1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Energie und Geopolitik am Himalaya

Hans Spross
11. November 2018

China will auch Nepal an seine "neue Seidenstraße" anschließen und trifft dort auf viel positive Resonanz, aber Nepal will sich nicht allein auf China verlassen, wie sich am Beispiel Wasserkraft zeigt.

https://p.dw.com/p/37wcp
Nepal Marsyangdi Fluss Unteres Pisang Manang
Bild: Imago/imagebroker/F. Bienewald

Präsident Xi Jinpings auf globale Reichweite angelegtes Prestigeprojekt, die sogenannte "Belt and Road"-Initiative (BRI), ist in jüngster Zeit auf Widerstände gestoßen. Die angebliche "Win-win"-Situation für China und das jeweilige Partnerland wird nach jüngsten Regierungswechseln in Asien immer öfter bezweifelt. Manche Länder stellen sich die Frage, ob sie nicht in zu große Abhängigkeit von chinesischen Krediten geraten, und ob nicht vor allem chinesische Firmen und staatliche Interessen im Vordergrund stehen.

So wurden von der neuen Regierung in Pakistan Vorbehalte geäußert, dem Land, wo die Planungen und Investitionen für BRI bisher am weitesten gediehen sind; die neue Regierung Malaysias stieg aus mehreren Milliarden-Projekten mit China aus; auch Thailand und Myanmar gingen auf Distanz zu chinesischen Angeboten, Eisenbahnlinien bzw. Häfen auszubauen; und selbst der kleine Inselstaat Malediven will nach dem jüngsten Machtwechsel dort die bisherigen Abkommen mit China im Rahmen der BRI auf den Prüfstand stellen.

China K.P. Sharma Oli und Li Keqiang
Nepals Premier K.P. Sharma Oli und sein chinesischer Kollege Li Keqiang besiegeln ihre KooperationBild: Reuters/G. Baker

Nepal als "fester Partner" von Chinas BRI

Vor diesem Hintergrund ist eine aktuelle Erfolgsmeldung der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua, einem Sprachrohr der Parteiführung, über die Zusammenarbeit mit Nepal zu lesen. Demnach ist China dort zum größten ausländischen Direktinvestor noch vor Indien geworden. Beide Seiten würden jetzt an die Umsetzung ihres Verständigungsmemorandums vom Juni gehen. Mit Nepals Beteiligung an der BRI soll nichts Geringeres als ein "den Himalaya überspannendes, mehr-dimensionales Netzwerk der Konnektivität" entstehen, durch ein grenzüberschreitendes Straßen- und Schienennetz, Stromleitungen und Internetverbindungen.

Für all diese Projekte ist allerdings eine ausreichende und sichere Stromversorgung Voraussetzung, und daran hapert es in Nepal trotz seines gigantischen Potentials an Wasserkraft weiterhin. Deshalb will China auch in den Ausbau der Wasserkraft in Nepal investieren, was aber zum einen aufgrund der vielen Regierungswechsel der letzten Jahre in Nepal, und zum anderen wegen des Einspruchs von lokalen zivilgesellschaftlichen Interessenvertretern, etwa bei der Frage von Entschädigungen, keineswegs reibungslos verläuft.

Infografik Karte Bahnlinie Nepal-Tibet EN
Nach chinesischen Angaben soll die Eisenbahnverbindung Xigaze - Kathmandu 2022 fertiggestellt sein

Unsichere Mega-Kraftwerksprojekte

Dies gilt vor allem für groß dimensionierte Projekte wie das 1200-MW-Kraftwerk Budhi-Gandaki, womit sich die verfügbare Leistung Nepals fast verdoppeln würde. Nach mehrmaligem Hin und Her im Jahr 2017, ob man das Kraftwerk als "Projekt des nationalen Stolzes" lieber aus eigener Kraft stemmen oder es in die Hände der Chinesen geben sollte, hat sich die neue Regierung unter Ministerpräsident K.P. Sharma Oli (im Amt seit Februar 2018) Ende September entschlossen, das Projekt endgültig an die staatliche China Gezhouba Group Corporation zu vergeben. Das behaupteten zumindest nepalesische Regierungsvertreter, eine offizielle Bestätigung durch China steht noch aus.

