Energierevolution mit Gesetz: Das EEG wird 20
24. August 2020DW: Warum war das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) weltweit so erfolgreich?
Hans-Josef Fell: Die entscheidende Grundlage des Gesetzes im Jahr 2000 war die feste Einspeisevergütung: Die Vergütung für den erzeugten Strom musste so hoch sein, dass eine Wirtschaftlichkeit erreicht werden kann.
Das war die Grundlage für den riesigen Erfolg. Wir haben differenzierte Vergütungssätze für alle erneuerbare Energien eingeführt, für Solar-, Wind-, Bioenergie, Wasserkraft und Geothermie. Und mit diesen Vergütungen kam der weltweite Durchbruch für die erneuerbaren Energien.
Wurde das deutsche Gesetz weltweit immer eins zu eins übernommen?
Nein. Es gab sehr unterschiedliche Übernahmen. In vielen Ländern war die Erfahrung sehr positiv. Am spannendsten war, dass dieses EEG mit seinen exakten Grundbegriffen von China übernommen wurde. Zuerst 2008 für die Windenergie, dann 2010 für die Solarenergie.
Das ermöglichte den größten industriellen Durchbruch. China wurde zum Weltmarktführer und die Basis dafür war der Binnenmarkt mit der festen Einspeisevergütung.
War China das erfolgreichste Land?
Ja. Es gab auch andere erfolgreiche Länder wie Spanien bis 2008, Tschechien, Italien, Länder in Südostasien und in Südamerika vor allem Chile und Uruguay. Überall gibt es gute Erfolge.
Dass EEG ermöglichte den Boom der erneuerbaren Energien in Deutschland. Allerdings brach die Dynamik ein. Ab 2013 wurden in Deutschland deutlich weniger Solaranlagen installiert und ab 2019 deutlich weniger Windräder. Was waren die Gründe?
Seit 2009 gibt es Gesetzesänderungen unter Kanzlerin Angela Merkel. Die Bedingungen für Investitionen wurden stetig verschlechtert. Mit dem Wechsel auf ein System mit Ausschreibungen haben sich die Bedingungen weiter fundamental geändert. Wer heute eine Windanlage bauen will, muss zuerst ein Angebot abgeben, um an Ausschreibungen der Bundesregierung teilzunehmen.
Und für so ein Angebot braucht es Vorleistung und viel Geld. Flächen müssen gesichert werden, es braucht Genehmigungen und genaue Kalkulationen. Ohne die Sicherheit einen Zuschlag zu bekommen, sind das 300.000 bis 400.000 Euro.
Solche Vorleistungen mit Risiko können nur große finanzstarke Unternehmen stemmen und nicht die Bürger-Energie-Gemeinschaften. Die waren aber die großen Treiber der erneuerbaren Energien. Sie konnten faktisch nicht mehr teilnehmen an den Ausschreibungen. Das war das Ende der Bürger-Energien.
Welche Bedeutung hatten in Deutschland diese Investitionen der Bürger?
Über 90 Prozent aller Investitionen in erneuerbare Energien wurden bis 2015 von den Bürgern gemacht. Das sind Privatleute, Genossenschaften, Landwirte, kleine Stadtwerke oder waren neue Unternehmen.
Nur fünf Prozent der Investitionen kamen von den vier großen Stromkonzernen in Deutschland, von E.ON, RWE, Vattenfall und EnBW.
Die Einspeisevergütung war auch eine kulturelle demokratische Revolution. Alle Menschen konnten nun in die Energieerzeugung investieren und die Energieversorgung nicht den großen Stromkonzernen als Monopol überlassen. Leider gibt es mit der Umstellung auf Ausschreibungen wieder ein Zurück zur Monopolisierung. Das ist das Ziel der Bundesregierung und der Konzerne.
Der Wechsel zu einem System mit Ausschreibungen wurde auch von vielen anderen Ländern übernommen. Was sind hier die Erfahrungen?
Eigentlich nur Negative. Zum Beispiel in der Ukraine: Dort gab es Einspeisevergütungen und das hat gut funktioniert. Im letzten Jahr wurde auf Ausschreibungen umgestellt und der Markt ist fast tot. Die Zuschläge für Projekte bekommen nur die großen Konzerne, die Oligarchen in der Ukraine.
Das gleiche sehen wir in Südafrika und ganz schlimm in Indien. In der letzten Ausschreibung bekamen den Zuschlag nur drei riesengroße Finanzkonzerne aus dem Ausland. Heimische Akteure kommen nicht mehr zum Zug.
