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Korallen auf Hawaii: erbleichen und ersticken

Brigitte Osterath9. November 2015

Wärmeres Meerwasser lässt Korallen auf der ganzen Welt absterben. Auf Hawaii macht den ungewöhnlichen Tieren aber noch etwas anderes zu schaffen: Invasive Algen überwuchern sie. Ein Unterwasser-Staubsauger hilft.

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Korallenriff auf Hawaii Foto: Rainer Dückerhoff
Korallenriff in Kane'ohe Bay, HawaiiBild: Rainer Dückerhoff

Korallen brauchen Sonnenlicht für die Photosynthese. Wenn sie von Algen überwachsen werden, sitzen sie im Dunkeln - und sterben. Das passiert in Kane'ohe Bay, einer Bucht vor der Küste von Hawaiis Hauptinsel Oahu. Hier hat sich eine invasive Algenart aus Südostasien breit gemacht.

Die Algen wurden vor Jahrzehnten nach Hawaii importiert. Wissenschaftler wollten damit experimentieren und herausfinden, ob sie sich als Lieferant von Kosmetik- und Lebensmittelzusätzen eignen. Man setzte die Algen in der Bucht aus, in der Annahme, dass sich diese Art dort nicht ausbreiten könnten. "Aber da lag man falsch", sagt Hank Lynch von der Naturschutzorganisation "the Nature Conservancy": "Das Zeug übernimmt das ganze Ökosystem." Die Algen breiten sich aus, wachsen schnell und überwuchern lebende Korallen.

Gerade ist Hank mit seinem Boot auf dem Weg zu einem der Korallenriffe in Kane'ohe Bay. Denn er und sein Team haben einen Weg gefunden, den Korallen zu helfen.

Invasive Algen auf Hawaii Foto: Rainer Dückerhoff
Die Algen haben die Korallen überwuchert und sogar deren Form angenommen.Bild: Rainer Dückerhoff

Überlaufen von fremden Arten

Eingeschleppte Algen sind bei weitem nicht die einzigen unerwünschten Gäste auf Hawaii. Viele fremde Arten bedrohen das empfindliche Ökosystem Hawaiis, das sich einst fernab aller anderen Einflüsse in der Mitte des Pazifiks entwickelt hat. Kleine Feuerameisen aus Südamerika, deren Stiche unheimlich weh tun, haben Hawaiis größte Insel Big Island überlaufen. Höhlen-Pfeiffrösche aus Puerto Rico fressen den einheimischen Tieren die Insekten weg und vermehren sich ungehemmt. Und auf Oahu hat der asiatische Nashornkäfer begonnen, die Kokospalmen anzufressen und sie zu zerstören.

Fremde Tier- und Pflanzenarten treffen jeden Tag per Schiff und Flugzeug ein, sagt Josh Atwood, Koordinator für invasive Arten im hawaiianischen Ministerium für Land- und Naturressourcen. "Unser Personal inspiziert alle Waren, die auf Hawaii eintreffen. Aber es trifft so viel ein, dass sie nicht alles erwischen können." Hawaii importiert etwa 90 Prozent seiner Lebensmittel, fügt Atwood hinzu. "Wir sind darauf angewiesen, dass die Schiffe schnell einfahren können." Solange Hawaii Teil des weltweiten Handels und Tourismus ist, wird der US-Inselstaat immer gegen invasive Arten zu kämpfen haben, sagt Atwood.

Unterwasser-Staubsauger

Inzwischen ist Hank Lynch an seinem heutigen Arbeitsplatz angekommen: dem Riff 29. Ein flaches, überdachtes Boot schwimmt dort auf dem Wasser. Es ist mit einem zweiten, kleineren Floß verbunden. "Das ist unser Supersucker", verkündet Hank stolz. "Wir haben es im Jahr 2012 gebaut."

"Supersucker" in Hawaii Foto: Rainer Dückerhoff
Das ist der "Supersucker"Bild: Rainer Dückerhoff

Das kleine Floß beherbergt zwei benzinbetriebene Wasserpumpen, die an einen Saugrüssel angeschlossen sind. Alles, was der Rüssel aufsaugt, wird auf das große Boot gepumpt und landet dort auf einem Gittertisch. Die ganze Konstruktion ist im Grunde ein großer Unterwasser-Staubsauger, gibt Hank zu und lacht.

