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Entflohene Gefangene bedrohen Frauen in Haiti

29. Januar 2010

Obdachlose Frauen werden zunehmend Opfer von Gewaltangriffen durch aus den Gefängnissen geflohene Verbrecher. Frauenorganisationen in der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince haben die Vereinten Nationen alarmiert.

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Ein Polizist bedroht Plünderer mit einer Waffe (Foto: AP)
Die Polizei kämpft gegen Plünderer und GewaltverbrecherBild: AP
Der haitianische Polizeichef Mario Andrésol (Foto: AP)
Der haitianische Polizeichef vermisst noch 500 seiner Mitarbeiter (Archivbild 2005)Bild: AP

"Wir haben fünf Jahre gebraucht, um sie zu fassen, und heute laufen sie frei herum und werden uns Probleme bereiten", sagte der haitianische Polizeichef Mario Andrésol am Donnerstag (28.01.2010). Er machte rund 7000 verurteilte Kriminelle für die Zunahme der Gewalt verantwortlich, die nach dem Erdbeben aus zerstörten Gefängnissen entkommen waren. Banditen belästigten und vergewaltigten Frauen und Mädchen, die in Zelten Zuflucht gesucht hätten, so Andrésol. Offizielle Zahlen zu den Opfern gibt es nicht,

Die Polizei als einzige Ordnungsmacht des Karibikstaates zählte vor dem Erdbeben rund 8000 Beamte. Mindestens 70 Polizisten seien ums Leben gekommen, rund 400 verletzt worden, sagte Andrésol. 500 würden noch vermisst. Von gut 6000 Polizisten aus dem Hauptstadtgebiet hätten sich zwei Wochen nach dem Beben nur 3400 zurückgemeldet. Insgesamt sollen bei dem schweren Beben nach jüngsten Angaben der haitianischen Regierung etwa 170.000 Menschen ums Leben gekommen sein.

Dominikanische Republik organisiert Wiederaufbau-Konferenz

Ein vom Erdbeben zerstörtes Gefängnis in Port-au-Prince (Foto: dpa)
Aus diesem zerstörten Gefängnis konnten rund 300 Gefangene fliehenBild: picture-alliance/dpa

In der Region bemühen sich die Vertreter weiter um eine bessere Koordinierung der Hilfen. Die Dominikanische Republik will am 14. April eine zweite Konferenz für den Wiederaufbau ihres zerstörten Nachbarlandes veranstalten. Das Treffen werde auf Bitten des haitianischen Präsidenten René Préval organisiert, kündigte der dominikanische Außenminister Carlos Morales Troncoso an.

Bereits in der vergangenen Woche hatten sich Préval und sein dominikanischer Amtskollege Leonel Fernandez mit Vertretern weiterer Länder der Region getroffen, um über die Lage in Haiti zu beraten. Fernandez hatte dabei die Höhe der für Haiti benötigten Gelder für den Wiederaufbau auf zehn Milliarden Dollar beziffert. Am Montag hatten die Geberländer ein Treffen im kanadischen Montréal zur Koordinierung der Hilfen abgehalten. Im März soll eine Hilfskonferenz bei der UN in New York stattfinden.

Bislang gingen nach UN-Angaben 2,02 Milliarden Dollar (1,45 Milliarden Euro) an Hilfszusagen ein oder wurden zugesagt. Der stellvertretende UN-Sondergesandte für Haiti, Paul Farmer, sagte, 75 Prozent von Port-au-Prince seien durch das Erdbeben vom 12. Januar zerstört worden. Das Ausmaß der Katastrophe sei so groß, dass "wir die beste internationale Mannschaft brauchen, um das Problem gemeinsam mit den Haitianern anzugehen", sagte Farmer vor dem Außenausschuss des US-Senats in Washington.

UNICEF kümmert sich um Kinder ohne Eltern

Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen hat im Erdbebengebiet von Haiti mit dem Registrieren von Waisenkindern begonnen. Wie UNICEF am Donnerstag in Paris mitteilte, werden zunächst Minderjährige erfasst, die alleine durch die Straßen der Hauptstadt irren. Sie können dann in extra eingerichteten Notunterkünften unterkommen, wo sie mit Essen und Trinken versorgt werden.

Kinder beten vor dem Essen in einer UNICEF-Notunterkunft (Foto: AP)
Waisenkinder beten für eine neue HeimatBild: AP

Die Teams vor Ort sind mit extrem schwierigen Situationen konfrontiert. Manche Kinder seien Missbrauchsopfer, andere wurden verletzt, aber nicht medizinisch behandelt. Zudem gebe es Babys, die gerade erst geboren worden seien, aber schon keine Eltern mehr hätten. Die Versorgung in den Notunterkünften soll laut UNICEF so lange aufrechterhalten bleiben, bis für die Kinder und Jugendlichen eine neue Heimat gefunden wurde. Im Vordergrund stehe es, überlebende Familienmitglieder oder Angehörige ausfindig zu machen.

Kinder beim Mittagessen in einer UNICEF-Notunterkunft am Stadtrand von Port-au-Prince (Foto: AP)
UNICEF kümmert sich um die erlternlosen Kinder in HaitiBild: AP

Am Montag sollen knapp drei Wochen nach dem verheerenden Erdbeben in Haiti erste Schulen den Unterricht wieder aufnehmen. Derzeit würden öffentliche und private Schulgebäude einer Prüfung unterzogen, teilte das Bildungsministerium mit. Hilfsorganisationen schätzen, dass 1,8 Millionen Kinder und 5000 bis 8000 Schulen von den Folgen des Bebens betroffen sind. Bereits vor der Katastrophe litt Haiti unter einem mangelnden Bildungssystem. Nur etwas mehr als die Hälfte der neun Millionen Einwohner Haitis kann lesen und schreiben.

Vereinte Nationen gedenken ihrer toten Mitarbeiter

Teilnehmer der Gedenkfeier der UN-Mission in Port-au-Prince (Foto: AP)
Gedenken an die beim Erdbeben verstorbenen UN-MitarbeiterBild: AP

Die UN-Mission in Haiti hat am Donnerstag in Port-au-Prince Abschied von ihren Toten genommen. Bei einer Gedenkfeier wurden die Namen der 85 identifizierten Opfer verlesen. "Sie haben selbst ihnen Nahestehende verloren und sich doch um die gekümmert, die noch gerettet werden konnten", sagte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon in einer von UN-Missionschef Edmond Mulet verlesenen Ansprache. Der aus Guatemala stammende Mulet ist der Nachfolger des Tunesiers Hédi Annabi, der bei dem Erdbeben ums Leben kam. Ban Ki Moon hatte wenige Tage nach dem Beben Haiti besucht und war mit den sterblichen Überresten des Missionschefs und seines Stellvertreters nach New York zurückgekehrt. "Das war einer der traurigsten Augenblicke meines Lebens", sagte Ban Ki Moon.

Bei der Trauerfeier im Logistikzentrum der UN-Mission war auch die haitianische Außenministerin Marie-Michelle Rey anwesend. Sie lobte die Rolle der Vereinten Nationen, die Haiti bei seinem Bemühen um Demokratie und Stabilität unterstützten. Die UN-Mission hat derzeit etwa 7000 Soldaten im Land. Die Vereinten Nationen vermissen noch 30 ihrer Mitarbeiter.

Autorin: Julia Elvers-Guyot (afp, dpa, rtr)
Redaktion: Martin Muno