Ein Xinhua-Bericht über ein nepalesisch-chinesisches Arbeitstreffen zur gemeinsamen Entwicklung des Stromsektors von Ende September erwähnte das Projekt Budhi-Gandaki nicht. Möglicherweise agieren die Chinesen nach ihren Erfahrungen mit "innenpolitischen Spielchen" (so die Formulierung der Nepal-Kennerin Julia Strasheim gegenüber der DW) in Nepal jetzt etwas vorsichtiger. Aus einem ähnlich großen Projekt im Westen des Landes, dem geplanten 750-MW-Kraftwerk West-Seti, haben sie sich nach mehrjährigen Verhandlungen bereits zurückgezogen.

Julia Strasheim, GIGA Hamburg
Nepal-Expertin Julia Strasheim von der Bundeskanzler Helmut Schmidt-Stiftung in Hamburg: "Nepal will seine Handels- und Wirtschaftsbeziehungen diversifizieren"Bild: GIGA Hamburg

Nepals Anlehnung an China

Trotz dieser Verzögerungen und Rückschläge gibt es Julia Strasheim zufolge "generell einen sehr großen Optimismus in Nepal gegenüber dem Nachbarn China." Die Befürchtungen und das Misstrauen gegenüber dem Aufstieg Chinas, die im Westen und inzwischen auch in Asien existieren, würden in Nepal nicht in demselben Maße geteilt. Im Gegenteil, wie Strasheim weiter erläutert: "Die Kooperation mit China im Rahmen der BRI ist sehr wichtig für die Regierung Oli. Er ist mit einem zentralen Wahlkampfversprechen angetreten: 'Ich schaffe politische Stabilität und wirtschaftliche Entwicklung.' Oli weiß natürlich, dass Nepal als eines der ärmsten Länder der Welt das nicht alleine leisten kann und daher verspricht man sich, von den Investitionen und der Infrastruktur zu profitieren."

Dass China Nepal für seine Sicherheitsstrategie und Tibet-Politik einspannt, ist die andere Seite der Medaille, wie Julia Strasheim klar macht: "China hat in den letzten Jahren, auch ihm Rahmen der BRI, für die nepalesische Armed Police Force (APF) eine Polizeiakademie gebaut. Die APF ist für die Grenzkontrollen zuständig, es gab gemeinsame Grenzkontrollen. Dahinter steckt ganz klar, dass man den Strom an Flüchtlingen aus Tibet nach Nepal bzw. durch Nepal nach Indien einschränken möchte."

Neujustierung der Beziehungen zu Indien

Weiteres zentrales Motiv der Regierung in Kathmandu bestehe darin, die Abhängigkeit von Indien reduzieren, erläutert Julia Strasheim: "Gerade erst vor zwei Jahren nach dem Erdbeben gab es eine Wirtschaftsblockade durch Indien und man hat gemerkt, als die Grenze zu war und nichts mehr ins Land kam, kein Kraftstoff, keine Medikamente, dass man vollkommen vom indischen Partner abhängig war. Die Wiederholung einer solchen Situation möchte man unbedingt vermeiden, und das verspricht man sich vor allem von der Anbindung an China."

Protest ethnischer und religiöser Minderheiten gegen Verfassungsänderung in Nepal
Blockaden an der Grenze zu Indien 2015 haben Nepal die Beziehungen zum südlichen Nachbarn überdenken lassen Bild: picture-alliance/AP Photo/Ram Sarraf

Anbindung an China heißt aber nicht Abwendung von Indien, dem nach wie vor größten Handelspartner Nepals. Gerade auf dem Gebiet der Stromversorgung spielt Indien in jüngster Zeit eine wichtige Rolle. Nepal mit seinem großen Leistungsbilanzdefizit will seine Wasserkraft auch für den Stromexport ausbauen, vor allem für den energiehungrige Nachbarn im Süden des Landes. "Nepal und Indien schaffen daher in kleinen Schritten die Infrastruktur für die Übertragung, also Umspannstation an der Grenze und die entsprechenden Anschlussleitungen, um den Export langfristig zu ermöglichen", erläutert Jürgen Welschof, Teamleiter für Energie Südasien bei der deutschen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) im Gespräch mit der DW.