Hanks Kollege Ryan Carr ist bereits in seinen Neoprenanzug geschlüpft. Jetzt springt er vom großen Boot ins Wasser, schwimmt zum Floß und schaltet die Pumpen an, die sofort anfangen zu röhren. Dann schnappt er sich den Saugrüssel, taucht unter und beginnt, die invasiven Algen von den Korallen abzurupfen und in den Rüssel zu füttern.

Die Algen kommen, in viele kleine Stücke zerbrochen, auf dem Gittertisch an. Dort packt Hank die harten Algen, die aussehen, als wären sie aus Plastik, in Säcke. "Wenn wir bei voller Leistung an einem Riff arbeiten, das komplett überwachsen ist, füllen wir leicht 40 oder 50 Säcke voll mit dem Zeug, manchmal auch mehr", erzählt Hank. "Wir haben schon mal knapp 10.000 Kilogramm Algen an einem Tag rausgeholt." Im Durchschnitt seien es etwa 500 Kilo pro Stunde. Hank und Ryan geben die Algenschnippsel an Farmer in der Region weiter: Diese schätzen sie als Düngemittel.

Invasive Algen auf Hawaii Foto: Rainer Dückerhoff
Invasive Algen: vom Korallenriff auf den GittertischBild: Rainer Dückerhoff

Kleine Helfer

In einem Jahr kann die Naturschutzorganisation nach eigenen Angaben mit ihrem "Supersucker" über acht Hektar eines Korallenriffs säubern. Sobald die Korallen die Algen los sind, kommen sie normalerweise wieder schnell auf die Beine - es sei denn, sie sind bereits tot.

Mit ihrem Supersucker alleine wären Hank und Ryan allerdings nicht so erfolgreich. Sie haben kleine Helfer: einheimische Seeigel, die gerne Algen fressen. Der Staat Hawaii hat 200.000 Exemplare dieser Seeigelart im Labor großziehen lassen. Hank und sein Team setzen sie auf den Korallenriffen aus, die sie bereits mit ihrem Supersucker bearbeitet haben.

Seeigel auf Hawaii Foto: Rainer Dückerhoff
"Diese Seeigel helfen uns. "Hank Lynch im Gespräch mit DW-Reporterin Brigitte OsterathBild: Rainer Dückerhoff

"Die Seeigel fressen am liebsten diese invasive Algenart", erklärt Hank. "Das ist also eine gute Arbeitsteilung." Die Seeigel fressen alle Algen auf, die den Menschen entgangen sind. "Ohne die Seeigel würden wir lediglich den Algenrasen mähen. Wir können sie zwar runterstutzen, aber sie würden wieder nachwachsen."

Die Korallenriffe sterben

Mal abgesehen von den invasiven Algen seien die Korallenriffe in Kane'ohe Bay noch sehr gesund, sagt Hank. Die Zukunft allerdings sieht für alle Korallen rund um den Erdball düster aus. Unerwünschte Algen sind das kleinere Problem, verglichen mit der Korallenbleiche: Der Klimawandel heizt die Ozeane auf und führt zudem dazu, dass das Wasser saurer wird - gleich zwei Bedingungen, die Korallen nicht vertragen.

Nach Angaben des Umweltprogramms der Vereinten Nationen sind bereits ein Fünftel aller Korallenriffe verloren. Weitere 15 Prozent könnten in den nächsten zehn Jahren absterben.

Ruth Gates, Korallenforscherin an der Universität von Hawaii in Manoa, hat bereits viele Korallenbleichen in Kane'ohe Bay miterlebt, sagt sie. Sie drängt, es sei Zeit zu handeln. "Wir untersuchen seit vielen Jahren, wie viele Korallen sterben. Wann sind wir endlich davon überzeugt, dass das Riff stirbt?" Experten sagen, dass sogar eine Beschränkung der Erderwärmung auf zwei Grad Celsius nicht genug sein könne: Sie fürchten, dass Korallenriffe vor Ende dieses Jahrhunderts von unserer Erde verschwinden könnten.