Müller: "Afrika kann sich selbst ernähren"
11. Februar 2014Deutsche Welle: Sie haben betont, dass Afrika für Deutschland ein Schwerpunkt bleibt, aber auch davor gewarnt, dass die deutsche Wirtschaft ihre Chancen in Afrika noch nicht ausreichend wahrnimmt. Wie wollen Sie denn in Zukunft die Entwicklungszusammenarbeit mit dem privatwirtschaftlichen Engagement deutscher Unternehmen vereinbaren?
Gerd Müller: Afrika ist für uns der Chancenkontinent. Wir müssen in Deutschland und in Europa klar machen, dass dieser Kontinent, der hundertmal größer ist als die Bundesrepublik, eine enorme Dynamik aufweist. Die Bevölkerung wird sich in den nächsten 30 bis 50 Jahren verdoppeln. Nicht nur deshalb, sondern auch aus traditionell guten Verbindungen heraus, werden wir auch in Zukunft mit Afrika als Schwerpunktland weiterarbeiten. Entwicklungszusammenarbeit und privatwirtschaftliches Engagement sind kein Widerspruch.
Wir setzen unser großes Engagement von staatlicher Seite aus fort, aber wir werben auch für ein stärkeres Interesse der deutschen Wirtschaft, des deutschen Mittelstandes für Investitionen in den afrikanischen Staaten. Mein Ministerium wird zum Beispiel im Rahmen eines PPP-Projekts ("Public Private Partnership") am Aufbau einer Verarbeitungsindustrie für Bambus in Äthiopien mitwirken. Dies ist ein ganz konkretes Beispiel für erfolgreiche öffentlich-private Partnerschaft. Hier haben vier Privatunternehmen eine strategische Allianz gestartet, um die äthiopische Bambus-Wertschöpfungskette für die Exportproduktion fit zu machen. Die gut 2000 am Projekt beteiligten Kleinbauern und ihre Familien werden als Teil einer funktionierenden Lieferkette dazu befähigt, ihre Einkommen zu verbessern und langfristig zu sichern. Das ist ein Modell, wie wir in Zukunft verstärkt privates Kapital zusammen mit öffentlichen Investitionen dazu einsetzen wollen, die landwirtschaftlichen Potenziale Afrikas zu nutzen. Afrika kann sich selbst ernähren - mit Know-How, mit Technik, mit Ausbildung und beruflicher Bildung.
Aufgrund der Krisen in Zentralafrika, in Mali, aber auch im Südsudan wird in der europäischen und in der deutschen Politik derzeit wieder verstärkt über Afrika debattiert. Wird diese Aufmerksamkeit sich denn auch langfristig auf das entwicklungspolitische Engagement auswirken? Schließlich konkurrieren ja auch Indien und China um diesen Chancenkontinent.
Auch in der Zusammenarbeit zwischen Deutschland und der Europäischen Union ist Afrika der Schwerpunktkontinent. Anfang April (02.04.2014) findet der nächste EU-Afrika-Gipfel in Brüssel statt. Darüber hinaus hat die Bundesregierung vor zwei Jahren eine Afrika-Strategie verabschiedet. Das Entwicklungsministerium wird in den nächsten Monaten eine Konkretisierung der entwicklungspolitischen Schwerpunkte vornehmen. Wir haben uns dabei vorgenommen, die landwirtschaftliche Produktivität weiter zu stärken.
Auch die Partnerschaften zwischen deutschen und afrikanischen Hochschulen und die berufliche Bildung wollen wir verstärkt fördern - durch sogenannte Leuchtturmprojekte. Darüber hinaus gilt ein ganz besonderer Akzent dem Wissens- und Technologie-Transfer, insbesondere auf dem Sektor der "Green Economy", also der Umwelt-Technologie. Es ist gut, dass die Afrikanische Union (AU) eine gemeinsame Position zur Weiterentwicklung der Millenniums-Entwicklungsziele entwickelt und auch nach dem UN-Nachhaltigkeitsgipfel in Rio de Janeiro jetzt ihrer Verantwortung in der Klimapolitik gerecht wird.
Die Afrikanische Union ist nach wie vor chronisch unterfinanziert und politisch gespalten. Zum Beispiel ist die lang diskutierte afrikanische Eingreiftruppe "African Standby Force" (ASF) noch immer nicht einsatzbereit, obwohl sie in Krisenstaaten wie der Zentralafrikanischen Republik dringend gebraucht würde. Was kann Deutschland als strategischer Partner noch tun, um die AU handlungsfähiger zu machen?
Die Afrikanische Union ist die zentrale afrikanische Institution, mit der Deutschland, aber auch die Europäische Union zusammenarbeitet. Die AU leistet großartige Arbeit, insbesondere bei der Krisenprävention in Afrika, aber auch bei der Stabilisierung fragiler Staaten. Besonders wichtig dabei war der Aufbau der afrikanischen Friedens- und Sicherheitsagentur (APSA) mit einem Konflikt-Frühwarnsystem. Hervorheben möchte ich auch den Einsatz der Afrikanischen Union in den Konfliktregionen Sudan und Mali. Wir werden die AU weiter als unseren zentralen Ansprechpartner sehen und dabei auch Fragen der wirtschaftlichen Integration und Zusammenarbeit in den Fokus rücken, aber auch das Thema gute Regierungsführung.
Gerd Müller (CSU) ist seit Dezember 2013 Bundesentwicklungsminister in der großen Koalition aus SPD und CDU/CSU unter Bundeskanzlerin Angela Merkel. Davor war er parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, und dort unter anderem zuständig für Internationale Beziehungen und Entwicklungsprojekte.
Das Interview führte Getachew Tedla.