Erdogan muss sich erklären
7. Januar 2014
Hat sich Bilal Erdogan, der Sohn des türkischen Minsterpräsidenten, mit dem saudischen Geschäftsmann und mutmaßlichen Al-Kaida-Terrorhelfer Yasin Al-Qadi getroffen? Das will der türkische Politiker Ugur Bayraktutan vom türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan wissen. Bayraktutan gehört der säkularen CHP an, gemeinsam mit anderen Oppositionspolitikern fordert er eine Offenlegung der Verbindungen der Familie Erdogan zu dem saudischen Geschäftsmann. Eine entsprechende parlamentarische Anfrage muss Erdogan binnen eines Monats beantworten.
"Al-Qadi war illegal hier, es gibt Fotos, die das beweisen", sagt Bayraktutan im Gespräch mit der Deutschen Welle. Noch während Al-Qadi auf einer Liste von verdächtigen Personen der Vereinten Nationen stand, die wegen mutmaßlicher Unterstützung für Al-Kaida mit Sanktionen belegt waren, soll er mehrmals die Türkei besucht haben. Und dabei sogar von Leibwächtern der türkischen Regierung beschützt worden sein. Auch die US-Behörden stufen Al-Qadi als Unterstützer des Terrornetzwerks ein. Doch der streitet das ab.
Erdogan hat ein neues Problem
Bayraktutans Vorwürfe bilden ein neues Problem für Erdogan im Umgang mit dem Korruptionsskandal um seine Regierung. Mitte Dezember ließen Istanbuler Staatsanwälte mehrere Dutzend Personen festnehmen, die Schmiergelder von einem - ebenfalls verhafteten - iranischen Geschäftsmann angenommen haben sollen. Zwei Ministersöhne und der Chef der staatlichen Halkbank sitzen seitdem in Untersuchungshaft.
In einem zweiten Schritt wollten die Staatsanwälte eine Woche später weitere Verdächtige festsetzen lassen, denen ebenfalls Korruption vorgeworfen wurde. Daraus wurde nichts, weil der ermittelnde Staatsanwalt, Muammer Akkas, kurz vor den Zugriffen von dem Fall abgezogen wurde. Nach Presseberichten stand Al-Qadi auf der Liste von Verdächtigen; auch Bilal Erdogan sollte demnach als "Verdächtiger" vorgeladen werden.
Umstrittenes Immobiliengeschäft
Al-Qadi ist in Ankara kein Unbekannter. Schon im Jahr 2006 nahm Erdogan den saudischen Geschäftsmann gegen die Terrorvorwürfe aus den USA öffentlich in Schutz. Ins Visier der Istanbuler Ermittler geriet Al-Qadi, weil er sich für die Privatisierung des Geländes einer Polizeischule im Istanbuler Edel-Viertel Etiler interessiert haben soll. Das Gelände ist nach Presseberichten rund eine Milliarde Dollar wert, sollte aber für weniger als die Hälfte und ohne öffentliche Ausschreibung an private Investoren verkauft werden. Unter den Interessenten war Al-Qadi.
Türkische Medien druckten Fotos ab, die angeblich Al-Qadi in Begleitung türkischer Leibwächter und im Gespräch mit Bilal Erdogan in einem Istanbuler Hotel zeigten. Der CHP-Politiker Umut Oran fragte Erdogan in einer eigenen Anfrage, ob Bilal Erdogan bei dem Immobiliengeschäft in Etiler als Vermittler auftrat. Die Istanbuler Stadtverwaltung erklärte, das Gelände sei nicht verkauft worden und befinde sich weiter im städtischen Besitz.
"Parallele Strukturen"
"Sie zielen auf meinen Sohn, aber sie wollen mich treffen", sagte Erdogan zu den Vorwürfen. Aus seiner Sicht sind die Korruptionsvorwürfe die Erfindung regierungsfeindlicher Kräfte im Staatsapparat, die seine Partei AKP vor den Kommunalwahlen am 30. März schwächen wollen. Die Regierung macht die früher mit Erdogan verbündete Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen für die Verschwörung verantwortlich, was Gülen zurückweist.
Wie sich die Vorwürfe gegen die Regierung und Erdogans Familie auf die Unterstützung für den Ministerpräsidenten in der Wählerschaft auswirken, ist nicht klar; aktuelle Umfragen zur Wirkung der Korruptionsaffäre liegen noch nicht vor.
Ilker Turan, Politologe an der Istanbuler Bilgi-Universität, erwartet, dass Erdogans Umgang mit den Vorwürfen von den Wählern aufmerksam beobachtet wird. Bisher habe der Ministerpräsident zum Verhältnis zwischen seinem Sohn und dem saudischen Geschäftsmann noch keine überzeugende Erklärung vorgelegt, sagte Turan der Deutschen Welle. Die Opposition in Ankara will dafür sorgen, dass Erdogan diese Erklärung bald liefern muss.