Entwicklungsminister Niebel: „Wir dürfen Ägypten nicht aufgeben“
16. August 2013Deutsche Welle: Sollte Deutschland seine Entwicklungsprojekte in Ägypten in der gegenwärtigen Situation lieber einstellen?
Dirk Niebel: Wir haben schon im Vorfeld der jetzigen Gewalteskalation Maßnahmen ergriffen, zum Beispiel Schuldenumwandlungen nicht durchgeführt. Also Maßnahmen, die unmittelbar die Regierung treffen. Auf der anderen Seite würden wir gern so lange es geht die Maßnahmen fortführen, die unmittelbar den Menschen helfen. Wasserversorgung, Vergabe von Kleinkrediten für kleinste und mittlere Unternehmen: Das nützt der Regierung nicht, das nützt nur den Menschen. Je früher wir das beenden, desto schwieriger wird deren ohnehin nicht einfache Lebenssituation.
Es war das Ziel der deutschen Entwicklungsprojekte, die Demokratie in Ägypten zu fördern. Ist diese Art von Hilfe gescheitert?
Wenn wir bei jeder Schwierigkeit (…), und sei sie noch so brutal mit vielen Hundert Toten, aufgeben würden, würden wir in keinem einzigen Land, das ein Konfliktstaat, ein fragiler Staat oder ein Postkonfliktstaat ist, dauerhaft wirklich erfolgreich sein. Man braucht Durchstehvermögen. Das ist schwierig, weil man im politischen Geschäft immer schnell Erfolge vorweisen muss. Aber manchmal dauert es einfach länger. Nach einer Feudalherrschaft dieser Länge ist es wichtig und richtig: Es gibt eine Zivilgesellschaft, eine schwache, die aber politisch interessiert ist und gewillt ist, ihr Land selbst zu gestalten.
Einfach einstellen und weggehen nimmt einem auch jede Einflussmöglichkeit vor Ort. Wir sind gut vernetzt. Wir sind seit über 40 Jahren auch mit den politischen Stiftungen, die auch eine Herausforderung zu bewältigen haben, in Ägypten tätig. Die Stiftungen haben gute Kontakte nicht nur in politische Kreise, sondern vor allem in die Zivilgesellschaft, die Wissenschaft und die Kultur. Diese Kreise müssen jetzt gestärkt werden. (…) Wir unterstützen keine politischen Parteien. Wir unterstützen Menschen. Das sind Persönlichkeiten, die sich engagieren wollen in der Gesellschaft. Die werden auch nicht direkt vom Ministerium unterstützt, sondern von den zivilgesellschaftlichen Partnern, die wir vor Ort haben, mit den Mitteln, die für freie Träger zur Verfügung stehen. Vor allem wollen wir, dass alle Minderheiten beteiligt werden.