Erdölmarkt hilft Chinas Aktivitäten in Nahost
10. März 2020Derzeit kann sich China über zwei Entwicklungen freuen, die auf den ersten Blick nicht miteinander zusammenhängen: Die chinesischen Gesundheitsbehörden meldeten, die Zahl der neu mit dem Corona-Virus Infizierten sei auf den niedrigsten Stand seit Wochen gesunken. Nur 40 neue Infektionsfälle habe es im gesamten Land gegeben. Auch die Zahl der Todesfälle ist so niedrig wie seit Januar nicht mehr: Nur 22 Menschen erlagen der jüngsten täglichen Meldungen vom Montag zufolge dem Virus.
China profitiert von Preiskrieg
Die zweite Trend betrifft die jüngsten Entwicklungen an den Ölmärkten: Nach den gescheiterten Verhandlungen zwischen Russland und OPEC über eine Förderkürzung war der Ölpreis zu Wochenbeginn so stark gefallen wie seit 30 Jahren nicht mehr. Die Rede ist sogar von einem Preiskrieg zwischen Russland und - hauptsächlich - Saudi-Arabien. Das Königreich will seine Fördermenge in den kommenden Monaten erhöhen, und zwar bis auf die Rekordmarke von zwölf Millionen Barrel pro Tag, meldet die Finanzagentur Bloomberg. Während der vergangenen Jahre lag die Menge bei rund zehn Millionen Barrel täglich.
Vom billigeren Erdöl werden nicht nur die Verbraucher in Europa profitieren. Ein Großteil der zusätzlich geförderten Menge dürfte weiterhin nach China gehen. Schon im vergangenen Jahre hatte Saudi-Arabien dort mehr Erdöl absetzen können als die russische Konkurrenz. Sollte in China tatsächlich das Schlimmste vorbei sein und die von Xi Jinping ausgerufene Wiederankurbelung der Wirtschaft nachhaltige Wirkung zeigen, wird das auch Chinas gute Beziehungen zu den arabischen Förderländern und hier insbesondere Saudi-Arabien stärken. Denn China ist trotz der Milliardeninvestitionen in erneuerbare Energien größter Erdölimporteur weltweit.
"Business first"
China hat Partnerschaftsvereinbarungen mit rund 15 Ländern der Region geschlossen, die vor allem auf wirtschaftliche Beziehungen ausgerichtet sind. "Chinas Motto lautet 'Business first', sagt China- und Nahostspezialist Kevjn Lim von der Universität Tel Aviv gegenüber der DW. "Die Staatsführung setzt auf ökonomisch ausgerichtete Beziehungen, die es zu politisch durchaus unterschiedlichen Staaten der Region pflegt."
Zwar engagiert sich China auch militärisch, allerdings sehr zurückhaltend. So richtete es zusammen mit Iran und Russland im Dezember vergangenen Jahres ein Manöver im Golf von Oman ab – nachdem es im Vormonat bereits eine gemeinsame Marine-Übung zusammen mit Saudi-Arabien unternommen hatte.
Beide multinationalen Manöver zeigen, dass Peking sich bislang aus den Rivalitäten vor Ort heraushält. Im Konkurrenzkampf der beiden regionalen Hegemonialmächte Iran und Saudi-Arabien gibt es keiner Seite den Vorzug, im Gegenteil: Beide Länder zählen in Peking zu den wichtigsten Partnern in der der Region. So galten die beiden Manöver vor allem der Bekämpfung der Piraterie sowie als Vorbereitung auf maritime Unfälle. Politisch-militärisch gibt sich China hingegen zurückhaltend. "Peking achtet sehr darauf, nicht (in regionale Spannungen) verwickelt zu werden", heißt es in einer Studie des Thinktanks "European Council on Foreign Relations".
Partner auf der Golfhalbinsel
Umso entschlossener setzt China auf Wirtschaftsbeziehungen. So ist Saudi-Arabien der größte Wirtschaftspartner in Westasien, während China umgekehrt der weltweit wichtigste Handelspartner des Königreichs ist. Chinesische Bauunternehmen spielen eine große Rolle beim Ausbau der saudischen Infrastruktur. Auch weiß man es im saudischen Königshaus zu schätzen, dass China keinen Anstoß am dort gepflegten Umgang mit Regimekritikern nimmt.
Auch zu den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) pflegt China gute Beziehungen. Das Reich der Mitte ist inzwischen zum bedeutendsten Handelspartner der Emirate geworden. Mit dem "Dubai Port" ist eine wichtige Handelsdrehscheibe entstanden. Rund 200.000 Chinesen tragen in den VAE inzwischen dazu bei, den Warenfluss in beide Richtungen noch zu erhöhen. So sind die Emirate ein wichtiger Knotenpunkt innerhalb von Chinas "Belt and Road"-Initiative (BRI).
Bande nach Israel und Iran
Dieses geplante Netz aus Handelsrouten und Investitionsstützpunkten spinnt China auch in Ägypten. So ist es an der Entwicklung eines Seehafens am Roten Meer und an der Industriezone Ain Suchna an der Westküste des Golfs von Suez beteiligt. Andere Interessen verfolgt die Regierung in der Beziehung zu Israel: Dort spielt vor allem der Austausch von Hochtechnologie eine Rolle. Zugleich arbeiten beide auf dem Gebiet von Sicherheit und Terrorbekämpfung zusammen.
Die guten Beziehungen nach Jerusalem und Tel Aviv hindern die Regierung in Peking nicht daran, auch mit einem der größten Feinde Israels, dem Iran, zusammenzuarbeiten. Dessen Öl gilt als wichtige Reserve der chinesischen Energieversorgung, auch wenn die entsprechenden Geschäfte derzeit aufgrund der gegen den Iran verhängten US-Sanktionen eher zurückhaltend betrieben werden. Auch der Iran gilt als Baustein innerhalb des BRI-Projekts, eines Bausteins, der aus Sicht Pekings vor allem den Vorzug hat, dass die USA keine direkten Zugriff auf ihn haben.
Politische Zurückhaltung
Politisch hingegen hält China sich zurück. "Es hat zwar der syrischen Regierung während des Krieges beigestanden, dies aber vergleichsweise verhalten", sagt Kevjn Lim. "Auch hat es den Iran im Vorfeld der Atomverhandlungen ermutigt, sich auf diese einzulassen. Auch hat Peking im Nahost-Konflikt moderiert, allerdings auch hier nur ganz vorsichtig."
Zwar sei man sich in Peking bewusst, dass die USA als Ordnungsmacht in der Region zunehmend ausfielen und es darum eine neue politische Gestaltungskraft brauche. "Aber zu dieser Rolle kann sich China bislang nicht entschließen", sagt Lim. "Zu umfassendem politischen Engagement fehlt in Peking derzeit noch der Wille."