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Endspurt im afghanischen Wahlkampf

Waslat Hasrat-Nazimi11. März 2014

Nach dem Rückzug des Karsai-Bruders Kajum werden drei Kandidaten als Favoriten für die afghanischen Wahlen Anfang April betrachtet. In- und ausländische Beobachter hoffen auf einen vergleichsweise fairen Urnengang.

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(Kajum Karsai und Salmai Rassul Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Wenige Tage vor den Präsidentschaftswahlen in Afghanistan sehen Beobachter drei Bewerber in der Wählergunst vorn, aus einem Kandidatenfeld von ursprünglich elf. Eine mögliche Vorentscheidung fällte Kajum Karsai (im Artikelfoto rechts), der Bruder des Präsidenten Hamid Karsai, als er seine Kandidatur Anfang März zugunsten Salmai Rassuls (links) aufgab. Rassul ist ein enger Vertrauter und ehemaliger Außenminister von Karsai. "Es hat sich in den ersten Wochen des Wahlkampfs gezeigt, dass Kajum nicht ausreichend Stimmen mobilisieren konnte", sagt Nils Wörmer, Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kabul.

Möglicherweise habe Kajum Karsai von Anfang an geplant, sich einem Konkurrenten anzuschließen. "Damit ist jetzt klar, wer das politischer Lager von Hamid Karsai und sein Patronage- und Klientelsystem anführt", so Wörmer. Das sei Rassul, der die Interessen Karsais auch nach dessen Amtszeit weiter im vertreten werde, falls er in den Präsidentenpalast einzieht.

Abdullah Abdullah setzt auf Sieg

Neben Rassul zählen Experten Abdullah Abdullah und Ashraf Ghani zu den Favoriten. Der frühere Außenminister Abdullah Abdullah ist die Leitfigur des von ihm gegründeten Oppositionsbündnisses und spielte in der sogenannten Nordallianz am Ende der Taliban-Herrschaft eine wichtige Rolle. Er trat bereits 2009 bei der massiv gefälschten Präsidentschaftswahl an und kam auf den zweiten Platz. Dem Wahlsieger Karsai warf er Wahlbetrug vor. Dieses Jahr sind seine Anhänger zuversichtlich, sich durchsetzen zu können.

Abdullah Abdullah (Foto: AP)
Oppositionsführer Abdullah AbdullahBild: AP

Thomas Ruttig vom Afghanistan Analysts Network sieht Abdullah jedoch im Nachteil, weil seine Anhängerschaft weniger homogen sei als die von Karsai. "Abdullahs politisches Lager wird von einer relativ großen Zahl von Personen dominiert, die alle Führungsansprüche haben und sich nicht einigen können."

Ashraf Ghani sucht landesweit Unterstützung

Der Wirtschaftsexperte und frühere Finanzminister Ashraf Ghani schließlich bemühe sich landesweit um die Mobilisierung von Anhängern, sagt Ruttig. Mit Hilfe seines Vizepräsidentenkandidaten Abdul Raschid Dostum, eines umstrittenen Warlords aus dem Norden Afghanistans mit blutiger Vergangenheit, könnte Ghani auch in Gegenden fern seiner Heimatbasis punkten. "Die Frage ist aber, ob sich diese Zusagen von politischen und sozialen Gruppen auch in tatsächlichen Stimmen niederschlagen werden", räumt Ruttig ein.

Ashraf Ghani (Foto: DW)
Ashraf Ghani ist der Finanzexperte unter den KandidatenBild: DW

Eine Wahl wie keine vorher?

Während Präsident Karsai nach dem Sturz der Taliban zunächst von den USA als Präsident installiert wurde und dann seine Wiederwahl durch massive Manipulationen bewerkstelligte, soll die Wahl seines Nachfolgers fair und ohne Einmischung des Westens ablaufen. Zwar sehen Beobachter eine weit verbreitete positive Einstellung zu den Wahlen, aber viele Afghanen sind wegen der erwähnten Vorgeschichte auch skeptisch. Das versuchen die Taliban in ihrer Propaganda auszunutzen, die die Wahlen als vom Westen manipuliert darstellen.

Nils Wörmer von der KAS sieht die Haltung des Westens als neutral. "Sicherlich hätten wir Probleme, wenn jemand, der von Human Rights Watch als Kriegsverbrecher angesehen wird, Präsident würde." Mit Abdullah, Rassul und Ghani sei das aber nicht der Fall. "Sie haben zwar Warlords auf ihren Tickets, aber zumindest nicht als Präsidentschaftskandidaten."

Salmai Rassul auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2012 (Foto: dapd)
Salmai Rassul war bis zu seiner Präsidentschaftskandidatur AußenministerBild: dapd

Thomas Ruttig findet zudem, dass der Rückzug des Bruders des Präsidenten ebenfalls positiv bewertet werden kann: "So wird der Eindruck vermieden, dass Afghanistan von einer Dynastie regiert werden soll, wie es in vielen südasiatischen Staaten häufig der Fall ist." Die rege Anteilnahme der Afghanen an der politischen Debatte sei eine erfreuliche Entwicklung, die bei der letzten Wahl noch nicht ausgeprägt war.

Drohung der Taliban

Das bestätigt auch der afghanische politische Beobachter Miagul Wasiq. "Die Afghanen wissen, was auf dem Spiel steht, weil jetzt auch der Abzug der internationalen Truppen und ein möglicher Rückgang der Hilfsgelder anstehen", sagte er gegenüber der Deutschen Welle. Die Taliban haben unterdessen auf ihre eigene, zynische Art in den Wahlkampf eingegriffen: Am Montag (10.03.2014) spielten sie den Agenturen eine Erklärung mit einer "Warnung an die Bevölkerung" zu: Niemand solle sich durch Teilnahme an den Wahlen in Gefahr begeben.

Anordnung des Bürgermeisters von Kabul: Wahlkampfplakate sollen nicht an Wände von Privathäusern geklebt werden (Foto: DW)
Anordnung des Bürgermeisters von Kabul: Wahlkampfplakate sollen nicht an Wände von Privathäusern geklebt werdenBild: DW/H. Sirat

Politikexperte Miagul Wasiq sieht aber eine andere und vielleicht größere Gefahr: "Der Erfolg der Wahlen hängt davon ab, ob sie gerecht und fair verlaufen und dass es keine Möglichkeiten gibt, Wahlurnen zu fälschen oder Stimmen zu kaufen." Denn andernfalls wäre es gleichgültig, wer von den drei Favoriten das Rennen macht.