Bislang allerdings importiert Nepal über diese Infrastruktur Strom aus Indien, was neben dem Zubau von weiteren Wasserkraftwerken in den letzten zwei Jahren zu einer spürbaren Verbesserung der Versorgungslage geführt hat, wie Welschof feststellt. In Kathmandu beispielsweise gebe es inzwischen viel weniger Stromabschaltungen.

Klein, aber fein: Deutschlands Beitrag

Wasserkraftwerk Middle Marsyangdi in Nepal
Erdbeben unbeschädigt überstanden: Blick in den Turbinenraum des deutschen Kraftwerks Middle MarsyangdiBild: KfW Bankengruppe/Lahmeyer International GmbH

Zur Verbesserung der Stromversorgung hat auch wesentlich das von der KfW und der Bundesregierung finanzierte Kraftwerk Middle Marsyangdi beigetragen, das 2009 in Betrieb ging und mit 70 MW Leistung weitaus bescheidener daherkommt als die mit China und auch Indien geplanten Mega-Projekte. "Wie in allen asiatischen Ländern gibt es in Nepal eine rasche Urbanisierung, die auch dazu beiträgt, dass der Stromverbrauch zunimmt. Den muss man aber nicht mit 1000-MW-Kraftwerken abdecken. Das könnte man mit kleineren Kraftwerken schaffen, es handelt sich nur um einige hundert Megawatt", sagt Welschof gegenüber der DW.

Immerhin habe man mit dem spitzenlastfähigen Kraftwerk am Mittellauf des zentralnepalesischen Marsyangdi-Flusses zehn Prozent zur installierten Leistung des Kraftwerksparks in Nepal beigetragen. Und nicht nur das: Das Kraftwerk hat das schwere Erdbeben von 2015, dessen Epizentrum ganz in der Nähe war, völlig unbeschadet überstanden. Einige andere Kraftwerke, die teilweise im Bau waren, seien sehr stark beschädigt worden. "Das Kraftwerk Middle Marsyangdi wurde noch nicht einmal notabgeschaltet, was man aus professioneller Sicht eigentlich hätte machen müssen. Was aber dazu beigetragen hat, dass zum Beispiel die Handynetze in Nepal nach dem Erdbeben noch funktionierten", worauf "wir ein bisschen stolz sind", sagt der KfW-Energieexperte für Süd-Asien.

Dr. Jürgen Welschof, KfW
Jürgen Welschof von der KfW: "Deutschland ist nur einer von mehreren Partnern, die helfen, Nepals Stromversorgung zu verbessern. Wir tun das auf vielen Gebieten, im Rahmen der begrenzten Mittel, die Deutschland zur Verfügung stellt."Bild: KfW Bankengruppe/Ann-Kristin Emden

Partnerschaft und Nachhaltigkeit

Auf die Frage, wie sich das Vorgehen und die Philosophie der KfW bei einem solchen Projekt etwa von einem großen chinesischen Kraftwerksprojekt unterscheidet, sagt Welschof: "Unsere Zusammenarbeit ist partnerschaftlich und auf Augenhöhe. Hiervon mag sich die Interessenlage bei Vorhaben, die durch andere Länder finanziert werden, unterscheiden. Wir stehen daher aus unserer Sicht mit solchen Projekten auch nicht in Konkurrenz."

Auch nach fast zehn Jahren Stromproduktion und dem Ablauf der Betreuung seien KfW und Bundesregierung immer noch aktiv, um einen möglichst langfristigen Betrieb des Kraftwerks, eines der größten Entwicklungsprojekte der KfW in Asien, zu unterstützen. An der Nachhaltigkeit hapert es nämlich, unter anderem wegen zu geringer Budgets des nepalesischen Stromversorgers NEA für Wartung und Betrieb - nicht nur dieses Projekts, sondern auch vieler anderer Kraftwerke und Stromleitungen.