afrika, Asien und Südamerika debattiert worden. Aber das Schloss stellt keiner mehr in Frage.
Die kritischen Berliner haben es zu ihrer Sache gemacht. Flossen die Spendengelder aus der Hauptstadt anfänglich nur spärlich, so machen sie heute mehr als 50 Prozent aus. 85 Millionen Euro hat Wilhelm von Boddiens Förderverein bereits eingetrieben. Nur für die Kuppel, die das Schloss nun auch noch bekommen soll, fehlen noch 20 Millionen. Ende 2019 will Wilhelm von Boddien auch dieses Geld zusammen haben.
Was bislang gebaut wurde, können sich Interessierte am 25. und 26. August 2018 genauer ansehen, an zwei Tagen ist das Stadtschloss eine offene Baustelle. Zu besichtigen ist auf der einen Seite der nicht rekonstruierbare, weil ursprünglich arg verwinkelte Ostflügel, an dessen Stelle der italienische Architekt Frank Stella einen extrem nüchternen Betonriegel hat bauen lassen.
Und dann die anderen Flügel: Innen zumeist modern gestaltet, weitläufig, mit Rolltreppen und Klimaanlagen, aber an den Fassaden und vor allem im großen Innenhof, der nach seinem ursprünglichen Bauherrn Schlüter benannt ist, feinster Barock.
Aufwendige Arkaden und tiefe Laubengänge, Säulen, Friese, Girlanden, Löwenköpfe und Adler, ein gewitztes Mit- und Durcheinander, rekonstruiert nach alten Fotos, nach Farb- und Gesteinsresten. Alles von Robotern und erfahrenen Handwerksmeistern in die endgültige Form gebracht. Am Samstagnachmittag geben die Berliner Philharmoniker hier ein Konzert - gratis - die Eintrittsgelder sollen komplett dem Bau zugute kommen.
Auf der Zielgeraden
Noch ist auf der Großbaustelle im Zentrum von Berlin viel zu tun. Aber es geht gut voran, man liegt im Zeit- und Kostenplan von insgesamt 600 Millionen Euro. Das ist ein kleines Wunder, Wilhelm von Boddien ist mittlerweile 76 Jahre alt. Pünktlich zu Alexander von Humboldts 250. Geburtstag am 14. September 2019 will er Eröffnung feiern.