Welche Konsequenzen fordern Sie?
Wir fordern ganz klar ein Zurück zur festen Einspeisevergütung. Bei sehr großen Anlagen, bei Solarparks mit einem Gigawatt Leistung oder großen Windparks im Meer können Ausschreibungen tatsächlich hilfreich sein.
Aber für kleinere Projekte der Bürger-Energie bis etwa 40 Megawatt brauchen wir wieder die festen Einspeisevergütungen.
Vor allem Solar- und Windkraft sollen die Energieversorgung decken. Doch dafür braucht es Speicher. Welche Lösung gibt es hier?
Zum einen brauchen wir die Investitionen in einzelne Technologien wie Solar, Wind, Bioenergie, Wasser, Erdwärme mit der Einspeisevergütung.
Nun können erneuerbare Energien mit Speichern aber auch Systemverantwortung übernehmen. Dazu brauchen wir Kombikraftwerke und dafür eine extra Vergütung. Die Betreiber der Kraftwerke stellen sicher, dass sie zu jeder Stunde des Jahres den Strombedarf vor Ort tatsächlich decken können und das zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien.
Der Energiemix ist frei, vor Ort sind die Möglichkeiten immer unterschiedlich. Und nach unseren Berechnungen reicht eine Vergütung von nur acht Cent pro Kilowattstunde aus.
Gibt es schon Kombikraftwerke?
Es gibt Objekte die vollständig zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energien versorgt werden. Es gibt tolle Lösungen mit Technologien wie Eis-Speicher, grünen Wasserstoff und Brennstoffzelle.
Dies sind aber meistens Pilotprojekte und sie sind jetzt im Markt noch nicht rentabel. Diese Situation gab es auch 2000 mit Solaranlagen: Da waren sie noch teuer.
Ich bin der festen Überzeugung, dass wir den gleichen Erfolg nun für Vollversorgungssysteme mit hundert Prozent Erneuerbaren schaffen können und dafür brauchen wir Vergütungen für Kombikraftwerke.
Wann könnte es so ein Gesetz geben?
In Deutschland gibt es für diesen Vorschlag Resonanz bei Verbänden und in der Politik. Wir hoffen auf eine Umsetzung mit der nächsten Regierung.
Derzeit stockt der Ausbau der erneuerbaren Energien. Das Ausbautempo muss mindestens um den Faktor Zehn höher sein, um die Pariser Klimaschutzziele einzuhalten.
Das Pariser Ziel ist die Begrenzung auf möglichst 1,5 Grad. Kann das noch gelingen?
Meine Zweifel werden größer. Ich sehe den politischen Willen kaum. Die Dominanz, die Korruption, der Lobbyismus des alten fossilen, atomaren Energieapparates ist stark. Das ist das Problem für gute Gesetze und schnelle Veränderungen.
Es kann aber gelingen. Technologisch und finanziell ist das möglich. Um die Erderwärmung bei 1,5 Grad zu stoppen, müssen wir spätestens 2030 bei einer bei einer emissionsfreien Welt sein. Das heißt: Ab dann steigt die Konzentration von Klimagasen in der Atmosphäre nicht mehr, wenn zusätzlich im großen Stil auch Kohlenstoffsenken geschaffen werden, könnte sie sogar sinken. Und da spielt die Energie die entscheidende Rolle.
Was können wir Bürger jetzt tun?
Zwei Sachen sind entscheidend. Erstens: Erneuerbare Energien sind heute die günstige Art der Energieerzeugung. Also selbst investieren und auch dann, wenn Knüppel in die Wege gelegt werden.
Das zweite ist politisch aufzustehen und die optimalen politischen Rahmenbedingungen einzufordern. Wenn beides zusammenkommt, dann haben wir den Durchbruch: Dann könnte in zehn Jahren eine Energieversorgung mit hundert Prozent erneuerbaren Energien vollendet sein. Und das weltweit.
Hans-Josef Fell ist ein Pionier der globalen Energiewende. Von 1998 bis 2013 war er Abgeordneter für Bündnis 90/Die Grünen im deutschen Bundestag. Als Mitautor des Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) legte er einen Grundstein für den globalen Ausbau der erneuerbaren Energien. Das EEG wurde in den Grundzügen weltweit von vielen Ländern übernommen. Durch den folgenden Boom wurden Solar- und Windstrom günstig. Fell ist Präsident des Think Tanks Energie Watch Group und ist weltweit als Botschafter für die globale Energiewende aktiv. Für sein Engagement erhielt er zahlreiche Auszeichnungen.
Das Interview führte Gero Rueter