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Wiederbelebung der türkisch-israelischen Beziehungen?

Marcus Lütticke26. März 2013

Eine Entschuldigung von Israels Premierminister könnte zur Entspannung zwischen der Türkei und Israel beitragen. Doch trotz positiver Signale der Staatschefs beider Länder warnen Experten vor zu hohen Erwartungen.

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Portraits von Erdogan und Netanjahu (Foto: AP)
Bild: AP

"Mir fallen tausend Gründe ein, warum die Türkei und Israel Freunde sein sollten", sagte der israelische Staatspräsident Shimon Peres am vergangenen Sonntag (24.03.2013) in einem Interview mit dem türkischen Fernsehen. Vorausgegangen war eine formale Entschuldigung des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu bei der Türkei für die Ereignisse von 2010. Damals war ein türkisches Hilfsschiff, das auf dem Weg nach Gaza war, von Israel angegriffen worden. Neun türkische Aktivisten kamen bei der Aktion ums Leben.

Ozgur Unluhisarcikli, Direktor des German Marshall Fund in Ankara, sieht eine positive Entwicklung in den Beziehungen der beiden Staaten, aber es brauche Zeit, damit sich die Beziehung normalisiere und neues Vertrauen aufgebaut werden könne. "Man sollte keine allzu großen Erwartungen mit dieser Aussöhnung verknüpfen", so Unluhisarcikli im Gespräch mit der Deutschen Welle. Schließlich lägen die Türkei und Israel noch in vielen wichtigen Fragen der Außenpolitik weit auseinander. "Die politischen Gegebenheiten haben beide Länder dazu veranlasst, ihre Beziehungen zu normalisieren und zu kooperieren. Aber es ist unwahrscheinlich, dass beide Länder in absehbarer Zeit zu ihrer strategischen Partnerschaft zurückkehren werden. Im Gegensatz zu den 90er Jahren werden sie wohl keine engen Verbündeten mehr werden", fügt der Politikexperte hinzu.

Drei Faktoren verschaffen der türkischen Regierung gegwärtig eine zunehmende Unabhängigkeit in der Außenpolitik: die boomende Wirtschaft, das wachsende Selbstbewusstsein und weniger Abhängigkeit von den USA. Der türkische Premierminister Recep Tayyip Erdogan hat in der arabischen Welt durch seine offene Kritik an der israelischen Politik in der Region an Ansehen gewonnen.

Der Aufstieg der Türkei zur Regionalmacht fand in einer Zeit statt, in der die türkisch-israelischen Beziehungen sehr schwierig wurden, besonders seit der israelischen Militäroffensive im Gazastreifen Ende 2008 und 2009.

Partnerschaft statt strategischem Dialog 

Für Alon Liel, israelischer Botschafter im Ruhestand und Türkeispezialist, liegt der Grund für das schwierige Verhältnis zwischen der Türkei und Israel auch in einem politischen Wandel innerhalb der türkischen Mitte-Rechts-Partei AKP (Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung).

Türkischer Soldat vor der Nationalflagge (Foto: AP)
Die Türkei spielt eine Schlüsselrolle im Nahen OstenBild: AP

"Wir haben jetzt eine andere Türkei. Mit der islamistisch orientierten AKP-Regierung hat sich die Atmosphäre gewandelt", so Liel. "Die Aufforderung der AKP [an Israel] lautete: Macht Fortschritte mit den Palästinensern. Schafft Frieden." Der ehemalige Botschafter beschreibt seine Erwartungen an den Annäherungsprozess als gering, solange es keine positive Entwicklung zwischen Israelis und Palästinensern gebe.

Die Spannungen zwischen der Türkei und Israel hatten 2010 ihren Höhepunkt erreicht, als israelische Soldaten das Schiff "Mavi Marmara" stürmten, welches dabei war, die israelische Blockade des Gazastreifens zu durchbrechen. Acht Türken und ein türkischstämmiger Amerikaner waren bei der Operation an Bord des Schiffes getötet worden. Der türkische Premierminister Erdogan bezeichnete die Getöteten als Märtyrer und bezichtigte Israel des Mordes und des "Staatsterrorismus".

