Wende ja, aber anders
11. Oktober 2012"Wenn es eilig ist, soll man sich ausreichend Zeit nehmen." Mit diesem Satz beschrieb Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) am Donnerstag in Berlin sein weiteres Vorgehen beim Umstieg Deutschlands auf regenerative Stromerzeugung, der sogenannten Energiewende. Eilig ist es, weil der Minister derzeit Druck von allen Seiten bekommt. Vor allem eine wahrscheinliche, relativ hohe Strompreiserhöhung zur Jahreswende lässt viele Kritiker zu Wort kommen.
Ein Grund für den Anstieg ist die Förderung der Erneuerbaren Energien, die immer teurer wird. Der entsprechende Zuschlag wird wohl von 3,6 Cent pro Kilowattstunde auf 5,3 Cent steigen. Gleichzeitig ist die Zahl der Unternehmen, die von dieser Öko-Umlage befreit sind - wie Aluminiumhütten, aber auch Geflügelmastbetriebe - in diesem Jahr von 813 auf 2000 gestiegen. Deshalb werden die Stromunternehmen die Preise für den Endverbraucher, also den normalen Bürger, erhöhen.
Strom werde zum Luxusgut, kritisieren Vertreter der oppositionellen Linkspartei und der Wohlfahrtsverbände, aber auch Politiker aus den eigenen Reihen von CDU/CSU und FDP schlagen Gegenmaßnahmen vor. EU-Energiekommissar Günther Oettinger (CDU) sieht die Schmerzgrenze beim Strompreis in Deutschland erreicht. In den vergangenen Jahrzehnten seien die Kosten immer weiter erhöht worden, um Löcher im Haushalt zu stopfen und die Bürger zu Sparsamkeit zu bringen.
Kurzfristig will der Bundesumweltminister an der derzeitigen Situation nichts ändern. Vorschlägen, wie der Senkung der Stromsteuer zur Minderung des Preisanstiegs, hatte bereits Bundeskanzlerin Angela Merkel vor kurzem eine Absage erteilt.
EEG-Dialog bis zum Sommer 2013
Geregelt wird die Energiewende durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das im Jahr 2000 von der damaligen Regierung aus SPD und Grünen verabschiedet wurde. Altmaier sprach sich nun für eine grundlegende Erneuerung des Gesetzes aus. Und dafür will er sich Zeit nehmen, um es "gründlich und im Einvernehmen mit allen Beteiligten" zu machen. Von November bis Mai 2013 soll deshalb eine öffentlichkeitswirksame Gesprächsreihe, ein sogenannter EEG-Dialog stattfinden. Danach soll ein Gesetzesentwurf erarbeitet werden, der dann in den Bundestag eingebracht werden soll.
Altmaier möchte sich jedoch schon vorher mit den anderen politischen Parteien und den Bundesländern einigen, so dass ein Konsens hergestellt werden kann. Ein Zerreiben des Vorhabens im Bundesrat oder gar im Vermittlungsausschluss möchte der Minister so umgehen.
Der Entwurf wird dann allerdings mitten in die heiße Phase des Bundestagswahlkampfs platzen. Es ist daher unwahrscheinlich, dass eine EEG-Reform vor der Bundestagswahl im September 2013 auf den Weg gebracht werden kann. Auch ist Altmaiers angedachtes "konsensuales Verfahren" längst kein Garant für Erfolg. Ähnliches versuchte er in den vergangenen Wochen bei der Suche nach einem atomaren Endlager - die Opposition wollte sich darauf jedoch nicht einlassen und blieb den Gesprächen einfach fern. Auch ein eigentlich für Mittwoch geplanter Runder Tisch zur EEG-Reform kam nicht zustande.
"Es fehlen Steuerelemente"
"Das EEG war bisher ein Erfolgsrezept", sagte Altmaier. Bereits jetzt werde 25 Prozent des Stroms in Deutschland auf diesem Wege produziert. 50 Länder weltweit hätten sich am deutschen Weg ein Vorbild genommen und ähnliche Projekte auf den Weg gebracht. Doch nun habe sich die Situation geändert. Neben dem quantitativen Ausbau müssten nun auch der qualitative Ausbau, Fragen der regionalen Verteilung, des Netzausbaus und des Zusammenspiels mit konventionellen Kraftwerken geregelt werden. "In den letzten Jahren hatten wir keine Steuerelemente dafür", sagte Altmaier. Das hätte auch zu Fehlkalkulationen bei den Strompreisen geführt.
Das Ziel der Reform soll es sein, die Erneuerbaren Energien marktfähig zu machen, also Subventionen abzubauen. Die Bundesregierung hat deshalb schon vor kurzem die Förderung der Photovoltaik gedeckelt. Altmaier regte an, dies auch bei der Windenergie und der Biomasse zu tun. Trotz der Deckelung werde Deutschland wohl sein Ziel, im Jahr 2020 insgesamt 35 Prozent erneuerbaren Strom zu nutzen, schon vorher erreichen, so Altmaier. Deshalb könne dieses Ziel auch maßvoll auf 40 Prozent angehoben werden.