Enthüllungsbuch über Melania Trump
28. Juni 2020Noch bevor das neue Buch der Journalistin Mary Jordan über die US-amerikanische First Lady in den USA in den Buchhandel kam, schlug es in den internationalen, auch in vielen deutschen Medien Wellen. Die Washington Post, für die Jordan als geehrte Investigativ-Journalistin mit zahlreichen Auszeichnungen, darunter auch dem Pulitzer-Preis, arbeitet, hatte mit einer auszugsweisen Vorabveröffentlichung eine scheinbar für alle Welt bedeutsame Meldung produziert: Melania Trump habe sich nach der Amtseinführung Donald Trumps im Januar 2017 geweigert, ihrem Ehemann, dem frisch gekürten republikanischen Präsidenten, ins Weiße Haus nach Washington zu folgen.
Erst im Juni, nachdem sie ihren Ehevertrag mit Trump neu ausgehandelt habe, sei Melania bereit gewesen, die ihr zugedachte Rolle am Amtssitz des Präsidenten einzunehmen. Melania, die Strategin: Geschickt hätte sie Zeitpunkt und Umstände genützt, um bessere Bedingungen für sich, vor allem aber für ihren Sohn auszuhandeln. Es sei ihr darum gegangen, dafür zu sorgen, dass ihr damals elfjähriger Sohn Barron in Hinblick auf die Zukunft in seinen Ansprüchen den Kindern aus Trumps erster Ehe mit Ivana gleichgestellt würde.
Das Dementi aus dem Weißen Haus ließ nicht lange auf sich warten. Stephanie Grisham, Sprecherin der First Lady, verwies das Buch ins Reich der Fabeln. Diese Darstellung sei erfunden, beruhe auf unzureichenden Informationen und falschen Quellen.
Spurensuche mit 120 Partnern
"The Art of her Deal" (Die Kunst ihres Deals) stellt den Bezug zu Donald Trump schon mit dem Titel her. Er ist eine Anspielung auf "The Art of the Deal", den angeblich "größten Business-Bestseller", den Trump 1987 mit Hilfe des Journalisten Tony Schwartz publizierte.
Mary Jordans Biografie über den märchenhaften Aufstieg eines noch im sozialistischen Jugoslawien geborenen Mädchens zur Präsidentengattin im mächtigsten Land der Welt ist nicht das erste Enthüllungsbuch über das ehemalige Model. Jordan konnte auf die "Inside Story" (2016) des slowenischen Autors Bojan Požar über die junge Melanija Knavs, wie sie damals noch hieß, und auf die Anfang Dezember 2019 in "Free, Melania" veröffentlichten Rechercheergebnisse der CNN-Reporterin Kate Bennett zurückgreifen.
Für ihr eigenes Buch hat Mary Jordan seit 2015 mit mehr als 120 Personen auf der ganzen Welt, darunter sogar Donald Trump selbst gesprochen, mit Schulfreundinnen aus Melanias Jugend in Slowenien, Kolleginnen aus der Modewelt, Fotografen, bis hin zu New Jerseys Gouverneur Chris Christie. Die Reporterin hat Zeitpunkt und Umstände ihrer Gespräche, journalistischen Recherche und ihre Aktenstudien so genau wie möglich durch Anmerkungen und einen Index dokumentiert. Das macht ihr Buch sehr glaubhaft, auch wenn sich nur wenige Interviewpartner namentlich identifizieren lassen.
Identitätswandel: Von Melanija Knavs zu Melania Knaus und Melania Trump
Und was ist nun neu, außer der Geschichte mit dem Ehevertrag? Jordan hat Melanias Biografie nicht als effekthaschendes Enthüllungsbuch angelegt, sondern als eine exakte Spurensuche, bei der es letztlich darum geht, herauszufinden, wie die heutige First Lady denkt und handelt - vor allem im Verhältnis zu ihrem Mann.