Kurz nach dem Zwischenfall auf der Mavi Marmara stellten Israel und die Türkei ihre Zusammenarbeit auf vielen Gebieten ein, darunter die Bereiche Verteidigung und Sicherheit. Beide Staaten reduzierten ihre diplomatischen Beziehungen auf ein Minimum. Mehrere Versuche der Versöhnung sind in den letzten drei Jahren gescheitert.

Das türkische Schiff Mavi Marmara (Foto: dapd)
Der israelische Angriff auf die Mavi Marmara war Auslöser der SpannungenBild: dapd

Ein Sieg für Obama?

Laut Alon Liel, dem ehemaligen israelischen Diplomaten, führte Druck von US-Präsident Barack Obama dazu, dass es nun eine Annäherung zwischen Israel und der Türkei gibt. "Es ist Obamas Sieg", sagte er der Deutschen Welle.

Obama soll bei seinem Besuch in Israel am vergangenen Freitag die Aussöhnung vermittelt haben. Dadurch, so Ozgur Unluhisarcikli, bringe Obama seine eigene außenpolitische Agenda voran.

"In seiner zweiten Amtszeit verschiebt sich der Fokus von Obamas Außenpolitik auf den asiatisch-pazifischen Raum. Um seine außenpolitischen Ziele zu erreichen, sucht er nach starken und kooperativen Partnern im Nahen und Mittleren Osten", erklärt Unluhisarcikli. "Die Spannungen zwischen der Türkei und Israel brachten nicht nur zusätzliche Probleme für Obama, sie fingen auch an, den Plan der US-Regierung auszuhebeln, die Macht mit den zwei engen Verbündeten in der Region zu teilen."

Sorgen über die Zeit nach Assad

Viele Beobachter sind sich darüber einig, dass - neben Obamas Rolle - wachsendes Unbehagen bezüglich des Bürgerkriegs in Syrien zur Annäherung von Israel und der Türkei geführt hat. Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu schrieb am Samstag auf seiner Facebook-Seite, dass Israel und die Türkei, die beide an Syrien grenzen, über die Krise in Syrien sprechen sollten. Die Sorge darüber, dass Syriens Arsenal an chemischen Waffen in die Hände militanter Gruppen nahe der Türkei und Israel fallen könnte, war eines der Motive, die Beziehungen mit Ankara zu kitten, so Netanjahu.

US-Präsident Barack Obama and Israels Premierminister Benjamin Netanjahu schütteln sich die Hände (Foto: Reuters)
Obama beim Treffen mit Netanjahu in IsraelBild: Reuters

Der israelische Ex-Diplomat Alon Liel sieht gemeinsame Ziele von Israel und der Türkei, wenn es um ein Syrien nach Assad geht. "Es gibt ein sehr starkes Interesse, dass nicht Al-Qaida die Macht in einigen Teilen Syriens übernimmt - und dass Syrien nicht vom Iran kontrolliert wird. Ich glaube, das ist ein gemeinsames Interesse beider Länder."

Manche Beobachter meinen, auch Israels Sorge über das iranische Atomprogramm habe mit dazu geführt, dass sich das Land wieder an die Regionalmacht Türkei annähert. Der Wandel in den israelisch-türkischen Beziehungen könnte zu einer größeren Stabilität in der Region führen, besonders weil die Türkei Radar- und Raketenabwehrsysteme der NATO auf ihrem Gebiet unterhält.

"Für die Türkei ist nicht nur das iranische Atomprogramm, sondern auch ein möglicher Militärschlag Israels gegen den Iran Anlass zur Sorge. Beides wiegt etwa gleich schwer", so der türkische Politikexperte Unluhisarcikli. "Der jetzige Normalisierungsprozess zwischen der Türkei und Israel wird einen positiven Effekt auf die Stabilität in der Region haben. Ich denke, ein israelischer Luftschlag gegen den Iran wird dadurch unwahrscheinlicher."