Eines kristallisiert sich auf dieser Fährte überdeutlich heraus: Die 1970 in Novo Mesto geborene Melanija Knavs wusste schon früh, was ihre Ziele waren. Ein Architekturstudium brach sie ab, um sich in Mailand und Paris als Model zu bewähren. Nur - über die Mittelklasse eines Katalogmodels kam sie nie hinaus.
Disziplin, Zielstrebigkeit und ein guter Agenturkontakt brachten Melania Knauss - so nannte sie sich als Model (mit der Zeit verkürzt zu Knaus) - trotzdem in die Modemetropole New York, wo sie 1998 bei einer Fashion-Week-Party einem der begehrtesten Playboys New Yorks begegnete: Donald Trump
Den Anfängen der Beziehung mit Trump, der sich damals noch in der Endphase seiner zweiten Ehe befand, ist Jordan in gründlichen Recherchen nachgegangen. Überaus aufschlussreich ist Trumps obszönes Gespräch mit einem der beliebtesten Radio-Talkmaster der USA, Howard Stern, vom November 1999, bei dem er Melania, die nach seinen Worten nackt im Nebenzimmer saß, zu der Call-In-Sendung dazu holte.
Sie reagierte zurückhaltend, ausweichend - und entschieden. Damit relativierte sie Trumps sexversessene Andeutungen. Ein Muster, das sich beim "Locker Room Talk", dem berüchtigten "Gespräch unter Männern" ihres späteren Ehemanns und nach seinen Affären mit der Pornodarstellerin Stormy Daniels und anderen Playmates wiederholen sollte: Melania schweigt, weicht amüsiert aus, hält sich im Hintergrund - und steht auf dieser eigenen Position hinter ihrem Mann.
Politisches Spiel über Bande
Jordan zeigt, dass Melania Trump alles andere als das Opfer ist, zu dem sie viele Trump-Kritiker machen wollen. "Free Melania" wurde auf vielen Schildern bei Demonstrationen gegen Trump gefordert, doch die First Lady möchte gar nicht befreit werden. Sie, die erste nicht-englischsprachige Präsidentengattin, sei sehr klug und verstehe ihren Donald, sagte Anthony Scaramucci, der für kurze Zeit als Trumps Kommunikationschef diente. "She is very smart and understands him". Sie sei die erste und oft auch einzige, auf deren Reaktion Trump etwas gebe.
Das Familienleben der Trumps verläuft, wie Jordan nachzeichnet, in sehr getrennten Bahnen, Melanias mit ihren eingebürgerten Eltern und ihrem Sohn, der neben der US-amerikanischen auch die slowenische Staatsbürgerschaft besitzt. Vordergründig vertritt die First Lady vor allem in sozialen Medien oft eine von der des Präsidenten abweichende Position: Sie beklagt, dass Flüchtlingskinder von ihren Eltern getrennt wurden, trägt in Corona-Zeiten Mundschutz, während Donald gegen Masken wettert. Doch in der politischen Arena Washingtons und der Medien, das zeichnet Mary Jordan sehr erhellend nach, spielen beide über Bande. So kann Trump via Melania neue, gegensätzliche Haltungen ins Spiel bringen, ohne als Verlierer dazustehen.
"Ich verkrafte alles"
"Don't feel sorry for me. I can handle everything", entgegnete Melania Trump dem CNN-Talkmaster Anderson Cooper im Oktober 2016 bei ihrem ersten Interview nach Bekanntwerden des berüchtigten "Access Hollywood"-Videos. Trump prahlt darin, dass man alle Frauen haben könne, wenn man sie nur fest genug an ihrer delikatesten Stelle packe.
Die letzten dreieinhalb Jahre haben gezeigt, dass die Präsidentengattin Melania Trump in der Tat mit allem fertig wird. Das einstige Model ist als First Lady im Weißen Haus angekommen - und möchte weitere vier Jahre bleiben.